Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé
Kommt die Stagflation?
Jörg Angelé ist Volkswirt bei Bantleon. Foto: Thomas Wieland
Die hohen Energiepreise schüren Ängste vor Inflation, parallel wächst die Sorge vor konjunktureller Stagnation. Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé sagt, wie er das Marktrisiko aktuell einschätzt.
Abgesehen vom Inflationseffekt bringen die gestiegenen Energiepreise auch einen spürbaren Kaufkraftentzug bei den privaten Haushalten der Eurozone mit sich: Unseren Berechnungen zufolge jeweils etwa 120 Milliarden Euro in diesem und im nächsten Jahr. Das entspricht rund 1,0 Prozent des nominalen BIP. Unter normalen Umständen müsste man bei einer solchen Größenordnung einen dämpfenden Effekt auf den privaten Konsum und damit den Zuwachs der Wirtschaftsleistung erwarten. Wir gehen jedoch davon aus, dass dies nicht passiert.
Zum einen liegen die privaten Konsumausgaben weiterhin erkennbar unter dem Vorkrisenniveau. Es besteht somit weiteres Aufholpotenzial, insbesondere in weiten...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Abgesehen vom Inflationseffekt bringen die gestiegenen Energiepreise auch einen spürbaren Kaufkraftentzug bei den privaten Haushalten der Eurozone mit sich: Unseren Berechnungen zufolge jeweils etwa 120 Milliarden Euro in diesem und im nächsten Jahr. Das entspricht rund 1,0 Prozent des nominalen BIP. Unter normalen Umständen müsste man bei einer solchen Größenordnung einen dämpfenden Effekt auf den privaten Konsum und damit den Zuwachs der Wirtschaftsleistung erwarten. Wir gehen jedoch davon aus, dass dies nicht passiert.
Zum einen liegen die privaten Konsumausgaben weiterhin erkennbar unter dem Vorkrisenniveau. Es besteht somit weiteres Aufholpotenzial, insbesondere in weiten Teilen des konsumnahen Dienstleitungssektors. Zum anderen verfügen Unternehmen und private Haushalte über enorme Sparreserven, die während der vergangenen Quartale aufgebaut wurden. Allein auf Girokonten und in Form von Bargeld werden etwa 745 Milliarden Euro mehr gehalten, als dies ohne die Pandemie der Fall gewesen wäre (vergleiche Abbildung 2). Darüber hinaus haben bereits zahlreiche Regierungen angekündigt, einkommensschwache Haushalte mit Energieschecks oder Einmalzahlungen zu unterstützen.
Abbildung 2: Private Haushalte sind so flüssig wie nie zuvor
Der private Konsum wird unserer Einschätzung nach daher trotz der höheren Energiepreise auch 2022 kräftig wachsen und wie schon in diesem Jahr einen BIP-Zuwachs von rund 5,0 Prozent ermöglichen. Ein Stagflationsszenario sehen wir vor diesem Hintergrund zurzeit als wenig wahrscheinlich an.
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