

- Startseite
- ETFs & Indexfonds
-
„Bei gehebelten ETFs fallen Anleger auf die Nase“ (Gerd Kommer)

DAS INVESTMENT: Herr Kommer, Herr von Königsmarck, Ihr gemeinsamer ETF, der L&G Gerd Kommer Multifactor Equity ETF ist nun 21 Monate am Markt. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Gerd Kommer: Wir haben inzwischen 500 Millionen Euro an Volumen überschritten und sind damit sehr zufrieden. Das zeigt, dass unser Konzept von Privatanlegern im deutschsprachigen Raum angenommen wird. Erfreulich ist auch, dass w...
Warum nur an der Oberfläche kratzen? Tauchen Sie tiefer ein mit exklusiven Interviews und umfangreichen Analysen. Die Registrierung für den Premium-Bereich ist selbstverständlich kostenfrei.
Gratis-Zugang:
Um die Autorisierung über LinkedIn zu aktivieren, müssen Sie sich registrieren.
Um die Autorisierung über Google zu aktivieren, müssen Sie sich registrieren.
DAS INVESTMENT: Herr Kommer, Herr von Königsmarck, Ihr gemeinsamer ETF, der L&G Gerd Kommer Multifactor Equity ETF ist nun 21 Monate am Markt. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Gerd Kommer: Wir haben inzwischen 500 Millionen Euro an Volumen überschritten und sind damit sehr zufrieden. Das zeigt, dass unser Konzept von Privatanlegern im deutschsprachigen Raum angenommen wird. Erfreulich ist auch, dass wir tausende Sparpläne verzeichnen – ein Zeichen dafür, dass auch Menschen mit weniger Geld den ETF zum langfristigen Vermögensaufbau nutzen. Genau dafür ist er konzipiert.
Aus Rendite-Sicht hat unser ETF trotz eines im Grunde ungünstigen Marktumfelds bis 19. März 2025 eine kumulative Rendite von über 25 Prozent erzielt.
Im Downturn des globalen Aktienmarktes seit Mitte Februar hat er sich besser geschlagen als viele vergleichbare ETFs.
Im Vergleich zum MSCI World liegt Ihr ETF über ein Jahr leicht hinten. Sie streben aber eine Überrendite an. Auf welchen Zeitraum sollten sich Anleger einstellen?
Kommer: Je länger der Betrachtungszeitraum, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich die ökonomischen Muster und Gesetzmäßigkeiten aus der empirischen Finanzmarktforschung durchsetzen. Es ist wie bei einem Favoriten im Sport: In einem einzelnen Wettkampf kann er verlieren, aber über viele Wettkämpfe hinweg setzt er sich meistens durch. Ab etwa fünf Jahren sollte sich unser Ansatz auszahlen. 21 Monate sind zu kurz für ein Urteil.
Philipp Graf von Königsmarck: Die Outperformance gegenüber dem MSCI World ist übrigens nicht der maßgebliche Treiber unserer Strategie, auch wenn wir uns natürlich darüber freuen, dass der ETF seit Jahresbeginn um 4 Prozent besser abschneidet als der MSCI World. Es geht vielmehr darum, ein extrem breit diversifiziertes und eher konservatives Portfolio zu haben.
Kommer: Genau. Unser ETF ist nicht dazu da, in einem bestimmten Jahr das beste Investment zu sein. Solche Spitzenperformances schaffen in der Regel nur konzentrierte Lösungen – etwa einzelne Aktien, Themen-ETFs oder Bitcoin. Wir bieten eine einfache Lösung für konservativen Vermögensaufbau mit der attraktiven Anlageklasse Aktien-Global. Wobei wir natürlich auch auf lange Sicht den MSCI All Country World Index ein bisschen übertreffen wollen. Und wenn es im Technologiesektor mal wirklich rumpelt, wie beim Platzen der Dotcom-Blase 2000, wird unser ETF stabiler sein als ein MSCI World.
