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Kompass-Schlammschacht nimmt kein Ende

Nächste Runde in der Schlammschlacht um das Insurtech Kompass Group: Nach dem juristischen Erfolg des Aufsichtsrats vor dem Landgericht Mannheim mit einer einstweiligen Verfügung dauerte es nicht lange, bis der im April abberufene Vorstand sich am Dienstagnachmittag zu Wort meldete, um darauf eine weitere Reaktion mit einer nächtlich um 0.35 Uhr am Mittwoch versandten Pressemitteilung hervorzurufen.
Nun wiederholt sich das Schauspiel von vor einigen Wochen. Eine beispiellose Serie an Vorwürfen, ausgetragen über Pressemitteilungen, die sämtlich nur die vermeintlich juristische Dimension der Neugründung der Kompass Group Deutschland AG und des Fortbestands und der Führung der Kompass Group AG tangieren und damit an der Oberfläche kratzen, weil über die dahinterstehenden Konflikte nicht gesprochen wird. Eine wesentliche Rolle scheint dabei eine bisher nicht bekannte juristische Auseinandersetzung in der Schweiz zu spielen. Dort hat die Gruppe auch einen Firmensitz.
Vorstand um Matthias Schmidt will Kontrolle wiederhergestellt haben
Aber der Reihe nach: Die von der einstweiligen Verfügung betroffene Kompass Group Deutschland hatte zunächst Erstaunliches zu vermelden. Keine Namensänderung, wie von der Gegenseite verlangt, vielmehr die Beilegung des Streits zwischen der Kompass Group und der Kompass Group Deutschland wurde in der erwähnten Veröffentlichung am Dienstag kundgetan.
„Wir freuen uns, dass es uns nach mehr als zwei Monaten gelungen ist, die Kontrolle über die Kompass Group AG wiederzuerlangen”, so Unternehmensgründer Matthias Schmidt. „Damit sind sämtliche juristischen Auseinandersetzungen beendet und wir können uns noch stärker auf den operativen Alltag fokussieren.”

Auseinandersetzungen beendet? – eine Frage der Perspektive
Für viele, die den Konflikt verfolgt haben, wohl eine befremdliche Formulierung, da sie nach Einvernehmen klang. Offensichtlich berufen sich die Vorstände der neuen Kompass-Gesellschaft einfach darauf, als Mehrheitsaktionäre der alten Kompass-Gesellschaft, wieder neuer Herr im eigenen alten Haus zu sein. So halten Schmidt, René Fuchs, Sandro Scheffler und Marcus Renziehausen 90,64 Prozent der Stimmrechte an der Kompass Group. Sprich, eine Kompass Group unter Kontrolle von Schmidt und seiner Getreuen braucht natürlich keinen Rechtsstreit gegen das andere eigene Unternehmen Kompass Group Deutschland zu führen.
Dubiose Andeutungen zu Aufsichtsrat-Aktivitäten in der Schweiz
Die entscheidende Frage ist nur: Warum waren die vier Männer als Mehrheitsaktionäre so lange Zeit nicht – im juristischen Sinne – Herr im Haus der Kompass Group und warum konnten sie jetzt erst die ursprüngliche Situation vermeintlich wiederherstellen? Darauf liefert die Pressemitteilung nur eine dubiose Antwort: „Aufgrund von Maßnahmen aus dem Umfeld des Aufsichtsrats, die in den vergangenen Monaten Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung in der Schweiz waren, war es den Mehrheitsaktionären bislang nicht möglich, in vollem Umfang von ihren Stimmrechten auf der Hauptversammlung der Kompass Group AG Gebrauch zu machen.“
Was das konkret bedeutet, will Schmidt auf Nachfrage von DAS INVESTMENT nicht sagen. Man könne wegen der juristischen Dimension nicht ins Detail gehen. Nur soviel: „Um die Situation wiederherzustellen, waren Maßnahmen innerhalb der Schweiz und Deutschland nötig“, so Schmidt. Pohland sagt zu dem Schweizer Verfahren auf Nachfrage: „Uns sind keine juristischen Auseinandersetzungen bekannt, noch liegen uns entsprechende anwaltliche Informationen darüber vor.“
Hauptversammlung entlässt Aufsichtsrat und Vorstand der alten Kompass
Nach seiner Darstellung habe man damit zivilrechtlich die Kontrolle über die Kompass Group wieder erlangt, sodass kürzlich eine außerordentliche Hauptversammlung stattfinden konnte. Mit wenig überraschendem Ergebnis. Sämtliche Mitglieder des Aufsichtsrates wurden abberufen. „Dr. Martin Ulmer, Hans-Gerd Coenen, Uwe Ludwigs und Matthias Bauer haben keine Funktion mehr in Gremien der Kompass Group AG. Der vom Aufsichtsrat vor wenigen Wochen installierte Vorstand Nikos Pohland wurde fristlos entlassen“, heißt es in der Mitteilung.
Damit hätten die Mehrheitsaktionäre um Schmidt die Kontrolle über die Kompass Group wiederhergestellt. In der Kompass Group Deutschland sind sie derweil weiter nur designierte Vorstände, weil man seit Wochen auf die Eintragung im Handelsregister warte, wie Schmidt auf Nachfrage mitteilt.
Investor Mike Wlach Aufsichtsratschef bei neuer Kompass-Gesellschaft
Dafür steht bereits Mike Wlach als Aufsichtsratsvorsitzender der Kompass Group Deutschland fest. Das teilte er selbst auf seinem Linkedin-Profil mit. Wlach wollte eigentlich als Seed-Investor im vergangenen Jahr bei Kompass einsteigen, verzichtete dann aber und begründete dies gegenüber DAS INVESTMENT mit genau der Position, die auch der abberufene Vorstand vertritt.
Er wolle nicht in ein Unternehmen investieren, in dem ein Aufsichtsratsmitglied und Minderheitsaktionär wegen massiver medialer Vorwürfe wegen seiner sonstigen Geschäftstätigkeiten ein potenzielles Reputationsrisiko darstellt. Diese Risiken hatte ein anwaltlicher Compliance-Bericht ausführlich dargestellt, über den DAS INVESTMENT exklusiv berichtete. Ein Investment in die Kompass Group Deutschland stellte Wlach mittlerweile bereits in Aussicht.
Kompass Group soll liquidiert werden
Nach Darstellung von Schmidt und seinen Getreuen soll damit alles geklärt sein. Eigentlich habe man nach dem Mannheimer Urteil in der nachfolgenden Berufungsinstanz richterlich klarstellen lassen wollen, dass das Urteil nur aufgrund einer getätigten Falschaussage ergangen war und das Gericht das Urteil dementsprechend aufzuheben habe. Zu dieser Berufungsverhandlung kommt es nun aber nicht mehr, so die Kompass Group Deutschland. Die Kompass Group wiederum soll, wie ohnehin schon vor Monaten angedacht, zunächst als Mantelgesellschaft ohne operatives Geschäft verbleiben und mittelfristig liquidiert werden.
Betroffene erklären Entlassung und Abberufung für unrechtmäßig
An der darauffolgenden Pressemitteilung der Gegenseite, weiterhin genauso im Name der Kompass Group versandt, überraschte nur die späte Uhrzeit. Der Inhalt tat es nicht, denn erwartungsgemäß ist der Konflikt nicht beendet. Im Gegenteil: So sei die Behauptung der neuen Kompass-Gesellschaft, auch bei der alten wieder die Kontrolle erlangt zu haben, unrechtmäßig erfolgt. Zudem sei Pohland nicht entlassen und der Aufsichtsrat nicht abberufen worden. Wohl nicht, weil die dargestellte Sitzung gar nicht stattgefunden hätte, sondern wohl vielmehr, weil die alten Vorstände und selbst ernannten Mehrheitsaktionäre um Schmidt zu deren Abhalten gar kein Recht gehabt hätten.

