Kryptowährung „Libra ist ein Meilenstein der Geschichte“

Libra kommt, so viel ist sicher. Vielleicht nicht so schnell, wie angekündigt – die Regulierungsbehörden werden wohl noch einige Steine in den Weg legen – dafür dann weit dynamischer, als es sich aktuell die meisten vorstellen können. Man muss weit zurückblicken in der Geschichte der Währungen, um vergleichbare Meilensteine zu finden. Vielleicht kann man die geplante Einführung der Digitalwährung gar mit dem Ende der Goldwährungsbindung des US-Dollar 1971 oder der Einführung des Euro 1999 beziehungsweise 2002 auf eine Stufe stellen. Aber was ist eigentlich so besonders daran?
Da wäre zunächst die schiere Größe der Akteure und damit das Potenzial an Nutzern. Facebook allein kommt auf etwa 2,7 Milliarden User weltweit. Schließt man die Nutzerzahlen der weiteren Start-Akteure der Libra Association wie Uber, Vodafone oder Spotify mit ein, kann wohl beinahe die Hälfte der Weltbevölkerung erreicht werden. Aber auch die Business-Logiken der Akteure, die allesamt auf eine schnelle Expansion ihrer Eco-Systeme getrimmt sind, lässt das Ausbreitungspotenzial erahnen. Folglich wird es nicht bei einer theoretischen Nutzerzahl bleiben, die Nutzerzahlen im Milliardenbereich werden vielmehr schnell erreicht werden.
Über Nacht einer der größten Asset Manager der Welt

Der zunächst im Fokus stehende Zahlungsverkehr führt zwingend zu Libra-Beständen in den Wallets der Nutzer, wodurch die Bestände akkumuliert eine enorme Größenordnung erreichen werden. Die Konstruktion des Libra als Stablecoin mit einer 100-prozentigen Deckung durch einen Hartwährungskorb, bestehend aus kurzfristigen Zinspapieren, macht die Libra Association fast über Nacht zu einem der größten Asset Manager der Welt.
Früher oder später werden wir in den Hartwährungsländern auch wieder normale Zinsstrukturkurven bekommen, sodass es für die Organisation naheliegend ist, den Bodensatz nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig anzulegen, gegebenenfalls auch in illiquideren Assets. Das Set-up des Libra sieht vor, dass die Digitalwährung für den Halter nicht verzinst wird. Zinserträge aus dem Management des Stablecoin sollen vor allem für die Weiterentwicklung und Ausbreitung investiert werden. Darin steckt gewissermaßen ein doppelter Ausbreitungseffekt.
Tausende Unternehmen stehen in den Startlöchern
Aber damit nicht genug: Libra ist von vornherein so ausgelegt, dass Dritte ihre eigenen Eco-Systeme mit der Libra-Welt verbinden können und sollen. Folglich stehen bereits jetzt tausende Unternehmen weltweit in den Startlöchern und überlegen, wie sie sich einklinken können. Dabei wird, neben der Verknüpfung eigener Produkte und Dienstleistungen mit dem Payment-System, ziemlich rasch die Geldanlage in den Vordergrund rücken.
So könnten Unternehmen beispielsweise die Möglichkeit schaffen, unverzinste Libra-Bestände in den Wallets der Nutzer in verzinste Token zu konvertieren. Daher werden ziemlich zügig Anwendungen auf uns zukommen, die es in Echtzeit und automatisiert ermöglichen, je nach Kontobewegung sein neues digitales Libra-Geld in verzinste digitale Produkte anzulegen.
Meilensteine in der Geld- und Kapitalmarktgeschichte
Und an dieser Stelle trifft die neue Digitalwährung auf einen weiteren, sehr ausgeprägten Trend: die Tokenisierung. Weltweit arbeiten Unternehmen daran, sowohl Eigenkapitalanteile als auch Fremdkapital über die Tokenisierung digital und kleinteilig investierbar zu machen. Aber auch Real Assets wie Immobilien, Infrastrukturanlagen oder Grund und Boden werden von der Tokenisierungswelle erfasst. So wird jeder bald in der Lage sein, auch mit wenig (Libra-) Geld in ein breites Portfolio an diversen Token zu investieren.
Verbindet man beide Welten, die Ausbreitung von Libra und die Tokenisierungswelle, dann wird schnell deutlich, dass die aktuelle Entwicklung tatsächlich einen der wesentlichsten Meilensteine in der Geld- und Kapitalmarktgeschichte markieren wird.
Über den Autor:
Karsten Müller ist Geschäftsführer bei Chainberry Asset Management.