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Künstliche Intelligenz – Welche Chancen sich daraus ergeben

Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Transkript der sechsten Episode der zweiten Staffel des M&G-Podcasts „Investment Business“.
Dieser Podcast ist nur für professionelle Anleger in Deutschland und Österreich und qualifizierte Anleger in der Schweiz bestimmt.
Die Key-Takeaways:
- Wie ChatGPT mit dem KI-Boom zusammenhängt
- Wie Künstliche Intelligenz im Portfolio-Management helfen kann
- Warum es ohne Menschen im Fondsmanagement nicht geht
- Welche Arten von Unternehmen besonders von KI profitieren
Sprecher: Ivan Domjanic, Kapitalmarktstratege bei M&G Investments
Host: Christoph Seeger, Wirtschaftsjournalist, Content Director bei mjnt., gehört zur Edelstoff Media Gruppe (DAS INVESTMENT / private banking magazin)
Christoph Seeger: Hallo liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Herzlich Willkommen zur sechsten Folge des M&G-Podcasts „Investment Business“. In unserem Studio in Hamburg begrüße ich heute Ivan Domjanic. Ivan ist Kapitalmarktstratege bei M&G Investments. Hallo Ivan, ich freue mich sehr, dich wieder hier bei uns im Studio begrüßen zu dürfen.
Ivan Domjanic: Hallo Christoph. Ich freue mich auch, wieder hier in Hamburg zu sein.
Christoph Seeger: Zwei Folgen in dieser zweiten Staffel haben wir miteinander bestritten, Ivan. In Folge vier ging es um die Aktienmärkte ganz allgemein. Was treibt die Kurse? Wann ist eine Aktie attraktiv bewertet? In Folge fünf haben wir uns mit dem aktuell sehr interessanten japanischen Aktienmarkt beschäftigt, der im Übrigen ganz schön angezogen hat, seit wir miteinander gesprochen haben.
Und heute in Folge sechs lautet unser Thema: Künstliche Intelligenz, oder kurz KI. KI ist dieses Jahr das ganz große Thema gewesen und hat Diskussionen in vielen Branchen geprägt und verändert. Warum ist Künstliche Intelligenz gerade jetzt so präsent und was hat 2023 zu einem Wendepunkt für KI gemacht?
Ivan Domjanic: KI gibt es ja schon eine ganze Weile, aber es scheint fast so, als hätten die Menschen in der Breite das Thema bisher noch nicht so richtig ernst genommen. Und ich muss auch zugeben, wenn ich mit gewissen Sprachassistenten wie Siri von Apple oder Alexa von Amazon gesprochen habe oder mich als Kunde bei einem Anruf bei einer Gesellschaft erstmal mit dem automatischen Kundenbetreuer auseinandersetzen musste, hatte ich ehrlich gesagt nicht das Gefühl, dass uns die KI bald alle Jobs wegnehmen wird.
Aber offenbar ist unter der Oberfläche sehr viel mehr passiert als den meisten bewusst war. Und ich würde sagen, dass die Live-Schaltung von ChatGPT der Knackpunkt war, der den Menschen wirklich eindrucksvoll vor Augen geführt hat, wozu eine wirklich gute KI eigentlich in der Lage ist. Das hat sehr viele überrascht – mich miteingeschlossen.
Christoph Seeger: Ja, ChatGPT war auf einmal in aller Munde, bei Profis genauso wie bei jedem zu Hause. Ein Chatbot, der KI einsetzt, um mit Nutzern über Text oder auch Bilder zu kommunizieren, und der natürlich eher wie ein Mensch als wie eine Maschine klingt, wenn man mit ihm kommuniziert. Wie hat deiner Meinung nach ChatGPT die Wahrnehmung und das Verständnis von KI verändert?
