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Rüstung in ESG-Fonds: „Legitim, aber nicht nachhaltig“

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DAS INVESTMENT: Nachhaltigkeit scheint derzeit ein unpopuläres Thema zu sein – zumindest nach Auffassung von Vermittlerverbänden. So hat Votum vergangene Woche erklärt, die Abfragepflicht zu ESG-Präferenzen für zwei Jahre aussetzen zu wollen. Auch der AfW findet diesen Vorschlag gut. Was meinen Sie dazu?
Andreas Sutter: Dazu möchte ich etwas ausholen. Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Na...
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DAS INVESTMENT: Nachhaltigkeit scheint derzeit ein unpopuläres Thema zu sein – zumindest nach Auffassung von Vermittlerverbänden. So hat Votum vergangene Woche erklärt, die Abfragepflicht zu ESG-Präferenzen für zwei Jahre aussetzen zu wollen. Auch der AfW findet diesen Vorschlag gut. Was meinen Sie dazu?
Andreas Sutter: Dazu möchte ich etwas ausholen. Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen in der Agenda 2030 sollen auch in der EU umgesetzt werden. Die grundlegende Sinnhaftigkeit dieser Ziele ist wohl unbestritten, dennoch besitzen sie unweigerlich gewisse Unschärfen und Zielkonflikte untereinander. Das erschwert die notwenige Regulatorik, und hat auch für EU-Verhältnisse zu einer besonders umständlichen Bürokratie geführt.
Ich gebe Martin Klein vom Votum-Verband vollkommen Recht, dass bezüglich der ESG-Abfragepflicht für die Vermittler der zweite vor dem ersten Schritt getan wurde. Diese Pflicht wird verständlicherweise von den Vermittlern und Beratern nicht nur als bürokratisch, sondern auch als zutiefst lästig empfunden. Die Vermittler, bei denen es sich überwiegend um Klein- und Kleinstbetriebe handelt, müssen ja bereits eine Menge anderer Regulatorik schultern, deren Sinnhaftigkeit sich nicht immer erschließt.
Also macht die Votum-Forderung Sinn?
Sutter: Nicht unbedingt. Die Abfragepflicht für zwei Jahre auszusetzen – falls das überhaupt realistisch wäre – würde nur einen kurzfristigen Aufschub bedeuten. In der Zwischenzeit müsste an sinnvollen digitalen Prozessen gearbeitet werden, mit denen die Vermittler wirksam unterstützt werden. Außerdem besteht noch ein sehr großer Nachholbedarf an der Entwicklung nachhaltiger Produkte. Hier sind die Produktgeber und die Intermediäre gefragt. Das Thema ESG ist aber zurzeit wohl in der Tat zu unpopulär, als dass hier Bewegung ins Spiel kommt. Ein Aufschub ändert daran vermutlich auch nur wenig.
Manche Menschen sehen die Entwicklung der Nachhaltigkeit in der Finanz- und Versicherungsbranche als Gartner Hype Cycle, bei dem wir nun im „Tal der Enttäuschung“ angekommen seien. Sehen Sie das auch so?
Sutter: Beim Thema Nachhaltigkeit handelt es sich um mehr als einen Trend, der einen Art von Lebenszyklus hat. An den UN-Nachhaltigkeitszielen führt sicher kein Weg vorbei, soll unser Planet, unser Land und unsere Gesellschaft auch für die Kinder unserer Enkelkinder noch lebenswert sein. Ich denke, der Grund dafür, dass sich viele Unternehmen mit dem Thema noch schwertun, ist die hohe Komplexität der einzelnen Themen verbunden mit dem Kontext, der weit über die Grenzen des Unternehmens oder des Konzerns hinausgeht.
Außerdem treten Nachhaltigkeitsziele häufig mit anderen Unternehmenszielen in einen direkten Zielkonflikt. Zur sinnvollen Nutzung von KI beispielsweise gibt es für Unternehmen aktuell kaum Alternativen, will man denn dauerhaft wettbewerbsfähig und produktiv bleiben. Auf der anderen Seite ist die KI-Nutzung wegen der enormen Ressourcen, die in dafür in Anspruch genommen werden müssen, unter Umweltgesichtspunkten wenig nachhaltig. Es muss uns in Europa gelingen, mit dem richtigen Maß von Regulatorik und innovativen Ansätzen aus derartigen Zielkonflikten eine optimale, nachhaltige Lösung hervorzubringen. Das geht nicht ohne Anstrengungen und Fehlversuche. Einen „Hype“ erwarte ich dabei auf Sicht weniger.
Vor drei Jahren erklärte Silke Stremlau, damals Hannoversche-Kassen-Vorständin, im Interview mit DAS INVESTMENT, dass die Auffassung, dass Nachhaltigkeit Rendite kostet, grundlegend falsch sei. In Wirklichkeit sei es nämlich genau umgekehrt: Aufgrund der Kosten für Umweltstrafen, Nachjustierung bei neuen regulatorischen Anforderungen und ähnlichen Problemen, die auf Nicht-ESG-konforme Firmen zukommen, seien nachhaltige Firmen deutlich im Plus. Sehen Sie das auch so?
Sutter: Dieser Aussage stimme ich zu, sofern man von etwas ausgeht, das im Bereich Nachhaltigkeit eine große Bedeutung hat: ein ausreichend langer Betrachtungszeitraum. Kurzfristig profitieren oft noch diejenigen, die Regulatorik nach Feigenblatt-Manier umsetzen, oder die es auf kurzfristige Erfolge absehen. Nachhaltigkeit, insbesondere nachhaltige Unternehmensführung, ist eine Investition, die sich nicht am kurzen, sondern am langen Ende rentiert. Das bedeutet, dass auch die Shareholder in vielen Fällen umdenken müssen.
