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Krim-Krise Vermögensverwalter erklären die Welt und die Börse

Foto: Getty Images
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Allan Vallentiner, Vorstand amf Capital

"Angesichts ständig neuer Gerüchte über ein Eingreifen Russlands in der Ukraine und möglicher Maßnahmen des Westens gegen diese Bedrohung stellt sich natürlich die Frage, wie die Finanzmärkte auf diese Eskalation reagieren.
Wie schon im Jahr 2006, als der Streit zwischen dem russischen Gaslieferant Gazprom und der Ukraine über die Höhe des Gaspreises zu Engpässen bei der Gaslieferung nach Europa führte, ist auch dieses Mal mit Lieferverzögerungen zu rechnen. Diese könnten die sowieso schon schwache konjunkturelle Erholung in der Eurozone und somit die Aktienmärkte belasten.

Es ist damit zu rechnen, dass Anleger sich in die Sicherheit von Anleihen mit bester Qualität flüchten werden. An Stärksten würde der US-Treasury Markt und der US-Dollar profitieren. Während auch Bundesanleihen von dieser Flucht profitieren könnten, würden die Risikoaufschläge von Anlagen mit geringerer Bonität kräftig steigen. Dazu gehören neben Anleihen aus den Schwellenländern und aus Südeuropa auch Anleihen von Banken und Corporate Bonds mit geringer Bonität."

Lutz Hering, Marktstratege Damm, Rumpf, Hering, Dresden:

"Die Bedeutung der Ukraine im Durchschnittsdepot eines Vermögenden ist vernachlässigbar. Eine Empfehlung jetzt zu kaufen, halten wir für unseriös. Die Krise ist nicht kalkulierbar, übrigens nicht zuletzt deshalb, weil wirtschaftliche Interessen eher eine untergeordnete Rolle spielen."

Christian Gritzka, Portfoliomanager Knapp Voith Vermögensverwaltung, Hamburg:

"Wir gehen davon aus, dass es nicht zu einer militärischen Auseinandersetzung in der Ukraine kommen wird, sondern dass es bei einem politischen Säbelrasseln bleiben wird. Das beliebte Drohmittel Russlands, notfalls die Gaslieferungen einzustellen, dürften nur Drohgebärden sein.

Russland ist mehr denn je abhängig von seinen Rohstoffen und von Einnahmen in "harten“ Währungen, so dass ein Lieferstopp kein geeignetes Mittel für die russische Außenpolitik sein dürfte. Wirtschaftlich kann Russland sich das gerade jetzt überhaupt nicht leisten. Ab einem gewissen Punkt werden auch die Oligarchen versuchen, Putin unter Druck zu setzen – spätestens wenn Sie nicht mehr in ihre Häuser in London reisen dürfen oder keinen Zugriff mehr auf ihre "Schatzkammern“ in der Schweiz haben.

Politische Krisen haben an den Börsen oft nur kurzzeitige negative Auswirkungen – dies zeigt insbesondere der Blick auf ähnlich gelagerte Krisen in der Vergangenheit. Sowohl die Kuba-Krise, der Einmarsch Russlands in Afghanistan als auch die Invasion in Panama haben kurzzeitig Kursverluste an den Märkten provoziert. Spätestens vier Monate nach dem Ende der Krisen standen die Aktienmärkte aber bereits wieder deutlich höher als bei Ausbruch der Krise.“

Martin Wilhelm, GF IFK, Kiel:

"Die wirtschaftliche Lage schätzen wir als prekär ein, das mit einem CCC-Rating von den Ratingagenturen entsprechend unterstützt wird. Im Zweifel wäre eine Umschuldung mit einem Anleihe Haircut die beste Lösung für einen Neuanfang. Weitere Spannungen und damit verbundene Unsicherheit können nicht ausgeschlossen werden. Wie wir beim Wiederaufbau der fünf neuen Bundesländer gesehen haben, benötigt man für diese Themen viel Geld, Zeit und Geduld. Spannend ist für uns die Frage wie sich Russland als Mitglied im IWF bei möglichen Krediten an die Ukraine verhält."

Thomas Freiberger; Vermögensverwaltung, München:

"1. Wie beeinflußt die politische Situation in Osteuropa den Aktienmarkt?

Kapitalmärkte sind "informationseffizient“. Damit ist gemeint, dass der gegenwärtige Marktpreis eines Wertpapiers bereits alle öffentlich zugänglichen Informationen (einschließlich Hoffnungen, Spekulationen, Gerüchten, Befürchtungen und Erwartungen) beinhaltet. Die öffentlich bekannten Informationen sind zu jedem Zeitpunkt schon eingepreist. Alle zukünftigen unbekannten Informationen kennen wir nicht. Deshalb ist eine Prognose über zukünftig unbekannte Informationen, wie einer Zunahme der politischen Spannungen in Osteuropa, Spekulation.