Ivan Domjanic: Ich denke, die meisten haben vor ChatGPT immer gedacht „KI kann höchstens Dinge, die der Mensch ihnen sehr genau vorgibt, einfach nur abarbeiten“ und waren dann baff, als sie mit ChatGPT gemerkt haben, dass die Vorgaben nicht immer so genau sein müssen und dass diese KI eigenständig Antworten generiert, die sogar sehr kreativ sein können. Dann kamen andere KI-Systemen wie Dall-E oder Midjourney dazu, die neu generierten Bilder erstellen, die ebenfalls äußerst kreativ waren. Also ich persönlich hatte durchaus das ein oder andere Mal das Gefühl „da wäre ich selbst nicht draufgekommen“. Klar, auch ChatGPT und Dall-E sind nicht perfekt und machen Fehler – manchmal auch sehr offensichtliche – aber mit ChatGPT zu chatten ist doch nochmal was ganz anderes als mit Suchmaschinen wie Google, obwohl auch die mittlerweile sehr gut geworden sind.
Christoph Seeger: Ja das sind sie wirklich, deshalb nochmal ganz konkret nachgefragt: Wie unterscheidet sich denn die Rolle von generativer KI wie ChatGPT von der von Suchmaschinen wie Google?
Ivan Domjanic: Google zeigt uns ja vor allem, wo wir Antworten auf bestimmte Fragen finden. Manchmal filtert Google zwar die Antwort bereits direkt aus einer Homepage oder einem längeren Text heraus und zeigt diese an, aber trotzdem wird uns lediglich ein bestehender Text oder ein bestehendes Bild gezeigt. Allein das hat aber, wenn wir die heutige Zeit mal mit der Zeit vor Google & Co vergleichen, viele Dinge sehr viel einfacher gemacht. Wenn man vor 30 Jahren eine bestimmte Info nicht hatte oder einen Sachverhalt nicht verstanden hat, dann war man erstmal aufgeschmissen, musste jemanden fragen, der es möglicherweise wissen könnte oder musste in die Bücherei gehen und dort nach der Antwort suchen. Das hat unfassbar viel Zeit gekostet. Heute tippt man einfach ein paar Worte in Google ein und meistens bekommt man dort direkt die Antwort oder einige hilfreiche Links angezeigt. Also allein Suchmaschinen wie Google waren und sind schon eine enorme Hilfe und machen unser Leben in vielen Dingen sehr viel einfacher.
Eine generative KI wie ChatGPT geht hier aber noch einen wichtigen Schritt weiter, und zwar generiert sie die Antworten wirklich selbst, das heißt sie geht viel genauer auf die eigentliche Frage ein. Natürlich ist sie dabei ebenfalls von bereits bestehenden Informationen aus dem Internet abhängig, aber sie formuliert die Antworten selbst, und das meist sehr zielgenau, strukturiert und gut verständlich. Man könnte so eine KI also als eine Art Assistenten ansehen.
Aber ich muss zugeben, ich wurde auch schon das ein oder andere Mal enttäuscht, als ich selbst ChatGPT genutzt habe…
Christoph Seeger: Wo denn zum Beispiel?
Ivan Domjanic: Ich wollte mir mal einen sauberen, gut strukturierten Fließtext schreiben lassen. Das heißt ich habe also alle Infos in den Prompt geschrieben, die enthalten sein sollten und auch bestimmte Kriterien genannt, wie zum Beispiel die Länge des Textes. Das Ergebnis war dann aber doch sehr ernüchternd. Vielleicht weil ich bereits eine ziemlich genaue Vorstellung von dem gewünschten Ergebnis hatte... ich weiß es nicht genau. Jedenfalls war das mein letzter Versuch in dieser Hinsicht.
Außerdem muss man aufpassen, weil manchmal durchaus auch falsche oder sogar erfundene Informationen sehr selbstbewusst wiedergegeben werden.
Ich denke im Großen und Ganzen ist so eine generative KI bisher aus meiner Sicht vor allem dann sehr nützlich, wenn man noch keine zu genaue Vorstellung von dem gewünschten Ergebnis hat oder wenn Details einfach keine allzu große Rolle spielen. Aber da wird sich in den kommenden Jahren sehr wahrscheinlich noch vieles tun.
Christoph Seeger: Da teile ich deine Erfahrungen, Ivan. ChatGPT ist eben ein Assistent, du hast es eben gesagt. Und dieser Assistent braucht eine genaue Anleitung, also gute Prompts, und er macht auch noch Fehler. Und diese Fehler können zum Teil sehr lustig sein. Mir selbst hat er bei einer ähnlichen Aufgabe, wie du sie gestellt hast, dann einfach ein Gedicht geschrieben, obwohl ich nicht darum gebeten hatte. Also das sind sicherlich noch so Anfängerfehler, die mit den Jahren ausgemerzt werden.
