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Künstliche Intelligenz Was der Siegeszug der künstlichen Intelligenz für die Wirtschaft bedeutet

Sumant Wahi, Investment Analyst bei Fidelity in London

Herr Wahi, wer sich mit dem technologischen Wandel befasst, kommt um das Thema künstliche Intelligenz nicht herum. Alle Welt spricht über Service-Roboter und selbst lernende Computer. Was genau steckt dahinter – und warum beschäftigt uns das Thema so?

Sumant Wahi: Künstliche Intelligenz ist ein Begriff, der fasziniert und erschreckt. Dabei ist mir erst mal wichtig festzuhalten, dass nicht zu befürchten steht, dass die Maschinen in den kommenden Jahrzehnten die Herrschaft übernehmen, wie Filme wie „Terminator“ oder „iRobot“ vielleicht manch einem weismachen. Nüchtern betrachtet bedeutet künstliche Intelligenz nichts anderes, als dass eine Maschine so handelt, wie wir das normalerweise nur von einem intelligenten Menschen erwarten würden. So gesehen ist das auch kein fernes Zukunftsthema, sondern begegnet uns heute schon allenthalben.

Wo begegnet uns künstliche Intelligenz heute schon?

Wahi: Spracherkennung ist ein typisches Feld dafür. Vor wenigen Jahren war mit einem Sprachakzent jede automatische Telefonhotline überfordert, inzwischen sind die Maschinen in der Lage, damit umzugehen. Ähnliches gilt bei der Bilderkennung etwa im Straßenverkehr, bei der Verkehrsplanung in der Logistik, bei der Werbevermarktung im Internet, bei der dynamischen Preisbildung und so weiter. Leistungsfähigere Rechensysteme schaffen es hier immer häufiger, dass Computer genauso gut handeln wie Menschen. Deshalb ist künstliche Intelligenz auch eng verknüpft mit einem viel älteren Begriff: Automation. Im Kern geht es doch immer noch darum, eine Maschine dazu zu bringen, einen Prozess zu übernehmen, der sonst von einem Menschen erledigt werden müsste.

Warum beschäftigen sich dann gerade jetzt so viele mit künstlicher Intelligenz, wenn das eigentlich ein alter Hut ist?

Wahi: Weil vieles lange Zeit technisch gar nicht machbar war oder wirtschaftlich nicht sinnvoll. Doch im vergangenen Jahrzehnt haben sich vier Faktoren schrittweise verbessert, sodass sich die Beschäftigung damit jetzt eindeutig rentiert: Erstens gibt es immer mehr Rechnerleistung zum selben Preis. Zweitens ist Cloud Computing zu einem wichtigen Faktor geworden, weil damit große Rechenzentren günstig zur Verfügung stehen. Der dritte Faktor sind Daten: In den vergangenen zwölf Monaten wurden im Internet so viele Daten neu generiert wie in der gesamten Zeit zuvor. Große Datenmengen sind ein kritischer Faktor dafür, dass Maschinen intelligent handeln können – sie brauchen eigene Informationen, wenn die Menschen ihnen nicht mehr sagen, was sie tun sollen. Der vierte Faktor ist die allgegenwärtige Vernetzung, die einen kontinuierlichen Informationsfluss gewährleistet.

Wie groß sind die Fortschritte in diesen vier Feldern tatsächlich?

Wahi: Das lässt sich eindrucksvoll an einem Beispiel zeigen: Lassen Sie einen Computer unterscheiden zwischen dem Foto eines Blaubeer-Muffins und dem Gesicht eines Chihuahua-Hundes. Nachdem sich IT-Spezialisten daran 50 Jahren versucht haben, lag die Trefferwahrscheinlichkeit Anfang dieses Jahrzehnts immer noch nicht höher als bei 72 Prozent. Erst im Jahr 2012 gelang der Durchbruch. Was war geschehen? Man hatte angefangen, die Computer zur Lösung des Problems eigene Entscheidungen treffen zu lassen. Über das Trial-and-Error-Prinzip haben sie dann fehlerhafte Entscheidungen korrigiert und ihre Bilderkennungsmethode so selbst optimiert. Ergebnis: Die Trefferquote bei der Bilderkennung stieg innerhalb von nur vier Jahren über das Niveau des Menschen. Sie brauchen nicht lang zu überlegen, was das beispielsweise für die Zukunft des autonomen Fahrens bedeutet.

Das heißt: Ich füttere den Rechner nicht mehr mit Regeln, die er auszuführen hat, sondern lasse ihn selbst nach Regeln suchen?

Wahi: Genau. Der Computer erschafft seine eigenen Regeln. Er lernt. Das geht aber nur, wenn die vier genannten Faktoren es auch ökonomisch möglich machen, denn es braucht dazu erstens ungeheure Rechenkraft und zweitens große Informationsmengen.

Am Ende dreht sich mal wieder alles um Daten.

Wahi: Zweifelsfrei. Und genau deshalb blicke ich als Investor auch stets darauf, welche Technikunternehmen Daten generieren und besitzen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet sind beispielsweise Google, Facebook und auch Amazon Apple einen Schritt voraus. Denn der Konzern legt so viel Wert auf Privatsphäre, dass er die Daten seiner Nutzer kaum weiterverwenden kann. Das schwächt Apple in einer Welt der künstlichen Intelligenz.

Ausgerechnet Apple als größter Gewinner der Smartphone-Ära könnte zu den Verlierern der Zukunft gehören?

Wahi: So weit würde ich nie gehen. Aber klar ist, dass heute niemand sicher sein kann, dass seine Industrie morgen noch bestehen wird. Es war in der Vergangenheit deutlich leichter, die Gewinner und Verlierer neuer Plattformen zu erkennen. In der PC- und Laptop-Ära waren beispielsweise ganz klar Microsoft und Intel die großen Profiteure. Wenn wir auf die kommende Ära der künstlichen Intelligenz schauen, haben wir es aber nicht mehr mit einer einzigen dominierenden Plattform zu tun, wie dem PC oder Smartphone. Vielmehr geht es um eine Innovation, die den Charakter einer Dienstleistung hat. Die Hauptprofiteure könnten also gar nicht mehr im Technologiesektor liegen, sondern in ganz andere Feldern, beispielsweise der Automobilindustrie, dem Finanzsektor oder der Biotech-Industrie. Das sollte jeder Anleger beachten.

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