Interview mit Kristina Bambach „Man braucht vor allem eine eigene Meinung und eine eigene Perspektive“
DAS INVESTMENT: Frau Bambach, Sie sind Portfoliomanagerin. War das von Anfang an Ihr Berufsziel oder sind Sie durch Zufall in der Finanzbranche gelandet?
Kristina Bambach: Ich bin mit einer Ausbildung zur Bankkauffrau gestartet – aber ich habe schnell gemerkt, dass mich weniger das Kreditgeschäft als vielmehr die Wertpapierseite interessierte. Die Faszination für den Kapitalmarkt war aber schon früh da – mit 13 bis 15 Jahren kaufte ich zusammen mit meinem Vater meine erste Aktie. Damals war der Dax natürlich noch das Maß aller Dinge.
Ihre erste Aktie – erinnern Sie sich noch, welche das war?
Bambach: Das war BASF. Damals war das natürlich eher ein Ausprobieren. Mittlerweile ist mein Portfolio deutlich strukturierter und folgt einer klaren Strategie.
Aber man muss ja irgendwo anfangen, um ein Gefühl für den Aktienmarkt zu bekommen – was halte ich aus, was sind meine Präferenzen?
Diese frühen Erfahrungen waren sehr wertvoll.
Wie ging es nach der Bankausbildung weiter?
Bambach: Ich habe mein Bachelor- und Masterstudium in Wirtschaftsmathematik absolviert. Die Leidenschaft für Kapitalmärkte wurde immer stärker, besonders für Aktien und wirtschaftliche Zusammenhänge. Gerade in den Vorlesungen mit Kapitalmarktthemen wurde mein Interesse an der Tätigkeit als Portfoliomanagerin geweckt. Während meiner Promotion, aber vor allem durch die Weiterbildung zum CFA konnte ich dann noch einmal meine Kenntnisse in diesem Bereich schärfen und wurde darin bestärkt, diesen Weg einzuschlagen.
Karrierechancen aus der Finanzwelt!
Wie sind Sie dann bei Ihrem jetzigen Arbeitgeber gelandet?
Bambach: Für mich war nach einiger Zeit klar, dass ich nicht in einem Großunternehmen arbeiten möchte, sondern lieber in einem kleineren. Und auch nicht in einer Bank, sondern bei einem Vermögensverwalter. Diese Erkenntnis kam durch verschiedene Praktika, wo man ja auch viel über sich selbst lernt.
Sie wurden kürzlich bei den Fondsfrauen Awards als „Rising Talent“ ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen diese Anerkennung?
Bambach: Es ist eine große Ehre und hat mich in meinem Weg bestärkt.
Auch ich habe manchmal Zweifel: Bin ich hier richtig? Macht mich das wirklich glücklich? Gibt es vielleicht etwas anderes?
Die Auszeichnung war eine wunderbare externe Bestätigung. Ich engagiere mich schon länger in dem Netzwerk, auch als Mentorin für Berufseinsteiger:innen, um meine Erfahrungen weiterzugeben. Es ist wichtig, dass wir mehr Vorbilder in der Branche haben.
Apropos Mentoring – was raten Sie jungen Menschen, die in die Vermögensverwaltung möchten?
Bambach: Man braucht vor allem eine eigene Meinung und eine eigene Perspektive.
Dieses Dogmatische – „weil andere die Aktie kaufen, kaufe ich sie auch“ – das funktioniert nicht.
Man muss weg vom Dogmatischen, hin zu eigenen Überzeugungen. Diese gilt es dann aber auch ständig zu hinterfragen. Das ist ein Balanceakt, den man erst lernen muss. Gerade als junger Mensch hat man natürlich großen Respekt vor der Berufserfahrung der älteren Kollegen. Aber man hat als junger Mensch oft auch eine ganz andere, wertvolle Perspektive. Diese Balance zu finden – also sich selbst treu zu bleiben und trotzdem offen für andere Sichtweisen zu sein – das war für mich persönlich ein wichtiger Prozess.
Wie gehen Sie konkret bei der Auswahl von Aktien und Anleihen vor?
Bambach: Ich folge der Schumpeter-Strategie, benannt nach Joseph Schumpeter, der für seine Theorie der „kreativen Zerstörung“ oder Disruption bekannt ist. In meinem Portfolio habe ich entweder Monopolisten beziehungsweise Oligopolisten – also etablierte Unternehmen mit stabilen Marktpositionen – oder Herausforderer, sprich Disruptoren. Das sind meist kleinere Unternehmen mit geringerer Marktkapitalisierung, die durch Innovation komplett neue Märkte schaffen. Diese Aktien schwanken stärker, sowohl nach oben als auch nach unten, sind aber langfristig die Wachstumstreiber.
Wie viel Vermögen verwalten Sie derzeit?
Bambach: Bei den diskretionären Mandaten, also den individuell zugeschnittenen Verwaltungen für Kunden, sind es fast 100 Millionen Euro. Bei den Publikumsfonds bin ich in zweierlei Hinsicht beteiligt: Ich verantworte die komplette Nachhaltigkeitsseite mit speziellen Ausschlusskriterien und Mindeststandards für rund 1,9 Milliarden Euro. Außerdem arbeiten wir nach dem „Best Ideas“-Prinzip – wenn ich eine vielversprechende Anlage finde, bringe ich diese auch in die Fonds meiner Kollegen ein.
Das sind beeindruckende Summen. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um, gerade wenn es mal nicht so gut läuft?
Bambach: 2022 war für mich eine echte Bewährungsprobe, als sowohl Aktien- als auch Anleihemärkte aufgrund der Zinserhöhungen stark korrigierten. Da ging es mir im ersten Moment nicht gut. Aber ich habe gelernt, wie wichtig es ist, seine Unternehmen wirklich zu kennen.