Das Themenfeld KI ist ja sehr breit und spannend. Wir wollen uns in diesem Podcast vor allem mit Künstlicher Intelligenz im Zusammenhang mit Kapitalanlagen beschäftigen. Welche Rolle kann KI denn bei der Kapitalanlage spielen?
Ivan Domjanic: Man kann das Thema KI in Verbindung mit Kapitalanlagen aus zwei Blickwinkeln betrachten. Man kann zum einen mit KI investieren – also KI im Portfoliomanagement nutzen, zum Beispiel um Anlageentscheidungen zu treffen, und man kann zum anderen in KI investieren – also in Aktien von Unternehmen, die besonders stark von künstlicher Intelligenz profitieren.
Christoph Seeger: Fangen wir mit deinem ersten Punkt an. Wie kann KI genutzt werden, um bessere Anlageentscheidungen zu treffen und welche Vorteile bietet sie gegenüber traditionellen Methoden?
Ivan Domjanic: KI ist besonders stark im Erkennen von Mustern, das heißt eine KI kann aus Millionen von Daten in sehr kurzer Zeit Muster erkennen, die der Mensch niemals sehen würde. Das ist extrem hilfreich, weil es in vielen Bereichen aus Vergangenheitsdaten statistische Wahrscheinlichkeiten für die Zukunft ableiten kann. Hinzu kommt, dass die KI neue Datenpunkte sofort eigenständig verarbeitet und damit quasi mit der Zeit immer weiter dazulernt.
Wir haben bei M&G vor ca. vier Jahren die Global Maxima Strategie aufgelegt, die sich genau diese Vorteile von KI zunutze macht. Hierzu haben wir ein eigenes KI-System entwickelt und dieses mit unzähligen Daten der vergangenen 25 Jahre trainiert bzw. gefüttert und das Ganze für rund 10.000 Aktienunternehmen. Aus diesen Daten sollte die KI schließlich Muster erkennen, die in der Vergangenheit mit einer erhöhten Häufigkeit zu einer Outperformance der jeweiligen Aktie gegenüber dem breiten Aktienmarkt geführt haben. Diese Muster werden dann auf heute angewandt. Das heißt, weist eine Aktie heute so ein Muster auf, wird daraus dann für die Zukunft eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Outperformance abgeleitet und die Aktie qualifiziert sich damit für das Portfolio.
Christoph Seeger: Das hört sich sehr spannend an. Welche Arten von Daten nutzt die KI für die Aktienauswahl, womit habt ihr sie gefüttert?
Ivan Domjanic: Im Wesentlichen sind das unternehmensspezifische und vor allem quantitative Daten, also Kennzahlen. Zum einen Fundamentaldaten, wie zum Beispiel das Gewinnwachstum, Eigenkapitalrenditen, Gewinnmargen, Verschuldungsgrad oder auch Bewertungskennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis, Kurs-Buch-Verhältnis oder die Dividendenrendite, und zum anderen aber auch technische Daten, also zum Beispiel der Kurstrend, technische Indikatoren wie gleitende Durchschnitte, Relative Strength Index oder auch das Handelsvolumen.
Je Aktie werden ca. 400 unterschiedliche monatliche Daten berücksichtigt. Das heißt die Datenbasis besteht damit aus insgesamt über fünf Milliarden Datenpunkten und wächst quasi mit jedem Monat weiter an.
Christoph Seeger: Ein gewaltiges Datenvolumen!
Ivan Domjanic: In der Tat. Es ist also schon eine andere Art von KI, als wir das von ChatGPT kennen, welches ja vor allem ein „Natural Language Processing“-System (NLP-System) ist. Zwar gibt es durchaus auch solche NLP-KI-Systeme, die für die Kapitalanlage angewendet werden, zum Beispiel um Stimmungstrends am Markt durch die Analyse von Social-Media-Beiträgen zu bestimmen oder Schlussfolgerungen aus Unternehmensnachrichten oder Geschäftsberichten zu ziehen.
