Lebensversicherungen Versicherer spüren neues Leben in der Zinswüste
Die Zinsen sind zurück: Erstmals nach elf Jahren hat die Europäische Zentralbank ihren Leitzins angehoben. Damit steigen auch die Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen, Pfandbriefen oder auch Hypothekendarlehen. Alles Wertpapiere, in die Deutschlands Lebensversicherer das Geld ihrer Kunden Anfang vorigen Jahres zu 82,5 Prozent investiert hatten.
Deren Marktzinsen gehen bereits seit etwa einem Jahr stetig nach oben. Während beispielsweise die Rendite einer zehnjährigen Bundesanleihe im August 2021 noch bei minus 0,5 Prozent lag, notiert sie mittlerweile bei über einem Prozent. Damit erreicht sie wieder den höchsten Stand seit Mitte 2015.
Die steigenden Zinsen erhöhen auch die finanzielle Stabilität der deutschen Lebensversicherer. Im Branchendurchschnitt stieg das Verhältnis von Eigenmitteln der Gesellschaften zu ihren zukünftigen Kapitalanforderungen. Diese Solvenzquote soll laut Gesetz mindestens 100 Prozent betragen, was im Vorjahr auch jeder der 80 Anbieter mühelos schaffte.
„Der Zinsanstieg schlägt sich spürbar positiv in den Solvenzquoten der Versicherer nieder“, stellt Guido Bader von der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) fest. „Wir erwarten für das erste Quartal 2022 noch einmal deutlich bessere Werte als zum Ende 2021“, so der Vorstandsvorsitzende beim Lebensversicherer Stuttgarter weiter.
Unsicherheitsfaktor Ukraine
Ursache dafür ist weniger ein höherer Zähler in der Bruchrechnung, denn die Eigenmittel werden nun kaum besser verzinst. Doch der Nenner sinkt: „Vor allem das gegenüber dem Jahr 2020 gestiegene Zinsniveau hat zu geringeren Solvenzkapitalanforderungen geführt. Laut den Berichten der Versicherer hat dies ihre Solvenzquoten am stärksten beeinflusst“, erklärt Henning Kühl.
Für den Leitenden Aktuar bei der Frankfurter Policen-Direkt-Gruppe, die rund 12.000 Lebensversicherungen verwaltet, sind diese Zahlen „ein wichtiges Signal für die Zukunftsfähigkeit der Lebensversicherer und geben sichere Anhaltspunkte dafür, wie krisenfest die Gesellschaften sind“.
Hallo, Herr Kaiser!
Die für die Bonner Versicherungsaufsicht relevante Solvenzquote stieg inklusive der möglichen Bilanzierungshilfen 2021 branchenweit um 137,3 Prozentpunkte auf 518,5 (siehe Tabelle oben). Den höchsten Wert verzeichnete die SV Sparkassenversicherung mit 1.125,5 Prozent.
Ebenfalls jeweils vierstellig sind die Kennzahlen der drei Mitbewerber Provinzial Rheinland (1.014,4 Prozent), LVM (1.005,1) und R+V (1.002,2). Sie übersteigen den gesetzlich geforderten Anteilswert somit um das Zehnfache, berichten die Autoren des Map-Reports.
Zum Vergleich: Im von der Corona-Krise geprägten Vorjahr erreichte das kein einziger Versicherer. Und im Gegensatz zu 2020 liegt heute ebenfalls keines der Unternehmen mehr unter der 200-Prozent-Marke.
Möglich sind diese guten Daten aber nur mithilfe der Volatilitätsanpassungen und Übergangsmaßnahmen, die Versicherer noch bis 2031 nutzen können. Das betont Axel Kleinlein, ehemaliger Vorstandssprecher beim Bund der Versicherten.
Deutsche Verbraucher dürften nun nicht damit rechnen, dass ihre Lebensversicherer kurzfristig steigende Überschussbeteiligungen ausweisen. Denn mit den höheren Marktzinsen entstehen in den handelsrechtlichen Bilanzen der Versicherer auch so genannte stille Lasten: „Erst mittel- bis langfristig dürften die höheren Zinsen bei der Neu- und Wiederanlage der Beiträge den Versicherten in Form höherer Kapitalerträge zugutekommen.“