2. Kann eine politische Spannung in Osteuropa einen Crash auslösen?

Kursprognosen sind Wahrsagerei. Denn Prognosen über Kapitalmarktentwicklungen sind zufällig richtig oder falsch. Als es im Jahr 2008 darum ging, die Finanzkrise und den Aktien-Crash vorauszusagen griffen Rating-Agenturen, Aufsichtsbehörden, Internationaler Währungsfonds (IWF), die Chefökonomen von Großbanken sowie Finanzmedien daneben. Die statistische Erfolgsbilanz von Expertenprognosen ist erschütternd schlecht.

3. Wie sollen sich Anleger verhalten?

Die Verliererstrategie ist, sich um die Dinge zu kümmern, die Sie nicht beeinflussen können. Mit Prognosen über die Finanzmärkte in Osteuropa erhöhen Sie nicht die erwartete Rendite Ihres Wertpapierportfolios. Denn Prognosen über Kapitalmarktentwicklungen sind zufällig richtig oder falsch."

Michael Fiedler, Fondsmanager Plutos Vermögensverwaltung, Taunusstein:

"Die Börsen sind angesichts der erreichten Kurshöhen und Bewertungsmultiplen anfällig für negative Meldungen wie wir sie derzeit aus der Ukraine erhalten. Daher wird die dortige Krise schnell als vordergründige Ursache für die derzeitigen Gewinnmitnahmen genannt. Auf mittlere Sicht gesehen ist die Entstehung eines Krisenherdes in Europa keine gute Nachricht. Wir sehen das Risiko, dass sich hier eine Entwicklung abzeichnet wie im früheren Jugoslawien, wo sich auch ethnische Gruppen bekämpften. Da Deutschland eine Exportnation ist - auch wenn sich die wirtschaftlichen Verbindungen zur Ukraine als auch Russland in Grenzen halten -, ist eine solche Entwicklung immer negativ zu betrachten."

Alexander Berger, Vermögensverwalter, Tübingen:


"Das Thema Ukraine ist aus Sicht der etablierten Börse ist ein kurzfristiger Faktor, aktuell starke Medienpräsenz, wir kennen dies bereits beim Thema Syrien, welches aus den Medien verdrängt wurde obwohl sich nichts verändert hat. Das auf und ab bei Meldungen aus Osteuropa sind also lediglich kurzfristige Erscheinungen aufgrund der Aktualität. Märkte in Osteuropa belastet es etwas länger, Gelder werden abgezogen, hier ergeben sich aber sehr gute Chancen zum Einstieg. Hier muss der Anleger aber noch einige Wochen die Situation beobachten."

Frank Haser, GF Haser Vermögensverwaltung, Mühlheim am Main:

" Wer mutig ist, der kauft - wenn die Kanonen donnern!!!"
" Persönlich gelüstet es mich allerdings aktuell eher nicht nach zusätzlichem Risiko."
" So sehr mich auch das persönliche Schicksal der dortigen Bevölkerung bewegt, so bin ich mir doch recht sicher, dass die Auswirkungen auf die globale Wirtschaftsentwicklung eher begrenzt sein werden!!! "

Bert-Ardo Spelter, ICFB Investment Consulting Financial Brokerage:

"Eine Chance für den russischen Zaren Putin, der die Richtung der weiteren Entwicklung in der Ukraine und der Krim bestimmen wird. Der Westen sollte seine begrenzten Optionen realistisch sehen und konstruktiv Einfluss auf Putin nehmen.

Bis zu den Ukrainischen Wahlen am 25. Mai ist auch für den russischen Präsidenten unsicher, wer die neuen Machthaber sein werden. Russland selbst ist angezählt, der Rubel im Sinkflug und die korruptionsbelastete rohstoffabhängige Wirtschaft sorgen für Investitionsunsicherheit. Kostspielige militärische Abenteuer mit Sanktionsfolgen kämen einem Waterloo für Russland gleich.

Präsident Putin ist jedoch zu klug, um sich ein ruhmloses Ende zu bereiten. Nutzt er jetzt seine regionale Machtvorherrschaft und kooperiert mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und dem Westen, wird er mittels demokratischer Schachzüge als Sieger aus der Ukraine-Krise hervorgehen.
Mit einer stabilen Ukraine wird auch Russland Vertrauen und Ansehen gewinnen und mit Mut zu Reformen wieder aufblühen. Nach einer erfolgreichen Winterolympiade könnte Putin seine Amtszeit mit einem wirtschaftlich erstarkten Russland krönen."

Michael Timm, GF TAM, Rellingen:

"Letztendlich setzen wir darauf (und hoffen es inständig), dass es in der Ukraine zu einer demokratischen, friedlichen Lösung kommt. Es ist schwer vorstellbar, dass Russland die Ukraine, inklusive des Zugangs zum Schwarzen Meer, reaktionslos Richtung Europa "ziehen“ lassen wird, so dass unter Umständen mit einer Abspaltung der Krim zugunsten einer friedlichen Einigung gerechnet werden muss. Insgesamt sind wir aber der Meinung, dass es zu einer friedlichen Lösung kommt und daher der negative Einfluss auf die Börse nur von kurzer Dauer sein wird."