Ich persönlich stehe dem aber etwas skeptisch gegenüber, weil ja auch die Texte der Unternehmen in Zukunft wahrscheinlich mehr und mehr von KI-Systemen verfasst werden und dann vergangene Muster ihre Aussagekraft verlieren könnten. Wir bei M&G konzentrieren uns daher vor allem auf die harten Fundamentaldaten, denn diese beziehen sich eindeutig auf das Geschäftsmodell und nicht auf mögliche Stimmungstrends oder Texte, die von Menschen geschrieben wurden oder auch nicht.
Christoph Seeger: Ein interessanter Ansatz. Wie ergänzen sich menschliche Fondsmanager und das KI-Systeme denn bei der Titelselektion in der Global Maxima Strategie?
Ivan Domjanic: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Der Mensch bleibt unseres Erachtens ein ganz wichtiger Faktor, vor allem wenn es um die qualitativen, weichen Faktoren geht, die nicht so leicht anhand einer Kennzahl festgemacht werden können. Es kann zum Beispiel vorkommen, dass eine Aktie von der KI aufgrund von attraktiven Kennzahlen zum Kauf empfohlen wird, die Kennzahlen aber aufgrund von außergewöhnlichen Ereignissen, die der KI wiederum unbekannt sein können, keine Relevanz haben oder zumindest verzerrt sind.
Christoph Seeger: Kannst du uns hier Beispiele nennen, wo das vorgekommen ist?
Ivan Domjanic: Klar, in unserer Global Maxima Strategie gab es durchaus die ein oder andere Situation, wo unsere KI einen Titel namens Tianli Education, ein chinesisches privates Bildungsunternehmen, zum Kauf empfohlen hat. Der Kurs der Aktie hatte sich in den sechs Monaten zuvor halbiert und die Bewertung war entsprechend attraktiv. Was die KI aber nicht wissen konnte, war, dass die chinesische Regierung dabei war, die Regulatorik für private profitorientierte Bildungsunternehmen massiv zu verschärfen. Das hat die Aktie natürlich in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Also hat sich der Fondsmanager entschieden die Empfehlung zu verwerfen und die Aktie nicht ins Portfolio zu nehmen, was letztlich die richtige Entscheidung war. Die Aktie ist nämlich in den zwölf Monaten danach um über 90 Prozent gefallen.
Ein weiteres Beispiel waren russische Aktien Anfang 2022 kurz vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine. Die russischen Aktienmärkte hatten damals bereits begonnen die Risiken einzupreisen und sind gefallen, was die Bewertungen vieler russischer Aktien sehr attraktiv erscheinen ließ. Also hat das System aufgrund der Bewertungssignale einige russische Aktien zum Kauf empfohlen, ohne die geopolitische Situation zu berücksichtigen, da der KI diese unbekannt war. Auch hier hat der Fondsmanager eingegriffen, was im Nachhinein die richtige Entscheidung war. Denn russischen Aktien waren kurz danach vom Handel mehr oder weniger ausgeschlossen und mussten auf null abgeschrieben werden.
Nur um eines klarzustellen: Es geht bei dieser KI-Strategie nicht darum, dass der Mensch am Ende seine eigene subjektive Einschätzung zum Potential der Aktie einfließen lässt, sondern vor allem darum, mögliche Fehler auszumachen und die Risiken zu minimieren. Also ein ganz wichtiger Unterschied zu einer rein von Menschen gemanagten Strategie.
Im Grunde kann man unser KI-System also als einen hocheffizienten quantitativen Analysten betrachten, der dem Fondsmanager Titelvorschläge macht, aus denen dann das Portfolio von Menschenhand zusammengebaut wird.
Christoph Seeger: Der Mensch ist also vor allen Dingen noch für die qualitative Bewertung da. Wo liegen die Grenzen der KI in Bezug auf qualitative Beurteilung und kreatives Denken?
Ivan Domjanic: Die KI kann letztendlich nur Daten verarbeiten, mit denen sie gefüttert wird. Natürlich wäre theoretisch eine allumfassende KI denkbar, die sämtliche Daten und auch Nachrichten bis hin zu Social Media Informationen verarbeiten und daraus Schlussfolgerungen ableiten kann. So eine allumfassende KI wäre aber aus meiner Sicht unfassbar aufwändig und teuer und ob sie dann alle Faktoren, die unterschiedlich abhängig voneinander sind, richtig verknüpfen würde, steht auf einem anderen Blatt. Nicht undenkbar, aber ich denke da sind die heutigen KI-Systeme noch ein gutes Stück von entfernt.
