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Bitcoin & Co: Die größten Mythen und was wirklich dran ist

Gerade bei Kryptowährungen gibt es wahnsinnig viele Missverständnisse und Vorurteile. Das Kryptoanalysehaus Chainanalysis hat sich in einem Report im Sommer 2023 insgesamt 33 Mythen zur gesamten Kryptobranche genauer angeschaut und auf deren Wahrheitsgehalt hin untersucht. Wir machen für die sechs bekanntesten Mythen den Reality Check.
Mythos 1: Das Bitcoin-Netzwerk frisst zu viel Strom, oder?
Ja und nein. Oft wird der Bitcoin für den hohen Energieverbrauch des Bitcoin-Minings kritisiert. Es gibt immer mal wieder Schlagzeilen, dass der Energiebedarf des Bitcoin-Minings so hoch ist wie der jährliche Strombedarf eines Lands wie Dänemarks oder das Bitcoin-Mining so viel Wasser benötigt wie 660.000 Sportschwimmbäder. Zu diesem Ergebnis kam beispielsweise eine Studie der United Nations University die den Ressourcenverbrauch von Mining-Standorten in 76 Ländern von Anfang 2020 bis Ende 2021 untersucht hat.
Klar ist, dass das Bitcoin-Mining energieintensiv ist. Das Mining dient dazu, Transaktionen auf der Blockchain freizugeben und zu sichern. Diese werden in Blöcken mit komplizierten Mathematikformeln verschlüsselt. Miner versuchen diese zu lösen. Nur der schnellste erhält dafür eine Belohnung. So kommt der hohe Energieverbrauch beim sogenannten Proof-of-Work-Konzept zustande.
Aber „der Bitcoin ist eine Technologie und wie kann man beispielsweise den Strombedarf eines Landes mit dem einer Technologie vergleichen?“ Diese Frage hat Kryptoexperte Professor Philipp Sandner einmal im Finanzfluss-Podcast gestellt. Wer misst schon den Kohlendioxidausstoß für die tägliche Nutzung von PCs oder Smartphones durch Streaming oder Arbeiten am PC?
Wie hoch ist der Stromverbrauch des weltweiten Bankensystems?
Auch macht sich kaum jemand Gedanken um den tatsächlichen Stromverbrauch der aktuell verwendeten weltweiten Geld- und Zahlungssysteme von Banken und anderen Dienstleistern. Dazu gibt es auch schlichtweg keine Daten. Das Kryptoinvestmenthaus Deutsche Digital Assets (DDA) schätzt in seinem aktuellen Bericht, dass „der absolute Energieverbrauch von Bitcoin tatsächlich niedriger ist als der traditioneller Geld- und Zahlungssysteme, die er ersetzen soll“.
Insgesamt lag der Energiebedarf des weltweiten Bitcoin-Netzwerks laut Angaben des Cambridge Center for Alternative Finance Ende 2022 bei rund 90 Terawattstunden. Das entspricht rund 0,4 Prozent des weltweit produzierten Stroms. Klimaanlagen alleine in den USA verbrauchten rund 2.199 Terawattstunden, heißt es in einem Artikel der Wirtschaftswoche.
Auch der Abbau von Gold verbrauche laut den DDA-Expert:innen mehr Energie als das Schürfen von Bitcoin. Außerdem setzen viele Bitcoin-Miner den Expert:innen zufolge auf einen nachhaltigen Energiemix. Sie verwenden unter anderem Abwärme wieder und nutzen abgelassenes Gas beim Mining sowie Überkapazitäten beim Strom.
Mythos 2: Kryptowährungen werden nur von Kriminellen benutzt, oder?
Das ist definitiv falsch.
In den Anfängen der Kryptowährung Bitcoin war noch ein viel höherer Anteil des Transaktionsvolumens mit Kriminalität verbunden, sagen die Expert:innen von Chainanalysis in ihrem Report. Ein Beispiel dafür ist „Silk Road“, der erste moderne Darknet-Markt. Dieser hat auf seinem Höhepunkt laut Chainanalysis fast 20 Prozent der täglichen Bitcoin-Wirtschaftsaktivität ausgemacht, bevor er im Jahr 2013 von den Strafverfolgungsbehörden geschlossen wurde.
In den vergangenen zehn Jahren haben der verstärkte Druck der Strafverfolgungsbehörden und die weltweit zunehmende Regulierung von Kryptowährungen die Krypto-Kriminalität aus Sicht der Expert:innen deutlich reduziert.