Herr von Königsmarck, bei L&G setzen Sie auch auf Themen-ETFs. Nach welchen Kriterien wählen Sie die Themen aus?
von Königsmarck: Ein Thema muss mindestens fünf Kriterien erfüllen, um einen ETF aufzulegen: Erstens brauchen wir ein ausreichendes Marktpotenzial, zweitens müssen die Wachstumsraten überdurchschnittlich hoch sein, also mindestens zweistelliges prozentuales Umsatz- oder Gewinnwachstum in den nächsten fünf bis zehn Jahren aufweisen. Drittens benötigen wir eine ordentliche Marktkapitalisierung mit mindestens 100 börsennotierten Unternehmen, da durch unseren Selektionsansatz einige aussortiert werden. Viertens muss eine wirtschaftliche Plausibilität der Produkte der zugrunde liegenden Firmen gegeben sein. Und fünftens brauchen wir einen Research-Partner, denn wir nutzen aktives Research, um die relevanten Unternehmen eines Themengebietes zu finden.
Wichtig zu verstehen ist: Diese Themen-ETFs sind eher als Satelliten gedacht, die man zu einem Core-Ansatz – wie unserem gemeinsamen ETF – hinzufügen kann.
Small Caps haben in den vergangenen Jahren aufgeholt. Sollte man als Anleger unter dem Gesichtspunkt der Trump-Präsidentschaft stärker darauf setzen?
Kommer: Trump will eine Deregulierungs- und Entbürokratisierungswelle starten. Kleine Unternehmen leiden naturgemäß mehr unter Bürokratie als große Konzerne, die entsprechende Abteilungen zur Bewältigung unterhalten können. Wenn Trump tatsächlich dereguliert, könnte sich das vorteilhaft für Small Caps auswirken.
In unserem ETF sind im Gegensatz zu einem MSCI World oder ACWI Small Caps enthalten, weil die empirische Finanzmarktforschung zeigt, dass Small Caps auf lange Sicht attraktive Renditen generieren.
Allerdings ist es mir wichtig zu betonen, dass wir bei der Konzipierung des ETFs bewusst nicht darauf geschaut haben, was in den letzten Jahren gut gelaufen ist, um genau das zu einem Index beziehungsweise ETF zu machen. Wir haben etablierte empirische Forschungen umgesetzt, ohne darauf zu schielen, was kürzlich erfolgreich war.
von Königsmarck: Ich möchte noch zwei weitere Aspekte ergänzen: Erstens könnten bei weiter fallenden Zinsen Small Caps stärker profitieren als Large Caps, weil sie sich schwerer refinanzieren können. Zweitens dürften US-Small-Caps von Trumps „America First“-Politik stärker profitieren, da Large Caps global tätig sind und daher eher unter den Zöllen leiden könnten.
Viele jüngere Anleger sind enttäuscht von Emerging Markets, die in den vergangenen fünf Jahren nicht so performt haben, wie erhofft. Sollten Sie trotzdem bei dem Investment bleiben?
Kommer: Wenn jemand in die Weltwirtschaft investieren möchte, gehören Schwellenländer logischerweise dazu. Sie produzieren realwirtschaftlich etwa 50 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist China, Indien ist bald unter den Top 7. Wer nur in Industrieländer investiert, setzt seine selbst gesetzten Ziele gar nicht um.
Seit 1988 – also über 35 Jahre betrachtet – haben Schwellenländer besser performt als Industrieländer, auch wenn das in den letzten zehn Jahren nicht der Fall war. Die hohen Wachstumsraten, die besseren demografischen Verhältnisse, die geringeren Staatsverschuldungen und das höhere Wirtschaftswachstum in Schwellenländern müssten sich auf lange Frist in attraktiven Aktienrenditen niederschlagen.
Zudem sind Emerging Markets aktuell etwa 20 Prozent unter ihrem historischen Mittelwert bewertet. In unserem ETF sind Schwellenländer mit 19 Prozent gewichtet – was immer noch moderat ist angesichts ihres realwirtschaftlichen Anteils von 50 Prozent.
Viele unserer Leser interessieren sich für Hebel-ETFs wie der zweifach gehebelten MSCI USA von Amundi. Was halten Sie von solchen Produkten?