Außerdem basieren die Schlussfolgerungen der KI ja auf Daten der Vergangenheit. Das heißt eine KI ist kaum in der Lage, völlig neue Situationen richtig einzuordnen. Zugegeben, auch der Mensch hat mit solchen Situationen seine Schwierigkeiten, aber der Mensch ist grundsätzlich fähig, Dinge und Situationen völlig neu zu denken. Das kann eine KI so nicht.
Christoph Seeger: Danke für deine Einschätzung, Ivan. Es ist auch persönlich beruhigend zu wissen, dass der Mensch weiter eine wichtige Rolle spielt und sozusagen das letzte Wort hat.
Kommen wir jetzt einmal zum zweiten Teil des heutigen Podcasts, also zum Thema: „Wie kann man in KI investieren – also in Aktien von Unternehmen, die besonders stark von künstlicher Intelligenz profitieren. Gib uns doch bitte einmal einen Überblick: Welche Unternehmen sind die Hauptprofiteure der KI-Entwicklung? Wie kann man die Geschäftsmodelle unterteilen? Wer sind die Verlierer der Entwicklung?
Ivan Domjanic: Bei unserer neuen Global Artificial Intelligence Strategie unterscheiden wir zwischen drei Kategorien von KI-Profiteuren: erstens die Anbieter von KI, dann die Ermöglicher und drittens die Anwender von KI.
Wir investieren in Anbieter von KI-Systemen und KI-gestützten Dienstleistungen, also im Wesentlichen Softwareunternehmen, die entweder völlig neue KI-Anwendungen anbieten, wie zum Beispiel OpenAI mit ChatGPT, oder Unternehmen, die ihre bestehenden Software-Angebote durch KI noch leistungsfähiger machen, wie zum Beispiel Microsoft, Alphabet bzw. Google oder Unternehmen wie Salesforce und SAP.
Dann gibt es die Ermöglicher von KI, also Unternehmen, die die Voraussetzungen schaffen für KI, vor allem Unternehmen aus der Chipindustrie, aber auch Datenmanagementunternehmen, Kommunikationsdienste oder auch Cyber Security Unternehmen wären hier naheliegende Beispiele. In erster Linie kommen hier Unternehmen wie Nvidia in den Sinn, aber auch andere Unternehmen aus dem Halbleitersektor wie ASML, Broadcom oder Arista Networks.
Und schließlich die Anwender von KI, also Unternehmen, die überproportional von der Integration von KI in ihr Geschäftsmodell profitieren, entweder um ihre Produkte oder Dienstleistungen zu verbessern oder interne Prozesse zu optimieren. Beispiele können hier aus allen möglichen Sektoren kommen.
Christoph Seeger: Bei welcher der drei Kategorien seht ihr bei M&G denn das größte Potential?
Ivan Domjanic: Das ist schwer zu sagen. Klar ist aber, dass wir bei den Anbietern und Ermöglichern im letzten Jahr bereits erhebliche Kurszuwächse gesehen haben. Die Bewertungen sind daher deutlich angestiegen und es ist heute viel mehr Optimismus in solchen Aktien eingepreist als noch vor einem Jahr.
Gleichzeitig haben sich die Kurse von vielen Unternehmen, die wir als Anwender sehen würden, eher mäßig entwickelt. Das heißt der Markt scheint diesen Unternehmen bislang in Bezug auf KI keinerlei Beachtung zu schenken. Darin könnte natürlich längerfristig eine Chance liegen, weil der Markt das Potential dieser Unternehmen heute unterschätzt. Klar kurzfristig sind mit diesen Unternehmen keine Kurssprünge, wie bei den Anbietern und Ermöglichern, zu erwarten, einfach weil deutlich weniger spekulatives Kapital dort hineinfließt. Aber längerfristig sollte der Kurs die steigenden Gewinne und Margen, die zum Teil durch den Einsatz von KI in den Unternehmen entstehen, widerspiegeln. Hier wird es künftig unseres Erachtens vermehrt Chancen geben, die man als wachsamer Investor nutzen kann.
