Krisenherde in Europa Schwäne im Schwarm
Noch treffender hätte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Ort für ihren sogenannten EU-Bürgerdialog im August kaum wählen können. Das heutige Physik-Museum „Imaginata“ in Jena diente lange Jahre als Umspannwerk und hatte damit die Aufgabe, regionale und überregionale Elektrizitätsströme mit unterschiedlichen Spannungen zu verbinden. Bei der Veranstaltungsreihe können Bürger ihre Meinung kundtun und der deutschen Regierungschefin persönlich Fragen zu Europas Zukunft stellen. Der promovierten Physikerin dürfte die Symbolik klar gewesen sein, die ihre vordringlichste Aufgabe in Europa veranschaulicht. Denn die Risse im europäischen Gefüge sind offensichtlich. Insbesondere der Aufstieg populistischer Parteien, die ihren Wählern mehr Nationalstaat und Wohlstand versprechen, spaltet die Staaten und erschwert eine gemeinsame Politik.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
In den zurückliegenden Monaten fiel vor allem Italien negativ auf: Die nach einigem Hin und Her regierende Links-Rechts-Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega Nord hatte schon in den Koalitionsverhandlungen einen Plan geschmiedet, den Schuldenberg des Landes abzutragen. Da sie als Mitglied der Eurozone weder ihre Währung abwerten, noch eine besonders kräftige Inflation erzeugen kann, verlangte sie von ihren Gläubigern, italienische Staatsschulden in Höhe von 250 Milliarden Euro zu erlassen. Aus ihrer Sicht ein naheliegender Ansatz, schließlich nimmt das südeuropäische Land den zweiten Platz in der Schulden-Rangliste des Kontinents ein. Die Last der Verbindlichkeiten beträgt 130 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, in absoluten Zahlen nicht weniger als 2,3 Billionen Euro. Zur Erinnerung: Das Maastricht-Kriterium zur Mitgliedschaft in der Währungsunion begrenzt diesen Wert eigentlich auf 60 Prozent.
Die Investoren waren wenig begeistert und schalteten Ende Mai umgehend in den Panikmodus: Die Renditen selbst für kurzlaufende Staatsanleihen schossen in die Höhe, zweijährige Papiere boten zeitweise 0,7 Prozent Zinsen. Wenige Wochen vorher mussten Anleger noch Geld abdrücken, wenn sie dem italienischen Staat für diese Zeitspanne etwas leihen wollten. Bei Aktien zeigten Investoren den gleichen Fluchtreflex: An der Mailänder Börse ging der Leitindex FTSE MIB, der in der ersten Mai-Woche ein neues Hoch erklommen hatte, umgehend wieder in den Sinkflug, der, Stand 21. August, bei minus 17 Prozent immer noch andauert.