Das Analysehaus Chainanalysis schätzt, dass illegale Transaktionen weniger als 1 Prozent des gesamten Krypto-Transaktionsvolumens im Jahr 2022 ausmachen.
Dazu passen auch die Zahlen in der folgenden Grafik:
Abgesehen von dem Jahr 2019 mit einem höheren Anteil an Betrugsaktivitäten, stammen laut Angaben von Chainanalysis deutlich weniger als 1 Prozent der Kryptobeträge, die seit dem Jahr 2018 an Mainstream-Börsen gehandelt werden, von illegalen Adressen.
Natürlich nutzen auch Terrororganisationen wie die Hamas Kryptowallets für ihre Transaktionen. „Aber Bitcoin aufgrund der Nachvollziehbarkeit der Transaktionen und der Sichtbarkeit von Wallets mit ihren Holdings längst nicht so gut für Geldwäsche und kriminelle Zahlungen geeignet, wie gemeinhin angenommen“, erklärt Kryptoexperte Giesen. Diese Transparenz gilt auch für die übrigen Kryptowährungen.
Mythos 3: Sind nicht alle Kryptowährungen digitale Währungen wie der Bitcoin?
Nein, nur der Bitcoin ist eine digitale Währung. Alle anderen Kryptowährungen sind Software-Start-ups. Jedes dieser Start-ups hat seine eigene Währung, wie das Ethereum-Projekt beispielsweise die Währung Ether. Diese Währung müssen Nutzer besitzen, um für bestimmte Transaktionen auf der jeweiligen Blockchain zu zahlen, also beispielsweise um NFTs zu kaufen, die auf der Ethereum-Blockchain gespeichert sind.
Kryptoexperten sprechen deshalb auch lieber von Krypto Assets anstatt von Kryptowährungen, weil der Begriff einfach besser passt und nicht zu dem Missverständnis führt, dass es tatsächlich Währungen sind.
Der Bitcoin war die erste offizielle Kryptowährung und ist weiterhin mit großem Abstand die größte nach Marktkapitalisierung vor Ethereum. Gemeinsam machen beide knapp 69 Prozent des gesamten Gesamtmarktes für Krypto Assets aus. Die restlichen 31 Prozent teilen sich laut Angaben von Coinmarketcap mehr als 2.000 Kryptowährungen auf Hunderten von Blockchains, die an knapp 684 Börsen gehandelt werden. Die Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen lag laut Daten von Coinmarketcap am 12. Dezember nachmittags bei knapp 1,55 Billionen US-Dollar.
Mythos 4: Kryptowährungen haben doch keine realen Anwendungsfälle, oder?
Das stimmte vielleicht vor ein paar Jahren, ist mittlerweile aber definitiv falsch. Kryptowährungen kommen insbesondere in Schwellenländern zum Einsatz:
- Einer dieser Anwendungsfälle sind Geldüberweisungen. In einem Bericht im vergangenen Jahr hat Chainanalysis festgestellt, dass internationale Zahlungen für Privatpersonen und Kleinunternehmer:innen zunehmend in Kryptowährungen abgewickelt werden, da sie schneller und von den Kosten her günstiger sind.
- Im Jahr nach dem Ausbruch des russisch-ukrainischen Krieges spendeten Personen Kryptowährungen im Wert von knapp 56 Millionen US-Dollar für die Ukraine. Im Februar 2023 kamen Kryptospenden für die Opfer des Erdbebens in der Türkei und Syrien in Höhe von 6 Millionen US-Dollar zustande.
- Außerdem nutzen Entwicklungsländer Kryptowährungen in Zeiten finanzieller Instabilität als alternativen Wertaufbewahrung. Chainanalysis schätzt, dass Personen in Venezuela im Jahr 2022 Kryptowährungen im Wert von knapp 37,4 Milliarden US-Dollar erhalten haben.
„Viele dieser Anwendungsfälle sind aus der Perspektive eines mit Banken überversorgten Landes mit einem der stabilsten Finanzsysteme nicht immer nachvollziehbar“, sagt Kryptoexperte Hartmut Giesen von der Sutor Bank AG.