Christoph Seeger: Das ist natürlich ein weites Feld, irgendwie profitieren ja alle Unternehmen von KI. Welche Sektoren oder Unternehmen profitieren denn als Anwender besonders von der Nutzung von KI?
Ivan Domjanic: Im Grunde kommen hier mehr oder weniger alle Branchen in Betracht. Aber ein naheliegendes Beispiel ist die Gesundheitsbranche, wo KI durch die überlegene Fähigkeit, Daten zu analysieren und Muster zu erkennen, dabei helfen kann neue Medikamente zu entwickeln. Novo Nordisk wäre zum Beispiel so ein Unternehmen, das wir in unserer Strategie im Portfolio haben.
Die Finanzindustrie kann durch KI ihr Risikomanagement verbessern oder Betrugsfälle deutlich besser aufdecken und so Kosten sparen. Also eine Bank wie JP Morgan wären hier ein Beispiel. Versorger können durch den Einsatz von KI und sogenannte „Smart Grids“ die Energieverteilung und -nutzung optimieren und so unnötiger Energieverschwendung vorbeugen und damit ebenfalls Kosten senken. Selbst Konsumgüterunternehmen können zum Beispiel durch den Einsatz von KI in der Marktforschung Trends im Verbraucherverhalten deutlich früher erkennen und ihre Produkte entsprechend anpassen. Pepsico tut zum Beispiel genau das.
Generell kommen auch alle Unternehmen als Profiteure in Frage, wo ein großer Teil der Arbeit, die von Mitarbeitern erledigt wird, durch eine KI ersetzt oder eben deutlich beschleunigt werden kann. Also in der Regel Unternehmen, in denen administrative Tätigkeiten eine wichtige Rolle spielen, also Tätigkeiten, bei denen man hauptsächlich bereits bestehende Informationen zusammentragen und aufbereiten muss. Ich denke da zum Beispiel auch an Beratungsgesellschaften mit starkem juristischem oder steuerlichem Bezug. Anwälte, Steuerberater oder auch Unternehmensberater werden künftig einfach deutlich weniger lästige Kleinarbeit machen müssen, was deren Produktivität ungemein steigern dürfte. Aber das gilt gleichermaßen für viele andere Bereiche.
Wichtig ist letztlich nur, dass man diejenigen Unternehmen erkennt, die am aggressivsten und am effizientesten den Einsatz von KI vorantreiben und die sich so wahrscheinlich einen wichtigen Vorsprung verschaffen, der dann Jahre lang anhalten kann und nur schwer aufzuholen sein dürfte.
Christoph Seeger: Du hast uns eindrucksvoll die Chancen für Anleger aufgezeigt, Ivan. Aber welche Risiken bestehen denn bei Investitionen in KI? Oder ist das ein Selbstläufer?
Ivan Domjanic: Ein Selbstläufer ist das natürlich nicht. Keine Aktienanlage ist das. Gerade bei solchen relativ neuen Themen, die sehr wachstumsorientiert sind, gibt es durchaus einige Stolperfallen, die man beachten muss.
Zum einen gilt es die Gewinner des Themas von den Verlierern zu unterscheiden. Und damit meine ich nicht unbedingt Unternehmen, deren Geschäftsmodelle durch KI gefährdet sein könnten, sondern auch solche Unternehmen, die zwar im Bereich KI direkt involviert sind, sich aber eben als nicht konkurrenzfähig erweisen. Nur weil ein Unternehmen in einem attraktiven Wachstumsthema unterwegs ist, heißt das noch lange nicht, dass es sich durchsetzen wird. Auch während des Internet-Booms um die Jahrtausendwende gab es viele bekannte Internetfirmen, die dann plötzlich von der Bildfläche verschwunden sind.
Gerade bei solchen technologielastigen Themenfeldern wie KI ist das Risiko nicht zu vernachlässigen, dass man als Unternehmen am Ende das Nachsehen hat, weil die Konkurrenz einfach besser ist. Das heißt, sich besser vermarktet, profitabler wirtschaftet oder einfach die überlegene Technologie besitzt.
