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Konjunkturausblick für Europa Kann die EZB-Politik Europas Leiden lindern?

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Wie variiert Pimcos Ausblick zwischen den europäischen Kern- und Peripherieländern, und welche allgemeinen Auswirkungen haben die laufenden Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Gläubigern, zu denen auch die EZB zählt?

Bosomworth: Mehrere Länder in der europäischen Peripherie profitieren nun von den Wachstumsvorteilen, die sich aus der Umstrukturierung ihrer Wirtschaft und der zusätzlichen Unterstützung durch die Geldpolitik ergeben. Das Wachstum der Produktion in Ländern wie Irland und Spanien – und sogar in Griechenland vor dem Regierungswechsel im Januar dieses Jahres – war kräftiger als in vielen Kernländern.

Außerdem beobachteten wir eine, wenn auch verhaltene, Wende zum Besseren am italienischen Arbeitsmarkt infolge der Ende 2014 vorgenommenen Änderungen am Arbeitsmarktgesetz. Aufgrund der günstigen fundamentalen Rahmenbedingungen und der – infolge des negativen Renditeniveaus – fortgesetzten Suche nach Renditen erwarten wir weiterhin, dass sich die Spreads zwischen Anleihen der europäischen Peripherie- und denen der Kernländer verengen werden.

Was Griechenland betrifft, so gibt es zwei Aspekte bei den Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Gläubigern, die darauf hindeuten, dass es zwar schwierig sein wird, eine Lösung zu finden, dies aber letzten Endes gelingen wird. Gemäß ihrem Mandat ist es der EZB gesetzlich untersagt, einem Staat Kredite zu gewähren. Solange Griechenland keinen Zugang zu den privaten Kapitalmärkten hat, ist es aufgrund des Verbots der monetären Finanzierung unwahrscheinlich, dass Griechenland das Emissionsvolumen seiner Staatsanleihen oder Schatzanweisungen erhöhen kann.

Ohne Zugang zu den Kapitalmärkten und ohne höhere Staatsanleihen-Emissionen wird Griechenland letztlich seine europäischen Partner bitten müssen, die derzeit zur Auszahlung vorgesehenen Mittel freizugeben. Europa hat einen strategischen geopolitischen Anreiz, dafür zu sorgen, dass das NATO-Mitglied Griechenland in der Europäischen Union (EU) verbleibt. Das Bemühen um den Verbleib Griechenlands in der EU und das politische Bekenntnis zur Wahrung der Einheit der Eurozone lassen einen ermutigenden Ausgang der laufenden Verhandlungen mit Griechenland erwarten.

Wie könnte sich der Ausblick für Europa auf die Weltwirtschaft und die weltweiten Märkte auswirken?

Lorenzo Pagani: Wir erwarten, dass die Zinssätze in Europa in den nächsten Jahren niedrig bleiben werden und dass die QE der EZB die Renditen und den Spread nach oben begrenzen wird. Dies wird Portfolioneugewichtungen auslösen, da die Anleger für ihr Erspartes nach Alternativen mit einem besseren relativen Wertpotenzial Ausschau halten werden. Die Kapitalflüsse aus Europa in andere Regionen der Welt dürften dadurch anwachsen. Direkte Auswirkungen wird dies unseres Erachtens auf die Währungen haben, wobei wir weiterhin mit einem schwächeren Euro und einem stärkeren US-Dollar rechnen. Zudem werden die Anleger mit der Neugewichtung ihrer Allokationen die mittleren und langfristigen Segmente der Zinskurven anderer Industrieländer, beispielsweise der USA und des Vereinigten Königreichs, unterstützen.

Richten wir unseren Blick nun auf das Vereinigte Königreich. Wie wird sich die Wirtschaft Ihrer Ansicht nach entwickeln, und wie stark wird der Ausgang der britischen Wahlen im Mai den Ausblick beeinflussen?

Amey: Wir erwarten für das Vereinigte Königreich in den nächsten zwölf Monaten weiterhin 2,5 bis 3 Prozent Wachstum, während der VPI auf dem Niveau des offiziellen Ziels von 2 Prozent oder darunter, im Bereich von 1 bis 2 Prozent, liegen dürfte. Das Vereinigte Königreich ist zwar auch ein Nettoimporteur von Öl, doch beträgt das Handelsbilanzdefizit beim Öl gerade einmal 0,5 Prozent des BIP, sodass dieser positive zyklische Faktor auf das Vereinigte Königreich weit weniger Auswirkungen hat als auf die Eurozone.

Allerdings ist der Arbeitsmarkt im Vereinigten Königreich in einer viel besseren Verfassung. Aufgrund der geringeren Überkapazitäten am Arbeitsmarkt erwarten wir, dass steigende Löhne 2015 das Wachstum im Vereinigten Königreich unterstützen werden. Trotz der desinflatorischen Wirkung der erstarkenden Währung wird der Kern-VPI im Spannungsfeld von zwei sich gegenseitig aufhebenden Effekten – stärkere Binnennachfrage einerseits, schrumpfende Produktionslücke andererseits – gefangen sein. Daher erwarten wir, dass sich der Kern-VPI in den nächsten zwölf Monaten kaum verändern wird, während sich die Gesamtinflation der Kerninflation annähern dürfte, sobald der Effekt der niedrigeren Rohstoffpreise aus der Jahresrate herausfällt.

Wir sind der Auffassung, dass es im Vereinigten Königreich über den zyklischen Horizont betrachtet wenigstens eine Parlamentswahl geben dürfte. Nach aktuellem Stand ist es sehr ungewiss, wer die nächste Regierung bilden wird. Aufgrund der geringen Unterstützung für die beiden größten Parteien (Tories und Labour) und des Umstands, dass sich die übrigen Stimmen auf mehrere kleinere Parteien verteilen dürften, ist der Wahlausgang dieses Mal so ungewiss wie selten in den zurückliegenden Jahrzehnten.

Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die Briten eine schwache Regierung wählen, möglicherweise eine Minderheitsregierung, die in Sachfragen immer wieder auf andere Parteien angewiesen ist. Eine solche schwache Regierung wird zweifellos für eine Menge Schlagzeilen sorgen. Wir erwarten aber nicht, dass die allem Anschein nach relativ solide Erholung im Vereinigten Königreich dadurch ernsthaft aus dem Tritt gerät.