Im Einzelhandel in den USA wächst den Chainanalysis-Expert:innen zufolge die Akzeptanz für Kryptowährungen. Laut einer Umfrage unter Händler:innen mit einem jährlichen Online-Umsatz von mindestens 250 Millionen US-Dollar, akzeptieren 46 Prozent der Händler Kryptowährungen als Zahlungsmittel.
Als aktuelles Beispiel nennen die Chainanalysis-Expert:innen in ihrem Bericht die Sustainable Shrimp Partnership (SSP) Food Trust von IBM, eine Blockchain-Lösung für die Lieferkette. Sie sorgt laut den Expert:innen für eine nachhaltige Produktion von Shrimps. SSP kann auf diese Weise Informationen über die Herkunft der Produkte mit Einzelhändler:innen und Kund:innen teilen.
Noch gibt es jenseits von Bitcoin und Ethereum keine breiten Blockchain-Anwendungen, erklärt Krypto-Experte Giesen. Es habe auch bei anderen Technologieinnovationen wie der Elektrizität und selbst bei der Digitalisierung von Informationen zum Teil Generationen gedauert, bis sie adaptiert wurden und sie ihr volles Potenzial entwickeln konnten.
„Wenn man bedenkt, dass eine Blockchain eine permanente, sichere und rückverfolgbare Datenbank ist, gibt es zahlreiche Geschäftsanwendungen“, erklärt Giesen weiter. Die Schwierigkeit an der Sache ist aber, dass die meisten Anwendungsbereiche laut Giesen in gesetzlich regulierten Bereichen liegen und dafür sorgt, dass es länger dauert, Kryptowährungen dort einzusetzen.
Mythos 5: Kryptowährungen ermöglichen Steuerhinterziehung.
Nein. Das ist ein Irrtum. Blockchains wie das Bitcoin-Netzwerk oder Ethereum sind per se transparent. Alle Transaktionen sind dort für immer in einer Transaktionskette gespeichert und dadurch nachweisbar. Und Geheimdienste können Walletnummern mittlerweile auch gut den realen Besitzern zuordnen.
Es gibt außerdem keine Steuerbefreiung für Transaktionen mit virtuellen Währungen. In den USA zum Beispiel behandelt die Steuerbehörde IRS digitale Vermögenswerte als Eigentum für Einkommenssteuerzwecke. Dazu zählen beispielsweise konvertierbare virtuelle Währungen und Kryptowährungen, Stablecoins und Non-Fungible-Token (NFTs).
Anleger:innen müssen auch in Deutschland Gewinne aus Kryptotransaktionen in ihrer Steuererklärung angeben. Da die Blockchains transparent und unveränderlich sind, ist es schwierig, Transaktionsaktivitäten zu verbergen, die Steuerereignisse auslösen.
Mythos 6: Blockchains lassen sich nicht skalieren, oder?
Bei vielen Blockchains gibt es Probleme mit der Skalierbarkeit. Diese treten vor allem dann auf, wenn sie stärker genutzt werden. Dadurch steigen auch deren Transaktionsgebühren.
Blockchains wie Bitcoin können zum Beispiel nur fünf bis sieben Transaktionen pro Sekunde verarbeiten - viel weniger als bei gängigen Kreditkartenanbietern wie Visa mit aktuell um die 24.000 Transaktionen pro Sekunde.
Im Fall von Bitcoin haben die Entwickler das Lightning-Netzwerk entwickelt, das es den Nutzern ermöglicht, Bitcoin in Zahlungskanäle einzuschließen, die viele kleine Transaktionen separat durchführen und diese dann später in einer gesammelten Transaktion auf der ursprünglichen Blockchain abrechnen.
Die Entwickler:innen von Ethereum arbeiten gerade mit zahlreichen Updates daran, die Transaktionen auf der Ethereum-Blockchain zu beschleunigen und deren Transaktionsgebühren zu senken. Es gibt mit Solana, Cardano und Avalanche mittlerweile auch einige Ethereum-Alternativen mit einer schnelleren Transaktionsgeschwindigkeit und niedrigeren Gebühren. Aber Ethereum bleibt momentan dennoch aufgrund seiner Größe der Platzhirsch bei den Plattformen im Bereich der dezentralen Finanzen, kurz Defi.
Außerdem gibt es immer mehr Kryptowährungen wie Chainlink, die sich beispielsweise darauf spezialisiert haben, Blockchains zu verknüpfen oder dabei behilflich zu sein, deren Geschwindigkeit der Transaktionen zu beschleunigen.