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Legende auf dem Prüfstand Nullzinsen und Anlagenotstand – reales Problem oder nur konstruiert?

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Negative Geldmarktrenditen nach Inflation, Steuern und Kosten sind also – wenn man sich die „Luxus-Asset-Klasse“ mit den geringsten Wertschwankungen und dem niedrigsten Stressfaktor gönnen möchte – die historische Regel und eben nicht die Ausnahme; sie sind keineswegs ein Phänomen nur der letzten Jahre, wie in der öffentlichen Diskussion immer wieder suggeriert wird. Etwas, das in den vergangenen rund 120 Jahren die meiste Zeit existierte, als „Notstand“ oder „neu“ zu bezeichnen, ist offensichtlich absurd.

Wer sich aus Angst vor Volatilität (Renditeschwankungen) oder aus mangelndem Wissen bei seinen Vermögensanlagen allein auf die Asset-Klasse risikoarme Geldmarktanlagen beschränkt – so wie es viele deutsche Haushalte tun – kann auf mittlere und lange Sicht nicht nur keinen Vermögenszuwachs erzielen, sondern wird damit langfristig eine allmähliche Vermögenserosion erleiden – dies allerdings bei geringstmöglichen Portfolioschwankungen. Das galt schon immer, nicht erst seit 2013.

Argument 2 – Die Theorie

Warum sind reale Nullrenditen, insbesondere nach Kosten und Steuern, in der risikoärmsten Asset-Klasse (kurzfristige Staatsanleihen höchster Bonität und Guthabenkonten unterhalb der gesetzlichen Einlagensicherungsgrenze) auch auf theoretischer Ebene als Normalfall zu betrachten? Ganz einfach deshalb, weil Rendite primär die Kompensation für Risiko ist. Wo kein erwartetes (in die Zukunft gerichtetes) Risiko besteht, kann es im langfristigen Zeitablauf auch keine positive Rendite geben – jedenfalls dann nicht, wenn man Inflation, Kosten und Risiko berücksichtigt. Warum sollte der Markt jemandem eine Belohnung (in Form einer Rendite) zahlen, der kein Risiko trägt?

Eine Abweichung von diesem simplen Investmentgrundgesetz wird im Rückblick nur dann eintreten, wenn sich ursprünglich vom Markt erwartete (eingepreiste) Risiken überraschenderweise nicht materialisierten (realisierten). Diesem günstigen Fall steht jedoch genauso häufig der ungünstige Fall gegenüber, in dem der Markt die tatsächlichen Risiken unterschätzte (sie ursprünglich per erwarteter Rendite zu gering bepreiste). Dann wird die realisierte Realrendite der risikofreien Anlage noch niedriger als im langfristigen Mittel sein. Wo es in der Zukunft die positiven und wo es die negativen Überraschungen geben wird, müsste man – um von diesem Mechanismus zu profitieren – systematisch richtig prognostizieren können, was wir für unmöglich halten. Die Verkäufer aktiv gemanagter Anlageprodukte und -strategien reklamieren aus naheliegenden Gründen natürlich seit jeher, dazu in der Lage zu sein. Ihr tatsächlicher Track Record deutet auf das Gegenteil hin.

Argument 3 – Die Nutznießer des „Anlagenotstands“

Die Legende vom Anlagenotstand kann auch auf einer anderen Ebene relativiert werden: Anleger in Aktien und Immobilien sowie Schuldner im Allgemeinen (einschließlich des größten Schuldners, dem Staat – also wir alle) haben in den vergangenen Jahren beträchtlich von den niedrigen Zinsen profitiert. Bei Schuldnern braucht das nicht näher erläutert werden; bei Aktien- und Immobilienanlegern besteht ebenfalls kein Zweifel, dass die außerordentlich hohen Renditen seit Anfang 2009 zu einem beträchtlichen Teil den niedrigen Zinsen geschuldet sind. Die Gruppe der Aktien- und Immobilienanleger zusammen mit der Gruppe der Schuldner dürfte in Deutschland und den meisten anderen vergleichbaren Staaten mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen.

Argument 4 – Der wichtige Vorteil risikoarmer Anlagen

Geldmarktanlagen haben – trotz letztlich dauerhafter Nullverzinsung – gerade in der gegenwärtigen Zeit den großen Vorteil, dass sie im Falle eines Zinsanstieges, der irgendwann kommen wird, aufgrund ihrer geringen Restlaufzeit nur äußerst geringe Kursverluste erleiden werden und die steigenden Zinsen quasi sofort „mitnehmen“. Wer dagegen wegen des vermeintlichen Anlagenotstandes naiv und gierig in eine der im folgenden Absatz genannten Pseudoalternativen mit höherem laufenden Ertrag umschichtet, läuft Gefahr, sich beim Zinsanstieg in der Zukunft einen doppelten Tiefschlag einzufangen: Starke Kursrückgänge und möglicherweise gleichzeitig Kursrückgange im risikobehafteten Portfolioteil (Aktien, Immobilien, Rohstoffe oder von ihnen abgeleitete Produktverpackungen wie Fonds, kapitalbildende Lebensversicherungen, Zertifikate usw.).

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