KPMG-Forscher Heiko von der Gracht
Eine Welt ohne Geld
Aktualisiert am 05.03.2020 - 14:59 Uhr
Illustration „Banking ohne Banken“ aus einem KPMG-Handbuch. Foto: KPMG
Die Zukunft ist nicht linear, niemand kann sie sicher vorhersagen. Szenarien entwerfen können Wissenschaftler aber schon. KPMG-Forscher Heiko von der Gracht schildert, wie eine Welt ohne Banken im Jahr 2040 aussehen könnte.
Die Gesellschaft orientiert sich am Social Score: Der gläserne Bürger erhält Punkte für „Wohlverhalten“, nach denen sich unter anderem seine Kreditwürdigkeit und seine Versicherungsprämien richten. Plattformen organisieren per „Lifetime Sponsoring“ schon ab der Geburt Investitionen in Humankapital („Corporate Babies“).
Die Wirtschaft wird in vielen Branchen von den Technologieunternehmen dominiert, da diese die Macht ihrer Kundendaten voll ausgespielt haben. „Bank“ ist den meisten Menschen gar kein Begriff mehr. „Quantified Enterprises“ planen in Echtzeit und maximieren ihre Datensammlung.
Technologie ist omnipräsent und bedingt ein völlig verändertes Verhalten im Alltag. Chips...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die Gesellschaft orientiert sich am Social Score: Der gläserne Bürger erhält Punkte für „Wohlverhalten“, nach denen sich unter anderem seine Kreditwürdigkeit und seine Versicherungsprämien richten. Plattformen organisieren per „Lifetime Sponsoring“ schon ab der Geburt Investitionen in Humankapital („Corporate Babies“).
Die Wirtschaft wird in vielen Branchen von den Technologieunternehmen dominiert, da diese die Macht ihrer Kundendaten voll ausgespielt haben. „Bank“ ist den meisten Menschen gar kein Begriff mehr. „Quantified Enterprises“ planen in Echtzeit und maximieren ihre Datensammlung.
Technologie ist omnipräsent und bedingt ein völlig verändertes Verhalten im Alltag. Chips stecken sowohl in menschlichen Körpern als auch in allen erdenklichen Produkten. Verbrauchsgüter bestellen sich selbst nach, während Einmalkäufe „im Vorbeigehen“ getätigt werden. Wertschöpfungsketten im Ganzen haben digitale Innovationen eingeführt, zum Beispiel Machine-to-Machine-Kommunikation in Echtzeit.
Die Wertschöpfung wird überwiegend von einigen Bigtech-Unternehmen erbracht, die mit allumfassenden Produktpaletten auch Finanzmanagement betreiben, unter anderem Losgrößen und Fristentransformation sowie Risikomanagement. Daten-Pooling mit anderen Anbietern und Data-and-Analytics-Technologieführerschaft ermöglichen es ihnen, Informationsasymmetrien zum Kunden höchst effizient abzubauen und Transaktionskosten zu senken.
In einer globalen Plattformökonomie mit weltweit einheitlichen Standards und modularisierten, plug-and-play-fähigen Produkten sind die ehemaligen „klassischen“ Banken daher zu reinen Zulieferern degradiert worden.
Die Kunden sind umfassend technisiert und arbeiten mit Smart Contracting, Smart Payment und bargeldfreier Tauschwirtschaft („Crypto-Barter“). Persönlicher Kontakt bei ihren Finanzgeschäften wäre ihnen lästig; sie wollen alles anonym, maschinell, automatisiert oder höchstens per Klick oder Wisch erledigen können, was sie für die finanziellen Aspekte ihrer Geschäfte brauchen.
Chancen und Risiken
Der Staat (die drei Gewalten) hat viele ehemals staatliche Funktionen an Bigtech-Firmen oder supranationale Gesetzgeber und Komitees übertragen – zum Beispiel Teile der Rechtsprechung an „Roborichter“. Im Gegenzug sichert der Staat sich den Zugriff auf persönliche Daten zur Wahrnehmung seiner Aufgaben. Der Plattformmarkt wird deshalb nur schwach oder ineffektiv reguliert. Die innere Sicherheit ist auch wegen der umfassenden „Datenhoheit“ gewährleistet. Gemeinsam mit den neuen Finanzintermediären überwacht der Staat zum Beispiel das Internet.
Szenarien, die den Gütekriterien entsprechen, betrachten bei ihrem Narrativ der Zukunft nicht nur die Risiken, sondern auch die Chancen, die die Zukunft bietet; im konkreten Fall der „Welt ohne Geld“-Szenarien unter anderem den KI-Advisor in der Hosentasche (der persönliche Finanzberater in Form einer Künstlichen Intelligenz), die synästhetische Datenvisualisierung (Zahlen werden erlebbar) oder der Trusted Data Score (sozusagen der Daten-TÜV: Algorithmen versehen Daten mit Zensuren – das Ende der Fake News).
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