Man kauft ja nicht, weil etwas gerade toll läuft, sondern weil man vom Geschäftsmodell und vom nachhaltigen Wachstum überzeugt ist.
Bei allem, wo ich mir noch nicht so sicher war, musste ich noch mal genauer hinschauen. Der Austausch mit Kollegen und die eigene Überzeugung, dass die ausgewählten Unternehmen gut sind, haben mir sehr geholfen. Man lernt mit jeder Krise etwas Neues dazu.
Was ist für Sie das Beste an Ihrem Job?
Bambach: Was mich wirklich glücklich macht, ist die Möglichkeit, mich tief mit spannenden Geschäftsmodellen zu beschäftigen und dabei ständig dazuzulernen. Wir haben bei uns auch die Freiheit, dieses Wissen dann tatsächlich umzusetzen. Der breite Wissensaufbau, die Tiefe, die man in einzelne Themen gehen kann, und dann die Übersetzung in konkrete Anlageentscheidungen – das ist sehr erfüllend. Am Ende kann ich mit diesem Wissen meinen Kunden etwas Gutes tun.
Gibt es auch Schattenseiten?
Bambach: Die Verantwortung, die auf den Schultern lastet, muss man erst lernen zu tragen. Ich nehme es sehr ernst, wenn mal etwas nicht so läuft. Man ist den Kunden gegenüber in der Pflicht, alles gewissenhaft durchzuführen. Und dann natürlich die zunehmende Regulierung – das betrifft zwar die gesamte Finanzbranche, aber vieles könnte deutlich effizienter und effektiver sein.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Bambach: Der Morgen beginnt meist schon zu Hause mit dem Lesen der Nachrichten. Was ist in Amerika am Abend noch passiert? Die asiatischen Börsen sind ja schon geöffnet, wenn ich aufstehe. Der Hauptteil des Tages besteht dann aus der Verwaltung der Portfolios – Gewichtungen ändern sich täglich, es gibt Unternehmensnachrichten zu verarbeiten.
Ich beschäftige mich sowohl mit den Aktien, die wir bereits halten, als auch mit potenziellen neuen Investments. 95 Prozent meiner Zeit verbringe ich am PC, davon 90 Prozent mit Lesen – sei es in Bloomberg, in Geschäftsberichten oder Unternehmensanalysen. Es gibt wenig feste Termine, was mir erlaubt, meinen Arbeitstag relativ frei zu strukturieren.
Als junge Frau sind Sie in einer männerdominierten Branche tätig. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Bambach: Ich bin glücklich, überwiegend positive Erfahrungen gemacht zu haben. Es kann sogar ein Vorteil sein, als Frau im Asset Management zu arbeiten – weil es leider noch so wenige gibt, sticht man positiv heraus.
Manchmal hilft mir mein Doktortitel, wenn ich als junge Frau einen Raum betrete und erst einmal klargestellt werden muss, dass ich die Portfoliomanagerin bin. Es gibt durchaus noch Vorurteile in der Branche.
Aber ich werde in meinem Unternehmen sehr gefördert und genauso wie meine männlichen Kollegen behandelt. Auch in Kundenterminen habe ich bislang wenig negative Erfahrungen gemacht. Ich weiß aber auch, dass es anderen Frauen anders geht.
Was könnte man tun, damit sich mehr Frauen für die Branche interessieren?
Bambach: Finanzbildung muss früh anfangen, schon in der Schule. Oft setzt sich der Papa eher mit dem Sohn als mit der Tochter hin, wenn es ums Investieren geht. Das sind die vorherrschenden Muster, die wir aufbrechen müssen. Es ist wie mit den Mint-Fächern in der Schule oder an der Uni – da gehen immer noch vermehrt Männer hin. Dabei zeigt die Forschung: Es gibt keine Belege dafür, dass Frauen besser oder schlechter beim Investieren sind als Männer. Wir brauchen mehr Vorbilder und müssen Vorurteile abbauen – am besten schon im Teenageralter oder noch früher.
Sie engagieren sich auch selbst für mehr Finanzbildung. Wie sieht das konkret aus?
Bambach: Ich halte zum Beispiel Vorträge an Universitäten über finanzielle Unabhängigkeit.
Interessanterweise ist selbst bei Akademikern in Ausbildung das Finanzwissen oft nicht sehr ausgeprägt.
Da kommen ganz grundsätzliche Fragen wie: Was ist der Unterschied zwischen einem ETF und einer Aktie? Oder: Soll ich in Bitcoin investieren? Das sind Themen, die die jungen Menschen beschäftigen. Ich versuche, etwas Struktur reinzubringen und vor allem das Thema nahbar zu machen.
Sie sind auch in verschiedenen Frauennetzwerken aktiv?
Bambach: Ja, und das kann ich nur empfehlen. Es gibt mittlerweile sehr viele Netzwerke, und man kann auch beitreten, wenn man noch nicht in der Branche ist. Also, auch wenn man gerade noch Informatik studiert oder eine Ausbildung zur Bankkauffrau macht. Man muss nicht „fertig gebacken“ sein, um reinzuschnuppern. Diese Netzwerke sind extrem wertvoll, um Ansprechpartner zu finden und sich auszutauschen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Branche?
Bambach: Ich würde mich freuen, wenn wir noch mehr an der strukturellen Veränderung arbeiten. Diversität bedeutet ja nicht nur Geschlechtervielfalt – wir fangen gerade erst an, in diese Richtung zu denken. Es gibt so viel mehr Aspekte von Diversität, und es wäre schön, wenn das in Zukunft noch stärker gelebt wird. Das macht uns als Branche nicht nur vielfältiger, sondern auch erfolgreicher.