Christoph Seeger: Und dazu kommt: Bei einigen Unternehmen, die vom KI-Boom profitieren, sind die Kurse schon stark gestiegen, die KGVs sind teilweise sehr hoch. Muss man nicht bei einigen Aktienkursen vor spekulativen Übertreibungen warnen?
Ivan Domjanic: Oh doch, das ist sogar ganz wichtig. Bei solchen spannenden Wachstumsthemen, wo einzelne Aktien sehr schnell sehr stark ansteigen können, ist die Verlockung für den Anleger natürlich immer hoch, mit auf den Zug aufzuspringen und dabei die Bewertungen völlig außer acht zu lassen. Das kann sich dann böse rächen. Denn gerade bei solchen Themen wie KI kann es durchaus immer wieder vorkommen, dass die Bewertungen einfach viel zu teuer sind.
Natürlich verdienen führende KI-Unternehmen eine höhere Bewertung und Kennzahlen wie KGVs sind bei solchen Wachstumsunternehmen oft nur bedingt aussagekräftig. Aber die Bewertung der Aktie sollte schon auf halbwegs realistischen und fundierten Wachstumsannahmen basieren und nicht auf irgendwelchen Luftschlössern.
Man muss also bei solchen Wachstumsunternehmen verschiedene Wachstumsszenarien berücksichtigen und entsprechend in die eigene Bewertungskalkulation einfließen lassen. So kann man die Risiken, dass man sich deutlich zu teuer einkauft, zumindest etwas begrenzen.
Christoph Seeger: Das war wirklich eine Fülle von Informationen, Ivan. Versuch dich doch für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer mal an einem Fazit.
Ivan Domjanic: Meiner Meinung nach wäre es ein Fehler, einfach völlig losgelöst von den Bewertungen alles zu kaufen, was in irgendeiner Weise mit KI zu tun hat oder vorgibt mit KI zu tun zu haben. Oftmals versuchen einige Unternehmen gewisse Hypes einfach zu nutzen und nennen bestimmte Begriffe einfach sehr oft in Geschäftsberichten oder ändern zum Teil sogar den Firmennamen, sodass der Name mit dem Thema in Verbindung gebracht wird. Man muss hier schon selektiv vorgehen und die Geschäftsmodelle verstehen.
Außerdem gibt es durchaus Unternehmen, die im Verborgenen aggressiv KI nutzen und sich damit einen Vorteil verschaffen. Solche Unternehmen findet man nur mit einer tiefgehenden Aktienanalyse und indem man mit entsprechenden Stakeholdern spricht.
Ein gutes Stock-Picking und aktives Management, wie wir es bei M&G Investments praktizieren, wird hier über die nächsten Jahre aus meiner Sicht sogar noch wichtiger sein als bei anderen Themen.
Christoph Seeger: Das ist doch ein gutes Resümee und damit auch schönes Schlusswort für die heutige Folge. Und das war sie tatsächlich schon, die sechsten Folge der zweiten Staffel des Podcasts „Investment Business“ von M&G Investments. Heute wieder mit dem Kapitalmarktstrategen Ivan Domjanic.
Lieber Ivan, es hat mit sehr viel Freude gemacht, die drei Folgen zum Thema Aktienmärkte mit dir aufnehmen zu dürfen. Das war spannend und lehrreich. Ganz herzlichen Dank.
Ivan Domjanic: Es war mir eine Ehre, Christoph. Vielen Dank.
Disclaimer:
Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Ansichten sollten nicht als Empfehlung, Beratung oder Prognose aufgefasst werden. Das vorliegende Dokument richtet sich ausschließlich an professionelle Anleger und ist nicht zur Weitergabe bestimmt. Andere Personen sollten sich nicht auf die hierin enthaltenen Informationen verlassen. Die Weiterleitung dieses Dokuments in oder von der Schweiz aus ist nicht zulässig, mit Ausnahme der Weitergabe an Qualifizierte Anleger im Sinne des Schweizerischen Kollektivanlagengesetzes („Qualifizierte Anleger“). Ausschließlich für den Gebrauch durch den ursprünglichen Empfänger bestimmt (vorausgesetzt dieser ist ein Qualifizierter Anleger). Diese Finanzwerbung wird herausgegeben von M&G Luxembourg S.A. Eingetragener Sitz: 16, Boulevard Royal, L2449, Luxembourg.