Inwiefern?
Sutter: Ein Beispiel aus unserer Beratungspraxis im Bereich der Geldwäscheprävention: Die konsequente und solide Verhinderung von Betrug und Geldwäschefällen, die Teil einer nachhaltigen Unternehmensführung sind, verursacht nicht nur Kosten, sie behindert auch gelegentlich den kurzfristigen Geschäftserfolg. Langfristig profitiert das Unternehmen aber von einer guten Kundenstruktur, eine ungebrochene Reputation und ersparten, oft hohen Folgeaufwänden im Umgang mit Ermittlungs- und Aufsichtsbehörden.
„Der Anstrich der Nachhaltigkeit blättert bei genauer Betrachtung“
Auch die Definition von Nachhaltigkeit und ESG lässt zu wünschen übrig. So hat die Allianz vergangene Woche Rüstungsaktien für nachhaltig erklärt. Was halten Sie von der Begründung, dass sich die Einstellung zum Verteidigungssektor in Europa nach dem anhaltenden Konflikt in der Ukraine und anderen geopolitischen Entwicklungen grundlegend gewandelt habe?
Sutter: Die Einordnung von Rüstungswerten in sogenannte Artikel 8-Fonds ist nach Taxonomie-Verordnung legitim, da diese Art von ESG-Anlagen nicht vollständig in nachhaltigen Werten investiert sein müssen. Damit diese Anlagen nun nicht den Anschein erwecken, gar nicht mehr ESG-konform zu sein, argumentiert die Allianz wohl damit, dass die Investition in Verteidigung ja auch irgendwie nachhaltig sein. Der Anstrich der Nachhaltigkeit blättert aber bei genauer Betrachtung.
Und warum?
Sutter: Ein wesentliches Nachhaltigkeitsprinzip nach EU-Taxonomie lautet „Do No Significant Harm“, übersetzt: „Verursache keinen signifikanten Schaden“. Damit sollen Maßnahmen nicht nur als positiv gelten, die einen wie immer gearteten positiven Nachhaltigkeitseinfluss haben, sondern sie dürfen auch keine negativen Auswirkungen auf andere Umweltziele haben. Damit soll verhindert werden, dass Maßnahmen nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“ getroffen werden.
Rüstungsgüter dienen zwar der Verteidigung, was in der aktuellen geopolitischen Lage zweckmäßig erscheint. Doch die Umweltschäden, die Waffen jeder Art anrichten können, sind in jedem Fall signifikant. Diese Logik erschließt sich auch dem gesunden Menschenverstand. Ob die Investition in Aufrüstung sinnvoll ist, kann diskutiert werden. Nachhaltig ist diese Investition in keinem Fall.
Bei einer Umfrage zu diesem Thema in einer Facebook-Vermittlergruppe erklärte ein Vermittler, wer freiwillig in Rüstung investiere, sollte sich auch nicht über einen Einberufungs-/Musterungsbescheid nicht ärgern. Was halten Sie von dieser Aussage sowie von der derzeit diskutierten Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht?
Sutter: Den Zusammenhang zwischen einer Investition in Rüstung und dem Thema Einberufung sehe ich nicht. Diese plakative Aussage werte ich so, dass man durchaus in Frage stellen darf und muss, ob Aufrüstung wirklich Frieden schafft oder eher die Gefahr eines Krieges wahrscheinlicher macht. Für beides lassen sich Argumente finden, und historische Parallelen tun sich auf, die aber auch nie völlig passend sind.
Wie wahrscheinlich jeder Vater und Großvater möchte ich nicht, dass meine Kinder oder Enkelkinder jeglichen Geschlechts zum gefährlichen Dienst an der Waffe gezwungen werden. Das sollte meiner Meinung nach eine freiwillige Angelegenheit bleiben.
Wie sollte Deutschland dann seine Verteidigungsfähigkeit sicherstellen?
Sutter: Die Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht, wie immer sie dann ausgestaltet ist, verursacht in jedem Fall erhebliche Kosten und lässt sich nicht ad hoc umsetzen. Geht man davon aus, dass der Bundeswehr in großer Zahl Personal fehlt, müsste man meines Erachtens zunächst andere Möglichkeiten abwägen. Was muss eine Organisation in Anbetracht eines Fachkräftemangels unternehmen?
Da fallen mir viele Möglichkeiten ein, angefangen damit, die fraglichen Tätigkeiten attraktiver zu gestalten, vom Weiterbildungsangebot über Karrieremöglichkeiten bis hin zum Gehalt. Wenn ich es richtig beobachte, sind diese Themen auch nötig, um gewonnenes Personal dauerhaft zu halten. Vermutlich muss die Bundeswehr nicht nur technisch, sondern auch in ihren Strukturen modernisiert werden. Diesen besonderen Fachkräftemangel mit einer gesetzlichen Pflicht abhelfen zu wollen, spricht, wie ich finde, nicht für den Ideenreichtum der Politik.
Über den Interviewten:
Andreas Sutter ist Abteilungsleiter (Director) bei Disphere Protect, der Datenschutz-Einheit beim digitalen Vermarktungsspezialisten Disphere Interactive. Er leitet ein Team von Juristen, Datenschutz-, Geldwäsche- und Informationssicherheitsbeauftragten, die sich hauptsächlich um Compliance-Themen in der Versicherungsbranche kümmern.