Das geht zumindest aus einer Formulierung der Mitteilung hervor: „Möglicherweise ist den Herren der Kompass Group Deutschland AG schlicht und ergreifend ihre rechtliche Situation in Fragen der Mehrheiten nicht klar.“ Insofern hätten Pohland und der Aufsichtsrat weiterhin selbst die Kontrolle über die Kompass Group. Wie die rechtliche Situation und die Eigentumsverhältnisse stattdessen sind, wollte DAS INVESTMENT von Pohland, dem sehr jungen Vorstand, den am einzig existierenden physischen Firmenstandort in Karlsruhe niemand kennt, und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Coenen wissen. Statt einer konkreten Antwort wurde nur wiederholt, dass die Eigner der Kompass Group Deutschland nicht über die erforderlichen rechtlichen Grundlagen für eine Abberufung oder Entlassungen verfügen würden.
Jetzt stehen sogar Strafanzeigen im Raum
Coenen nannte die Darstellung der konkurrierenden Kompass-Gesellschaft eine „Falschmeldung“. Und weiter: „Es wird langsam aberwitzig, wie die Leitung der Kompass Group Deutschland AG für sich die Realität verdreht. Wir sind jetzt gezwungen, nicht nur zivilrechtlich, sondern auch strafrechtliche Verfahren gegen diesen Identitätsdiebstahl und Betrug vor Gericht zu bringen. So geht es einfach nicht weiter“. Die Kompass Group werde umgehend einstweilige Verfügungen in Deutschland und der Schweiz gegen die Kompass Group Deutschland einreichen.
Kompass Group Deutschland betont erfolgreich laufendes Geschäft
Die angegriffene Kompass Group Deutschland reagierte darauf durch Schmidt wiederum so: „Wir ergreifen alle nötigen Maßnahmen und werden unser Recht durchsetzen. Zugleich bleibt der operative Fortschritt unser wichtigstes Thema. Wir haben gute Gründe, um nach vorne zu blicken: Wir bauen einen eigenen Assekuradeur auf, führen vielversprechende Gespräche mit Investoren und haben eine prall gefüllte Deal-Pipeline.“
Ergänzung: Einstweilige Verfügung abgelehnt
Am Freitag ging das bekannte Spiel mit der nächsten Pressemitteilung weiter. Demnach habe das Landgericht in Karlsruhe gestern einen Antrag auf einstweilige Verfügung der Kompass Group Deutschland zurückgewiesen, wie die Gegenseite mitteilte.
Wobei es dabei genau ging, ist unklar. Im Namen der Kompass Group stellte Pohland den Schaverhalt so dar, dass mit der einstweiligen Verfügung die Kompass Group Deutschland angeblich versucht habe, die Kompass Group mundtot zu machen. Doch sei diese laut der Richter berechtigt, „die vielen falschen Aussagen der neuen Kompass Group Deutschland AG öffentlich deutlich zurückzuweisen“. Bis auf einen Halbsatz in einer Pressemitteilung seien alle anderen Aussagen der Kompass Group in der Auseinandersetzung im Rahmen der Meinungsfreiheit und des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb statthaft. Pohland: „Die neu gegründete Kompass Group Deutschland AG muss endlich einsehen, dass sie nur auf legalem Weg und in angemessener Abstimmung mit uns eine Zukunft hat.“
Die Kompass Group Deutschland wollte sich auf Nachfrage von DAS INVESTMENT dazu wiederum nicht äußern.