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Grüne Investments: Welche Folgen hat US-Abkehr von Klimazielen?

Am 20. Januar 2025 wurde Donald Trump als 47. Präsident der USA vereidigt. Er setzt mit seinem Paradigma „Drill, baby, drill“ klar auf fossile Brennstoffe. In diesem Zuge haben jüngst die weltweit größte Investmentgesellschaft Blackrock und nahezu alle US-Großbanken (Citigroup, Bank of America, Goldman Sachs, Wells Fargo und JP Morgan) die Net-Zero Asset Management Initiative bzw. Banking Alliance (NZAMI, NZBA) verlassen. In den Vereinigten Staaten bröckelt die Allianz zur kapitalbasierten Dekarbonisierung der Wirtschaft, während die europäische Finanzwelt noch an ihren ESG-Zielen festhält. Welche Folgen hat dieses transatlantische Gefälle für die Kapitalmärkte, die Energiewende und die Anteile einzelner Anleger?
Weniger Ideologie, dafür mehr Gelassenheit und das Diktat der Fakten – das würde der Kontroverse guttun, die in der jüngsten Vergangenheit oft emotional aufgeladen war: NZAMI und NZBA wurden im Rahmen der Klimakonferenz von Glasgow 2021 ins Leben gerufen. Zwar in offizieller Partnerschaft mit der Kampagne Race to Zero des United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC), jedoch auf freiwilliger Basis und durch die Initiative der Finanzbranche selbst. Darin erklären die beteiligten Unternehmen ihre Übereinstimmung mit den Bemühungen der UN, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und Investitionen zu unterstützen, die auf Netto-Null-Emissionen bis 2050 oder früher ausgerichtet sind. Außerdem haben sich die Firmen dazu verpflichtet, über ihre Bemühungen zu berichten.
Bei beiden Initiativen handelte es sich aber lediglich um eine Selbstverpflichtung ohne rechtliche Bindung und Sanktionsmechanismen. Insofern scheinen die kartellrechtlichen Bedenken einzelner US-Bundesstaaten sowie das Echo einiger Medien, die von „Wettbewerbsverzerrung“ oder „undemokratischen Strukturen“ sprachen, den Sachverhalt zu dramatisieren. Rein theoretisch hätten Blackrock und Co. also zu „braunen Vermögenswerten“ in ihren Portfolios zurückkehren oder an diesen festhalten können, auch ohne NZAMI und NZBA zu verlassen.
The trend is your friend – kurzfristig
Das steht jedoch im Widerspruch zum aktuellen Trend, zumindest in den USA. War schon die Gründung der beiden Initiativen vor vier Jahren zu gewissen Teilen imagegetrieben, so ist es der jetzige Ausstieg der US-Unternehmen erst recht. Mit seiner Abkehr von der Nachhaltigkeit hat Trump in Sachen Energiewende gewissermaßen die Gegenreformation ausgerufen – und die Big Player in den USA scheinen mit ihrem Austritt signalisieren zu wollen, dass man sich auf der Höhe der Zeit befindet. Eine solche PR-Maßnahme ist nachvollziehbar, schließlich würde es bei den Anlegern für Unsicherheit sorgen, würden ihre „braunen Investments“ von Unternehmen verwaltet, die sich offiziell zu NZAMI und NZBA bekennen.
Das bedeutet jedoch keinesfalls das Aus für „grüne Investments“ wie beispielsweise die in Europa gemäß Artikel 8/9 der Offenlegungsverordnung klassifizierte Fonds. Ganz klar: Kurzfristig maximale Renditen versprechen heute in erster Linie klassische Portfolios – doch das war vor dem Austritt der US-Vermögensverwalter genauso. Denn die Energiewende ist ein langfristiges Projekt, die „grüne Geldanlage“ ebenfalls. Die aktuelle Entwicklung in den USA wird vermutlich dazu beitragen, dass globale Klimaziele wie die Agenda 2050 der UN verfehlt bzw. verzögert erreicht werden.