Uwe Bergold, GR Asset Management:

"Osteuropa wird aktuell dominiert von der Krim-Krise. Eine mögliche Konfliktzuspitzung zwischen Russland und der Europäischen Union um die Zukunft der Ukraine könnte sich sehr negativ auf den osteuropäischen Wirtschaftsraum auswirken. Wie wichtig die Halbinsel geopolitisch ist, zeigt der Krimkrieg von 1853 bis 1856, der als Auslöser der eigentlichen ersten Weltwirtschaftskrise nach dem Börsencrash 1857 gesehen werden kann."

Frank-Rüdiger Griep, GF Vermögensanlage Altbayern:

"Grundsätzlich ist die Situation in Osteuropa sehr unübersichtlich. Ich gehe nicht von einem längeren und größeren Problem aus. Für die Kapitalmärkte ist es insofern ein willkommener Anlass eine Kurskorrektur einzuleiten. Dieses dürfte nur von sehr kurzfristiger Natur sein. Sollte es allerdings zu einem echten geopolitischen Problem werden und eskalieren, dann werden die Märkte abstürzen. Dieses Risiko halte ich aber für klein."

Dr. Georg Thilenius, GF Thilenius Managament, Stuttgart:

"Osteuropa ist geteilt. Dreh- und Angelpunkt ist der Fall von Byzanz. Wir erinnern uns: Im Juni 1453 haben 50.000 türkische Belagerer 5.000 byzantinische Verteidiger überwältigt und die Stadt eingenommen. Das war das Ende des byzantinischen orthodoxen Reiches. Davon hat sich die byzantinische Welt und Ihre Nachfolger nie mehr erholt. Die Türken, heute unsere engsten Freunde und Verbündeten, kamen zweihundert Jahre später noch bis kurz vor Wien. Dort wurden sie dann von Prinz Eugen zurückgeschlagen. Die lateinische Welt hat damit gehalten, die byzantinische ist untergegangen.

Die orthodoxen Nachfolger von Byzanz haben es dann als Staaten und auch wirtschaftlich kaum dauerhaft zu etwas gebracht: Zypern, Griechenland, Rumänien, Bulgarien, Ukraine, Weißrussland, Russland hängen in ihrer Wirtschaftsentwicklung Jahrhunderte zurück. Griechenland ist seit der Unabhängigkeit 1838 die Hälfte der Zeit, also etwa insgesamt fast einhundert Jahre in der Pleite gewesen.

Mit Ausnahme von Zypern und Griechenland, wo wenigstens Demokratie und Pressefreiheit und Justiz einigermaßen funktionieren, hängt auch die Entwicklung der Staaten, Zivilgesellschaften, Pressefreiheit, Unabhängigkeit der Justiz mindestens Jahrzehnte hinter Westeuropa, der lateinischen Welt zurück. Der Reichtum Russlands beruht auf Bodenschätzen, nicht auf Ingenieurleistungen oder Zivilgesellschaft.

Dauerhaft erfolgreiche Aktiengesellschaften gibt es nicht in der byzantinischen Welt. Magnit und X 5 in Russland sind erfolgreiche Händler, Metro Russland kommt demnächst dazu. Aber alles hängt am Wohlwollen des Kremls. Andere byzantinische Länder Fehlanzeige. Zwischendurch gibt es immer wieder Phasen von Zwischenblüte, wie Russland von 1996 bis 2004, Ukraine im Rohstoffboom und so weiter.

Ein Regierungswechsel in der Ukraine bedeutet gar nichts, da mit der Wiederkehr früher bereits diskreditierten Regierungspersonals zu rechnen ist. Erst wenn in der Ukraine ein Garibaldi oder General De Gaulle oder Ludwig Erhard auftaucht und sich durchsetzten kann, kann es besser werden. Die Betonung liegt auf Durchsetzen. Ansonsten lieber Finger weg.

Anleiheinvestoren steht in der Ukraine ein Schuldenschnitt wie in Griechenland bevor. Namhafte Aktiengesellschaften abseits von Rohstoffunternehmen existieren aus guten Gründen nicht. Wer einmal ukrainische Aktien gekauft hat, muss damit rechnen, nie mehr verkaufen zu können. Und die weitverbreitete Korruption endet nicht an den Werkstoren. Dadurch bleibt wenig Gewinn für ausländische Minderheitsaktionäre übrig. Nicht einmal spekulative kurzfristige Gelegenheiten sind zu sehen.

Ferrexpo und andere Rohstoffwerte, die Freunde der alten Regierung im Donezk, dürften wegen Korruptionsermittlungen der neuen gegen die alte Regierung unter Druck geraten. Wenn sie sich nicht auf Kosten ihrer Minderheitsaktionäre freikaufen und die neue Regierung auch wieder bestechen. Jetzt ist es doch etwas länger geworden, aber Sie können ja kürzen. Wir können daraus auch gerne einen größeren und etwa fundamentaleren Beitrag machen."

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