Merger-Experte Kai Lucks
Kraft in der Krise
Kai Lucks ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions. Foto: Bundesverband Mergers & Acquisitions
Wie entwickelt sich der Markt für Unternehmensfusionen in der Corona-Krise? Welche Erkenntnisse gibt es und welche Hausaufgaben haben Käufer und Verkäufer zu erledigen, um sich für die Zukunft aufzustellen? Damit beschäftigt sich Kai Lucks vom Bundesverband Mergers & Acquisitions im zweiten Teil seines Gastbeitrags.
Entgegen der Annahme, dass in Krisenzeiten operative Aktivitäten, wie etwa M&A-Integrationen, ausgesetzt werden müssen, haben erfahrene Praktiker gezeigt, dass doch vieles möglich. Dafür ist Erfahrung angesagt, denn vieles ist ganz anders in die Hand zu nehmen als in den normalen Zeiten mit lokaler Tätigkeit an den Orten des Geschehens: Dort, wo sich die Führung der Unternehmenseinheit befindet, die Verwaltung, die Fertigung, die Logistik und die anderen Wertträger.
Einem müssen sich Projektleiter, Teams und Management stellen: Die Remote-Arbeit ist mühsam, anstrengend, erfordert hohe Konzentration, sehr gute Planung und perfekt abgestimmtes Timing - von allem mehr als bei lokalen...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Entgegen der Annahme, dass in Krisenzeiten operative Aktivitäten, wie etwa M&A-Integrationen, ausgesetzt werden müssen, haben erfahrene Praktiker gezeigt, dass doch vieles möglich. Dafür ist Erfahrung angesagt, denn vieles ist ganz anders in die Hand zu nehmen als in den normalen Zeiten mit lokaler Tätigkeit an den Orten des Geschehens: Dort, wo sich die Führung der Unternehmenseinheit befindet, die Verwaltung, die Fertigung, die Logistik und die anderen Wertträger.
Einem müssen sich Projektleiter, Teams und Management stellen: Die Remote-Arbeit ist mühsam, anstrengend, erfordert hohe Konzentration, sehr gute Planung und perfekt abgestimmtes Timing - von allem mehr als bei lokalen Einsätzen gewohnt. Und sie macht viel weniger Spaß, als mit allen Beteiligten vor Ort zusammen zu sein, zu raufen, sich in die Augen zu sehen, sich wieder zu vertragen und am Abend an der Bar Kontakte zu vertiefen und in entspannterer Atmosphäre gemeinsam Lösungen zu finden. Es gibt im Management kein Vorhaben, dass ein so tiefes Eintauchen erfordert, so intensiv und vielfältig ist wie M&A, und dass nach aller Mühe so befriedigend ist, wenn man etwas ganz Neues auf die Beine gestellt hat.
Die wichtigsten für eine „remote“-basierte PMI-Projektführung erforderlichen Regeln und Instrumente sind an dieser Stelle kurz zu resümieren. Viele davon sind nicht neu, der „Vor-Ort-Projektführung“ entlehnt, aber spezifisch den Web-basierten Situationen anzupassen und in den damit gegebenen besonderen Situationen im Verbund miteinander einzusetzen:
- Quasi-kontinuierliche Sequenzen von kürzeren und fokussierten Web-Meetings
- Frequenz der Web-Treffen im Vergleich zu Vor-Ort-Lösungen deutlich erhöhen – somit Ausgleich zu den längeren üblichen lokalen Projektsitzungen schaffen
- Stringente aufgaben- und zielorientierte Projektführung auf Basis definierter und vereinbarter Prozesse mit Meilenstein-Orientierung und -Verfolgung
- „Warmhalten“ aller laufenden Kontakte
- Erfassung aller Funktionen, die einzubinden sind, mit Dokumentation über die Einschaltungen und Entscheidungen
- Klarer Vorrang der Gesamtprozessorientierung, Vermeidung von Atomisierungen durch die zahlreichen einzubindenden Einzelfunktionen
- Ordnung halten, Gesamtzusammenhang sichern: straffes Projektmanagement unter Kontrolle und Steuerung, welche Funktionsträger zu welchem Thema einzuschalten sind, bis hin zu Anordnung und Untersagung von Kontaktaufnahmen
- Virtuelle Datenräume, die zu projektübergreifenden Instrumenten der Dokumentation und funktionsübergreifenden Information ausgebaut werden
- Konsequente Nutzung digital basierter Einzelinstrumente von Beginn des M&A-Projektes an, möglichst bis zum Ende: die Mehrzahl der Instrumente sind eher Insellösungen.
- Virtuelles Project Office unterhalten, das für Dokumentationen des Gesamtprojektes, Fortschrittskontrolle anhand definierter Erfüllungsgrade, etwa mit einem Projekt-Cockpit und zum Beispiel rot-grün-Signalisierung zu Erfüllung beziehungsweise Identifikation von Defiziten
- Dementsprechend schnelle Zuordnung von spezifischen Verantwortungen, unter Zuteilung von Kapazitäten, Kompetenzträgern und Ermächtigung zu Entscheidungen
- Nach Bedarf Definition von Rucksack-Projektmodulen, zur kurzen Durchführung angeordnet
- Besonders hohe Aufmerksamkeit gegenüber Angriffen auf das Projekt, sowohl als Cyber-Attacken als auch durch internes Fehlverhalten, wie gezielte Schädigungen oder durch Nachlässigkeit. Solche sind im „remote-Modell“ stärker zu erwarten
- Neben der „Hard-fact-Orientierung“ großes Gewicht auf kulturelle Integration, emotionale Bindung der Beteiligten, besonders unter den Vertretern beider Seiten, die in einer Sache zusammengeschaltet sind
- Hierzu spezielle Web-Meetings ansetzen, auch Open-Space, um dem freien Gedankengang der Teilnehmer Raum zu geben. Dies kann – sofern zeitlich gestaltbar – am virtuellen Ende eines PMI-Arbeitstages angesetzt werden, um so die lokal möglichen informellen abendlichen Treffen an einer Hotelbar zu ersetzen
- Für die Web-Meetings immer auch Check-in-check-out-Möglichkeiten nutzen, das heißt Unterbrechungen und einzelne Ausstiege, wenn sich Blockaden ergeben, die separat oder unter Separierung der Projektparteien lösbar sind
- In der Kommunikationslösung den Wechsel zwischen „Plenargesprächen“ und separaten „Besprechungsräumen“ sicherstellen.
- Auch zu One-to-one-Web-Gesprächen anregen – dabei aber im Auge behalten, dass die Kontakte im Sinne des Gesamtprojektziels gehalten werden
- eine „Ombudsstelle“ im Netz schaffen, an die sich Projektmitarbeiter bei Bedarf und vertraulich wenden können – Vertraulichkeit und Unabhängigkeit außerhalb der Projektleitung sichern, mit der Möglichkeit zur Eskalation an die Unternehmensspitze.
Durch Anwendung dieser Instrumente kann auch eine heiße Projektphase durchaus per Web bewältigt werden. Die Vorteile, gegenüber etwa Zeitaufwand und Kosten durch lange Reisen, können gegenüber den Nachteilen auf die Waagschale gelegt werden. Vermutlich werden sich neue eingespielte Verfahren mithilfe von Web, Data und KI als vorteilhaft auch in die Zeit nach Corona hinüberretten.
Den ersten Teil des Gastbeitrags von Kai Lucks finden Sie hier.
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