The trend is your friend – langfristig: drei Fakten pro „grüne Geldanlage“
Natürlich ist heute nicht abzusehen, wer in vier Jahren Trumps Nachfolge antreten wird. Die globalen Schäden durch den Klimawandel wie die jüngsten Waldbrände in Kalifornien und auch die Erfolge im Bereich emissionsfreier Energiegewinnung, etwa die Marktdominanz Chinas im Bereich Solarenergie, sind jedoch zu groß, als dass weltweit eine dauerhafte Umkehr der Energiewende wirklich vorstellbar wäre. Die Öl- und Gasreserven des Planeten sind endlich, die vom Klimawandel verursachten Kosten steigen jedes Jahr, während emissionsfreie Energiegewinnung und die entsprechenden Technologien immer billiger werden. Nur braucht dieser Prozess eben Zeit.

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Hinzu kommt: Die EU hält an ihrer Agenda 2050 fest. An der mittelfristig zu erwartenden steigenden Attraktivität „grüner Investments“ ändert die aktuelle Entscheidung der US-Finanzwirtschaft daher nichts. Im Gegenteil: Mit jeder Investition in „grüne Unternehmen“ steigt das Kapital, das sie für die Umsetzung ihres Geschäftsmodells so dringend brauchen. Ist die Kritische Masse einmal erreicht, verstärken sich die Effekte wechselseitig: Je mehr Kapital für die Energiewende zur Verfügung steht, desto schneller kommt sie voran. Desto schneller werfen die beteiligten Unternehmen größere Renditen ab.
Doch nicht nur „grüne Investments“ im engeren Sinne werden attraktiver, sondern auch Investments, welche die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft unterstützen. Das hat auch die EU erkannt: Die im Mai 2025 in Kraft tretende Namensrichtlinie für nachhaltige Fonds und Anlageprodukte stuft auch übergangsbezogene Finanzprodukte unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltig ein – etwa wenn die repräsentierten Unternehmen sich in der Transformationsphase befinden und konkrete Nachhaltigkeitsmaßnahmen aufgelegt haben, in die eigene Elektrifizierung investieren etc. Das könnte den gesamten Sektor beflügeln, denn Investitionen in transformationswillige Unternehmen fördern die Energiewende insgesamt, wovon mittel- und langfristig auch „rein grüne Investments“ profitieren.
Und noch ein dritter Punkt ist von Bedeutung: Auch bei herkömmlichen Investments ist die Berücksichtigung von ESG-Aspekten, insbesondere zur Reduktion von Risiken, sinnvoll. Denn dies sorgt für Stabilität. In Europa – und längerfristig wohl auch in den USA – werden Regulatorik und gesetzliche Vorgaben zur Nachhaltigkeit eher zu- als abnehmen. Ein Beispiel hierfür ist der durch Technologien wie KI ständig wachsende Bedarf an IT-Ressourcen, mit dem so gut wie jedes größere Unternehmen konfrontiert ist. Auch in diesem Bereich dürften Rahmenwerke und Initiativen Stück für Stück in Richtlinien und Gesetze umgewandelt werden, sodass sich das Vertrauen ESG-konforme Investments auszahlen wird. In Gestalt besserer Renditen.
Heute Talfahrt, morgen Gipfelsturm
Zuletzt sei noch die alte Börsenweisheit zitiert, nach der nur Investitionen in solche Anteile wirklich attraktiv sind, die sich vorübergehend auf Talfahrt befinden. Denn nur diese haben das Potential, in naher Zukunft signifikant zu steigen. Ja, ein (vorübergehender) Trend zu nicht nachhaltigen Investments ist zu verzeichnen. Ja, Nachhaltigkeits-Commitments werden teilweise zurückgehen, die Energiewende wird global eine Delle erfahren.
Doch einerseits spricht nichts dagegen, diese Werte in einem ausgewogenen Portfolio zu vereinen. Andererseits werden die Börsenwerte nachhaltiger Unternehmen langfristig steigen. Mit Elon Musk befindet sich der heute vielleicht einflussreichste Unternehmer auf dem Gebiet alternativer Mobilität im US-Zentrum der Macht. Womöglich ein Zeichen dafür, dass die Energiewende auch dort längst angekommen ist – selbst wenn es gerade keiner merkt.
Über die Autoren:
Christoph Betz ist Partner im Bereich Financial Services bei KPMG. Er leitet die ESG-Practice für den Bankenbereich in Deutschland.
Kevin Naumann ist Partner im Bereich Financial Services bei KPMG und leitet das Consulting Geschäft im Asset Management. Er leitet die ESG-Practice für AM in Deutschland.