Kritik an der EZB-Geldpolitik
„Target 2 ist ein nicht kontrolliertes Umverteilungssystem“
Aktualisiert am 04.09.2018 - 16:13 Uhr
Thorsten Polleit: Der Chefvolkswirt von Degussa Goldhandel warnt davor, dass die Target-2-Salden weiter anschwellen dürften. Foto: Degussa Goldhandel
„Der gewaltige Target-2-Saldo der Deutschen Bundesbank von wohl bald 1 Billion Euro ist alarmierend“, kommentiert Ökonom Thorsten Polleit. „Wird der deutsche Target-2-Saldo uneinbringlich – und das ist recht wahrscheinlich – muss der deutsche Steuerzahler zudem auch noch für den Ausfall aufkommen.“
Target-2-Saldo wäre bei Italexit verloren
In dem Fall, in dem der Euroraum auseinanderbricht, in dem Italien austritt, ist der Target-2-Saldo wohl verloren. Denn würde Italien eine neue Währung einführen und würde diese gegenüber dem Euro abwerten, stiege der Wert der italienischen Euro-Verbindlichkeiten in heimischer Währung. Die politische Bereitschaft Italiens, seine Target-2-Verbindlichkeit gegenüber Deutschland nach einem Euro-Austritt abzustottern, ist vermutlich sehr gering.
Um es deutlich zu sagen: Die Target-2-Forderung der Bundesbank ist eine risikoreiche Kreditgewährung, sie ist unverzinst und unbesichert. Kein Privater, keine private Bank würde so etwas Absurdes im Geschäftsleben...
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Target-2-Saldo wäre bei Italexit verloren
In dem Fall, in dem der Euroraum auseinanderbricht, in dem Italien austritt, ist der Target-2-Saldo wohl verloren. Denn würde Italien eine neue Währung einführen und würde diese gegenüber dem Euro abwerten, stiege der Wert der italienischen Euro-Verbindlichkeiten in heimischer Währung. Die politische Bereitschaft Italiens, seine Target-2-Verbindlichkeit gegenüber Deutschland nach einem Euro-Austritt abzustottern, ist vermutlich sehr gering.
Um es deutlich zu sagen: Die Target-2-Forderung der Bundesbank ist eine risikoreiche Kreditgewährung, sie ist unverzinst und unbesichert. Kein Privater, keine private Bank würde so etwas Absurdes im Geschäftsleben machen! Die Target-2-Salden sind Ausdruck einer weitreichenden Einkommens- und Vermögensumverteilung im Euroraum – sie sind alles andere als „neutral“ und „unproblematisch“. Wird die Target-2-Forderung der Bundesbank uneinbringlich, muss der deutsche Steuerzahler auch noch für den Ausfall aufkommen.
Wertpapierkäufe der Euro-Zentralbanken
Als letzte Aufgabe verbleibt, den Hinweis der EZB zu durchdenken, die Target-2-Salden hätten etwas mit Wertpapierkäufen der Euro-Zentralbanken zu tun, denn viele der Geschäftsbanken, die Wertpapiere an die Euro-Zentralbanken verkaufen, operierten außerhalb des Euroraums. Würde das die kritische Bewertung der Target-2-Salden verändern? Betrachten wir dazu den Fall, in dem eine in London ansässige Bank Wertpapiere in Höhe von 100 Euro an die Euroraum-Zentralbanken verkauft, wobei die Bundesbank den Kauf im Namen der Bank von Spanien ausführt.
Beispiel: Target-2-Salden aufgrund von Wertpapierkäufen
Die gekauften Wertpapiere in Höhe von 100 erscheinen zunächst auf der Aktivseite der Bundesbank, und auf der Passivseite der Bundesbankbilanz wird der in London ansässigen Bank ein Euro-Guthaben in gleicher Höhe eingeräumt. Nun übernimmt die Bank von Spanien das Wertpapier. In der Bundesbankbilanz kommt es zu einem Aktivtausch: Die Wertpapiere nehmen um 100 Euro ab, und dafür erhält sie ein Guthaben auf ihrem Konto bei der Bank von Spanien.
In der Bilanz der Bank von Spanien erscheint das Wertpapier auf der Aktivseite und gleichzeitig räumt die Bank von Spanien der Bundesbank ein Euro-Guthaben auf der Passivseite ein. Das Guthaben der Bundesbank bei der Bank von Spanien führt zu einem positiven Target-2-Saldo. Entsprechend führt die Verbindlichkeit, die die Bank von Spanien gegenüber der Bundesbank hat, zu einem negativen Target-2-Saldo. Natürlich ist auch diese Target-2-Forderung für die Bundesbank beziehungsweise den deutschen Steuerzahler ein Problem – und zwar aus den bereits genannten Gründen.
Nicht kontrolliertes Umverteilungssystem
Die Problematik der Target-2-Salden lässt sich nicht relativieren durch den Hinweis, die Target-2-Salden stünden im Zusammenhang mit den Wertpapierkäufen der Euro-Zentralbanken. Mit dem Target-2 ist ein nicht parlamentarisch bewilligtes und kontrolliertes Umverteilungssystem etabliert worden.
Angesichts des Ausmaßes der Umverteilungswirkungen ist es dringlich, dass die Öffentlichkeit informiert wird, damit eine bewusste parlamentarische Debatte stattfinden kann über die geldpolitische Umverteilung durch Target-2 – und der Politik des „einer-raubt-den-anderen-aus“ hoffentlich ein Ende gesetzt wird.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Internetseite des Ludwig von Mises Instituts Deutschland.
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