Kristina Hooper zur Geldpolitik in den USA und Europa „Marschrichtung der Notenbanken gibt Rätsel auf“
Welche Geldpolitik die US-Notenbank Federal Reserve in den kommenden Monaten verfolgt, ist weitgehend unklar. Das jüngst veröffentlichte Protokoll des Offenmarktausschusses (engl.: Federal Open Market Commitee, FOMC) signalisiert keine klare Richtung. Fed-Vize Richard Clarida ist überzeugt, dass sich die US-Wirtschaft „in einer guten Verfassung befindet, die jüngsten Daten aber darauf hindeuten, dass sich die Wachstumsdynamik gegenüber dem robusten Tempo im Jahr 2018 etwas abgeschwächt hat.“ Zudem hätten sich „die Wachstumsaussichten im Ausland verschlechtert“.
Charles Evans, Präsident der Chicago Fed, geht angesichts des soliden Wirtschaftsausblicks immer noch davon aus, dass die Fed die Zinsen anheben wird. Der derzeitige Leitzinssatz von 2,25 bis 2,5 Prozent sei hinsichtlich der Auswirkungen auf die Wirtschaft „neutral“. Die Spanne ermögliche der Notenbank, flexibel zu agieren. Evans zufolge könnten die Zinsen bis zum Herbst des Jahres 2020 jedoch auf dem derzeitigen Niveau verharren. Neben einer Anhebung der Zinsen hält Evans auch eine Senkung für möglich – und zwar wenn die Inflation in den nächsten Monaten deutlich unter dem Zielwert der US-Notenbank bleibt.
Chinas Regierung sorgt sich um Wirtschaft
Auch in China und Europa ist unklar, wie die Geldpolitik künftig gestaltet wird. Chinas Regierung zeigt sich trotz der zuletzt erfreulichen Wirtschaftsdaten besorgt über das Wachstum. Präsident Xi Jinping zweifelt an der Nachhaltigkeit des Aufschwungs und erklärt: „Die Spannungen im außenwirtschaftlichen Umfeld werden stärker und die Binnenwirtschaft steht unter Abwärtsdruck.“ In einer Meldung der offiziellen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua wird das Politbüro wie folgt zitiert: „Bei allen positiven Ergebnissen, die wir bestätigen können, sollten wir nicht aus dem Auge verlieren, dass es noch viele Schwierigkeiten und Probleme in der Wirtschaft gibt.“ Wie Xinhua berichtete, wird China seine proaktive Fiskalpolitik „noch stärker und effektiver“ fortführen, während die Geldpolitik „weder zu restriktiv noch zu locker sein wird.“
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hält an ihrer abwartenden Haltung fest und erhöht die Leitzinsen vorerst nicht. Im April zeigte sich Mario Draghi zwar optimistisch, dass die Wirtschaft der Eurozone in der zweiten Jahreshälfte wieder mehr Fahrt aufnehmen könnte. Der EZB-Präsident wies jedoch auch darauf hin, dass ein harter Brexit oder eine globaler Handelskrieg den Aufwärtstrend gefährden könnte. Somit ist offen, wie die nächsten Schritte der EZB aussehen.
Ich selbst bin optimistisch, dass Chinas Wirtschaft dank fiskalpolitischer Impulse weiter wachsen wird. Das wiederum sollte sich – mit zeitlicher Verzögerung – auch positiv auf das Wachstum in der Eurozone auswirken. Wie Draghi erst vor kurzem erläuterte, „hängt der Ausblick der Eurozone grundlegend von der globalen Wachstumsdynamik ab“ – die wiederum sehr stark an China hängt. In den USA wird das Wachstum im weiteren Verlauf dieses Jahres meines Erachtens etwas an Fahrt verlieren, aber weiter relativ solide bleiben.