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Innovation in künstlicher Intelligenz Geht KI die Puste aus?

Am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden arbeiten Forschende an KI- und Roboter-gestützten Assistenzsystemen für die Krebschirurgie
Am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden arbeiten Forschende an KI- und Roboter-gestützten Assistenzsystemen für die Krebschirurgie: Aus der KI-Grundlagenforschung entsteht eine Vielzahl kommerzieller und praxisnaher Anwendungen. ((Sylvio Dittrich / 0163102657)) | Foto: Imago Images / Sylvio Dittrich

KI boomt, da die jahrzehntelange Forschung nun endlich Früchte trägt – in Form von neuartigen Tools und Modellen, die von der Intelligenz her immer menschenähnlicher werden, wenn sie es nicht schon sind.

Von den Errungenschaften von DeepMind, wie dem Gameplaying und der prädiktiven Modellierung der Proteinfaltung, die für Wissenschaftler jahrzehntelang ein Rätsel war, bis hin zur menschenähnlichen Sprache von GPT-3, dem neuesten Produkt der „Deep Learning“-Revolution, die den menschlichen Neocortex nachbildet – die KI scheint sich ihrem Zenit zu nähern.

In der Vergangenheit wurde das Gebiet viel zu sehr gehypt. In den 1960er-Jahren prognostizierte Herbert Simon, dass Computer in der Lage sein würden, dem Menschen in den nächsten 20 Jahren Konkurrenz zu machen. Marvin Minsky, ein Gründervater der Informatik, sagte vorher, dass das Problem der Schaffung von künstlicher Intelligenz in einer Generation gelöst werden würde. Weder die eine noch die andere Prognose hat sich bislang bewahrheitet.

Economist Impact hat die Geschichte und das Innovationstempo in wichtigen technologischen Sektoren analysiert. Mit Hilfe von Data-Science-Tools haben wir einen einzigartigen Ansatz zur Messung der Innovationsaktivität entwickelt, der auf einer Analyse der in wissenschaftlichen Publikationen und Patenten verwendeten Sprache basiert.

Aus Winter wird Sommer

Unsere Analyse der KI deutet auf einen Innovationsschub in den frühen 1980er-Jahren hin, der in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts deutlich an Dynamik verloren hat. Das ist der zweite sogenannte „KI-Winter“, der sich auf Zeiträume bezieht, in denen das Gebiet kaum Ergebnisse vorweisen konnte und in der Folge die Finanzierung und Forschung gebremst wurden. Aber so ganz karg waren diese Winter nicht. Unser Modell zeigt, dass Schlüsselkonzepten wie neuronalen Netzen und Deep Learning auch in mageren Zeiten recht viel Aufmerksamkeit zuteil wurde und dadurch der Grundstein für Durchbrüche gelegt werden konnte, wie wir sie heute erleben. Dabei können zwischen KI-Konzepten und den entsprechenden Tools und Technologien lange Zeiträume liegen; das erste „künstliche Neuron“ wurde 1943 entwickelt.

Zahl der Patente steigt

Unsere Analysen haben ergeben, dass die Themenvielfalt in der wissenschaftlichen Literatur ab etwa 2006 insgesamt abnimmt und auf dem niedrigsten Stand des gesamten Zeitraums in den letzten Jahren der Messung liegt. Positiv zu bewerten ist, dass die thematische Vielfalt in Patenten in dieser Zeit zugenommen hat.

Das deckt sich mit anderen Belegen, die darauf hindeuten, dass sich das Gebiet auf eine Untergruppe von Themen konzentriert und möglicherweise eine größere Forschungstiefe gegen Breite, Risiko und Innovation für die Zwecke der Kommerzialisierung eingetauscht wurde.

 

Juan Mateos-García, Director of Data Analytics bei der Innovationsagentur Nesta, hat im Rahmen einer Studie die thematische Vielfalt in der KI-Forschung untersucht. Die Ergebnisse, die auf einer Stichprobe von 110.000 KI-Publikationen basieren, wurden einer Themenmodellierung unterzogen, um die thematische Zusammensetzung der KI-Forschung zu quantifizieren und die Forschungsvielfalt einzuschätzen. Das Team fand heraus, dass die thematische Vielfalt in den vergangenen zehn Jahren zurückgegangen ist, genau wie sich KI in der realen Welt anscheinend rar gemacht hat. „Man hätte erwartet, dass die zunehmende Größe des KI-Marktes der Vielfalt zuträglich ist, aber unsere früheren Hypothesen [vor unserer Studie], dass die Vielfalt stagniert, erwiesen sich nach wie vor als zutreffend, trotz der Ausweitung des Gebiets“, sagt Mateos-García.

Einer der Gründe sei, dass der private Sektor der dominierende Akteur bei der Finanzierung und Durchführung von KI-Forschung ist und sich Unternehmen auf ein kleineres Spektrum geschäftsrelevanter Anwendungen konzentrieren. „Die Player aus der Industrie haben eine eher kurzsichtige, enge technologische Fokussierung, aber bei Innovation ist es so, dass man sich nicht sicher sein kann, ob etwas funktionieren und Erfolg haben wird.“

Verkümmert das Gebiet in der Lehre?

Mateos-García sagt, dass sich bei den Universitäten der Fokus verenge, was zum Teil auf die wachsende Beteiligung der Industrie zurückzuführen sei. Das ist besorgniserregend, da akademische Einrichtungen in der Vergangenheit der Nährboden für Durchbrüche in der KI waren, von der wegweisenden Summer School des Dartmouth College im Jahr 1956 (sozusagen der attestierte Beginn der KI-Ära) bis hin zu den Arbeitsprogrammen des Stanford AI-Projekts und des MIT AI Lab. Wichtige Innovationen, die die KI heute vorantreiben, wie neuronale Netze und Deep Learning, haben ihre Wurzeln in akademischen Kreisen.