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Lars Klingbeil wird wohl neuer Finanzminister

In den Verhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD kristallisiert sich eine überraschende Personalie heraus: SPD-Chef Lars Klingbeil soll nach Informationen mehrerer Medien das Finanzministerium in der kommenden Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz übernehmen. Diese Entscheidung kommt unerwartet, da Klingbeils finanzpolitische Expertise bislang nicht im Vordergrund seiner politischen Karriere stand.
Auf die konkrete Nachfrage, ob er der neue Finanzminister werde, sagte Lars Klingbeil am 9. April im ZDF-Interview: „Wir haben (in den Koalitionsgesprächen, Anm.d.Red.) natürlich auch Strukturfragen geklärt: Wie sehen die Ministerien aus? Wer ist für welche verantwortlich? Aber die Namen wird es dann im Mai geben, wenn die Mitglieder der SPD entschieden haben, ob wir in diese Koaltion gehen.“
Als Finanzminister würde Klingbeil eines der mächtigsten Ministerien übernehmen. Der Finanzminister verfügt über eine Art Vetomacht: Ohne seine Zustimmung können viele Regierungsvorhaben nicht umgesetzt werden, insbesondere wenn es um finanzielle Fragen geht.
Gleichzeitig ist es damit sicher, dass der amtierende Finanzminister Jörg Kukies, der erst seit November 2024 im Amt ist, nicht weitermachen wird. Zum Bedauern vieler Experten (siehe unten), denn Kukies gilt als ausgewiesener Finanzfachmann mit internationaler Erfahrung.
Klingbeils finanzpolitisches Profil
Die politische Karriere des 45 Jahre alten SPD-Politikers Klingbeil war bisher stärker von anderen Themenfeldern geprägt. Klingbeils bisherige Äußerungen und Positionen zeigen zumindest ein wenig Engagement in der Finanzpolitik:
- Klingbeil hatte sich wiederholt kritisch zur deutschen Schuldenbremse geäußert und eine Reform gefordert. Er argumentierte, dass die bestehenden Regeln notwendige Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und soziale Sicherung behindern.
- Im Rahmen der aktuellen Koalitionsverhandlungen betonte er, dass alle Vorhaben „vernünftig finanziert“ sein müssten und unter einem Finanzierungsvorbehalt stünden. Er sprach auch über Sparmaßnahmen und die Priorisierung von Investitionen in Wachstum und Infrastruktur.
Wer ist Lars Klingbeil?
Lars Klingbeil, geboren 1978 in Soltau (Niedersachsen), ist seit Dezember 2021 Co-Vorsitzender der SPD, zunächst gemeinsam mit Saskia Esken. Zuvor war er von 2017 bis 2021 Generalsekretär der Partei. Seit 2009 sitzt er im Deutschen Bundestag.
Der Niedersachse gilt als pragmatischer Modernisierer innerhalb der SPD und war maßgeblich am digitalen Umbau der Partei beteiligt. Seine politischen Schwerpunkte lagen bisher vor allem in der Digitalisierung, Verteidigungspolitik sowie der Parteiorganisation. Nach der verlorenen Bundestagswahl 2025 konnte er sich als künftiger Fraktionsvorsitzender positionieren.
Machtpolitik statt Fachkompetenz?
In unserem Kandidatencheck vom März hatten wir Klingbeil lediglich eine Wahrscheinlichkeit von fünf Prozent für den Posten des Finanzministers eingeräumt. Wir schrieben: „Aufgrund seiner strategischen Rolle in Partei und Fraktion ist es unwahrscheinlich, dass er das Finanzministerium übernimmt. Stattdessen könnte er sich auf außen- oder sozialpolitische Themen konzentrieren, die besser zu seinem Profil passen.“
In einem Kommentar für DAS INVESTMENT bezeichnete Chefredakteur Christoph Fröhlich die Entscheidung gegen Kukies als „verpasste Chance der SPD“ und ein „typisches SPD-Eigentor“. Der ehemalige Goldman-Sachs-Deutschlandchef Kukies hätte „eine seltene Mischung mit: finanzpolitische Expertise, internationales Ansehen und praktische Erfahrung im Krisenmanagement“ mitgebracht.
Dass ausgerechnet in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf einen Finanzminister mit tiefem Verständnis der Finanzmärkte verzichtet werde, sei „kaum zu begreifen“. Stattdessen setze die SPD auf einen „Parteisoldaten“ statt auf einen Fachmann.
Die Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland
Klingbeil würde bei Übernahme des Amtes der sechste SPD-Finanzminister seit der Wiedervereinigung werden. Die folgende Tabelle zeigt die letzten zehn Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland:
Minister | Partei | Amtszeit |
---|---|---|
Jörg Kukies | SPD | seit 7. November 2024 |
Christian Lindner | FDP | 8. Dezember 2021 bis 7. November 2024 |
Olaf Scholz | SPD | 14. März 2018 bis 8. Dezember 2021 |
Peter Altmaier | CDU | 24. Oktober 2017 bis 14. März 2018 (kommissarisch) |
Wolfgang Schäuble | CDU | 28. Oktober 2009 bis 24. Oktober 2017 |
Peer Steinbrück | SPD | 22. November 2005 bis 28. Oktober 2009 |
Hans Eichel | SPD | 12. April 1999 bis 22. November 2005 |
Oskar Lafontaine | SPD | 27. Oktober 1998 bis 18. März 1999 |
Theo Waigel | CSU | 21. April 1989 bis 27. Oktober 1998 |
Gerhard Stoltenberg | CDU | 4. Oktober 1982 bis 21. April 1989 |
Alle bisherigen Finanzminister – mit Ausnahme von Peter Altmaier in seiner kommissarischen Rolle – hatten entweder direkte finanzpolitische oder wirtschaftliche Expertise oder langjährige praktische Erfahrung in Haushaltsführung und Verwaltung vorzuweisen. Lars Klingbeil würde im Vergleich – auf Grundlage der Lebensläufe – deutlich abfallen, da er bisher keine spezifische Qualifikation oder praktische Erfahrung in diesem Bereich besitzt.