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Lara Pellini zum Konsumverhalten „Chinas Millennials haben eine Entwicklungsphase übersprungen“

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Gilt Markenloyalität also nur für sehr hochwertige Marken?

Pellini: Nein. Am anderen Ende der Skala erleben wir die Demokratisierung von Lebensmitteln und Mode. Millennials haben kostengünstige Modehändler für sich entdeckt, weil sie so den neuesten Trends folgen, aber auch aus dem Vollen schöpfen können, etwa mit Luxusartikeln. Im Lebensmitteleinzelhandel haben sich sogenannte Hard Discounter mit größerer physischer Präsenz tatsächlich in der Zeit durchgesetzt, in der sich auch der Online-Handel gerade etablierte. In Deutschland haben die beiden Discounter Aldi und Lidl zusammen 40 Prozent Anteil am Lebensmitteleinzelhandel, und insgesamt entfallen 50 Prozent des deutschen Lebensmittelmarktes auf Discounter. In Großbritannien beträgt der Anteil von Discountern nur 13 Prozent, doch waren es im August 2008 erst 4,3 Prozent.

Der Erfolg der Lebensmitteldiscounter lässt sich mit dem berechenbaren Angebot erklären: niedrigste Preise in Kombination mit hochwertigen Eigenmarken. Die Margen mögen niedrig sein, aber der Absatz ist hoch. Wegen des kostengünstigen Angebots dieser Einzelhändler ist ein Online-Angebot hier nicht wirtschaftlich, – und die digitale Disruption kann wenig ausrichten. Das Ergebnis ist ein zweigeteilter Einzelhandelsmarkt. Ob online oder offline – Gewinner gibt es an beiden Enden des Spektrums. Zurzeit hat man es am schwersten, wenn man dazwischensteht.

Also gibt es unterschiedliche Konsummuster für Luxus- und Discountwaren. Sehen Sie auch einen Unterschied zwischen Schwellen- und Industrieländern?

Pellini: Der Unterschied ist kleiner, als Sie glauben. Die Internationalität des Internets bringt die Kunden näher zusammen. Bei Luxusgüterherstellern gilt, dass ein Konzept, das in China funktioniert, auch in anderen Ländern erfolgreich sein wird. Hierfür gibt es im Modebereich klare Beispiele. Als Louis Vuitton Virgil Abloh zum neuen Designer für Herrenmode ernannte und seine erste Kollektion in China auf Vorbestellung erhältlich war, war sie schon vor dem offiziellen Launch fast ausverkauft. Und Burberrys „B-Series“, die neue monatliche, limitierte Kollektion von Riccardo Tisci, war im Oktober in China in weniger als einer Stunde vergriffen.

Die Globalisierung des Einzelhandels macht es leichter, Trends zu erkennen oder den Erfolg von Produkten oder Kollektionen anhand kleinerer Testmärkte abzuschätzen. Besonders interessant ist der chinesische Einzelhandel. Die chinesischen Millennials sind außerordentlich internetaffin, und das Land hat nicht so viele ältere Einkaufszentren und Kaufhäuser wie der Westen. Chinas Einzelhandel hat hier eine Entwicklungsphase übersprungen. Im Online-Handel liegt China daher jetzt leicht an der Spitze.

Was ist die nächste digitale Disruption im Einzelhandel?

Pellini: Logistik und Rückführungslogistik sind teuer. Reine Online-Einzelhändler müssen für ein gutes Kundenerlebnis sorgen und daher schnell und problemlos liefern. In gewisser Weise sind die etablierten Firmen hier im Vorteil. Die richtige Kombination mit Ladengeschäften kann helfen, Lieferkosten zu senken, sei es durch Click and Collect, also Online-Bestellungen zur Abholung in der Filiale oder bei Umtausch.

Große Shopping-Events wie der Singles Day in China am 11. November, der Black Friday und der Cyber Monday, beide Ende November, zeigen, wie wichtig dies ist. Diese Events werden von einem riesigen Hype und viel PR begleitet, doch sie sind für den Einzelhandel eine logistische Herausforderung. Auch das Verbraucherverhalten ändert sich. Weil wir Lieferungen am nächsten Tag gewohnt sind, erwarten wir das auch an diesen speziellen Einkaufstagen.

Verändert hat sich auch, wie wir in der Weihnachtszeit einkaufen. Früher begannen die Menschen im November oder Anfang Dezember mit den Einkäufen, sodass die Einzelhändler schon früh abschätzen konnten, wie sich das Weihnachtsgeschäft entwickelt. Jetzt findet ein größerer Teil der Einkäufe am Wochenende vor Weihnachten statt. Den Einzelhändlern fällt es daher schwerer, den Umsatz zu prognostizieren. Außerdem steigt das Risiko, dass Waren im Januar zurückgegeben werden, weil sie nicht rechtzeitig ankamen. Für die Einzelhändler bedeutet dies nicht nur zusätzliche Liefer- und Rückgabekosten. Oft entsprechen auch die Umsätze nicht den Prognosen.

Solche speziellen Shopping-Events helfen zweifellos, den Umsatz zu steigern, aber sie sind für den Einzelhandel eine Herausforderung. Sie zeigen recht deutlich, warum Unternehmen kosteneffiziente und kundenfreundliche Logistiksysteme brauchen, um heutzutage Erfolg zu haben.