Kommer: Das Schöne am ETF-Markt ist, dass alles Mögliche zu niedrigen Kosten auf einfache Weise abgebildet wird. Ich persönlich habe noch nie in einen gehebelten ETF investiert, weil Leverage ein zweischneidiges Schwert ist. Während der Corona-Krise hat ein solcher ETF nicht 37 Prozent Verlust gemacht wie ein breiter Aktien-ETF, sondern etwa 70 Prozent Verlust.
Wenn Sie Ihr gesamtes Familienvermögen in einen solchen ETF investiert hätten und Ihr Partner fragt: „Was hast du mit unserem Geld gemacht?“, kann das sehr bitter sein.
Deswegen glaube ich, dass gehebelte ETFs wirklich nur für sehr wenige Menschen infrage kommen.
Sie sind so volatil, dass sie in der Realität nicht das Richtige für normale Investoren und die Altersvorsorge von Familien sind. Hinzu kommt die Pfadabhängigkeit: Selbst wenn der Markt am Ende des Jahres 10 Prozent höher steht, könnten Sie mit einem gehebelten ETF trotzdem weniger verdienen, je nachdem, wie der Weg zu diesen 10 Prozent verlaufen ist.
von Königsmarck: Ich glaube, bei diesem Thema spielt Gier eine große Rolle. Diese ETFs sind über Jahre gut gelaufen, und jetzt springen viele Anleger auf. Es ist nachgewiesen, dass der Mensch beim Investieren nur zwei Gefühlszustände kennt: Angst und Euphorie. Viele werden auf die Nase fallen, weil sie oft nicht nur kleine Portionen investieren, sondern gleich aufs Ganze setzen – wie damals bei der Deutschen Telekom oder dem Neuen Markt.
Kommer: Wir sind alle nur Menschen und haben diese unschönen Eigenschaften wie Gier, Neid, Ungeduld und Bequemlichkeit. Seit 2009 haben wir – mit einigen kurzen Rücksetzern und der letzte davon begann Mitte Februar dieses Jahres – fantastische Aktienmarktrenditen. Viele junge Anleger, die nur diese 15 bis 16 Jahre als Erwachsene kennen, glauben, dass es nach jedem Rücksetzer sofort wieder aufwärts geht.
Aber Dürreperioden können auch fünf bis acht Jahre anhalten, und diesen harten Test haben viele junge Anleger noch nicht erlebt.
Zum Abschluss: Viele Anleger um die 30 sorgen mit ETFs für das Alter vor, wissen aber noch nicht, ob sie in 10 oder 20 Jahren vielleicht doch noch ein Haus kaufen wollen. Wie sollten sie damit umgehen?
Kommer: Die Regel ist einfach: Wenn Sie eine nennenswerte Wahrscheinlichkeit sehen, in den nächsten fünf Jahren eine Immobilie zu kaufen, würde ich das dafür benötigte Eigenkapital nicht in Aktien, sondern in risikoarme Anlagen wie ein Tagesgeld oder einen Geldmarkt-ETF investieren.
Stellen Sie sich vor, Sie finden Ihr Traumobjekt früher als erwartet, aber der Aktienmarkt ist gerade um 20 Prozent gefallen – dann haben Sie entsprechend weniger Eigenkapital. In diese Situation sollten Sie nicht kommen, und das lässt sich leicht vermeiden.
Nur Geld, von dem Sie mit Sicherheit sagen können, dass Sie es in den nächsten fünf Jahren sehr wahrscheinlich nicht brauchen, sollte in den Aktienmarkt fließen. Diese Frage muss man natürlich jedes Jahr neu stellen, da sich die Lebensumstände ändern können.
Im Endeffekt ist Sicherheit wichtiger als der Versuch, noch ein paar Prozent mehr Rendite herauszuholen.
Über die Interviewten
Gerd Kommer ist Chef der Münchner Honorar-Finanzanlagenberatung Gerd Kommer Invest. Seit einem Jahr betreibt Kommer, der auch als Fachautor und Vortragsredner auftritt, den von ihm initiierten L&G Gerd Kommer Multifactor Equity Ucits ETF gemeinsam mit Philipp Graf von Königsmarck, Vertriebsleiter Wholesale in Nordeuropa bei Legal and General Investment Management (LGIM).



