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Leiter Kapitalmarktanalyse bei AGI im Interview Ist das schon Helikoptergeld, Herr Naumer?

Hans-Jörg Naumer, Leiter Kapitalmarktanalyse von Allianz Global Investors. Rechts: Sterntaler
Hans-Jörg Naumer, Leiter Kapitalmarktanalyse von Allianz Global Investors. Rechts: Sterntaler | Foto: Renate Kalloch/pixelio.de

DAS INVESTMENT.com: In diesem Jahr geisterte immer wieder das Schlagwort „Helikoptergeld“ durch die Finanzwelt. Die EZB wird weiterhin Anleihen kaufen, ein Ende ist noch nicht abzusehen. Was würden Sie sagen: Haben wir jetzt schon Helikoptergeld – oder kommt es möglicherweise noch?

Hans-Jörg Naumer: Ich sage nicht, dass es kommen wird, aber es hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Die Diskussion um Helikoptergeld ist allerdings noch eine eher akademische Debatte.

Es wird wohl kein Geld aus einem Helikopter geworfen – obwohl das so kurz vor Weihnachten eine nette Vorstellung ist.

Naumer: Es ist das alte Bild von Milton Friedman. Er wollte damit zeigen: Wenn man Geld aus dem Helikopter regnen lässt, ändert sich gar nichts, lediglich die Preise steigen. Es kommt eine riesige Inflation. Das ist wie ein Warnsignal. Der ehemalige Fed-Chef Ben Bernanke hat es später ganz anders interpretiert. Nach seiner Erwartung sollten die Menschen, wenn es Geldscheine regnet, in einen Konsumrausch verfallen. Faktisch sieht Helikoptergeld aber so aus, dass dadurch Staatsausgaben finanziert werden sollen und nicht unmittelbar der private Konsum. Das vergisst man in der aktuellen Debatte immer. Da bezieht man es immer auf die Konsumseite. Sie werden also nicht morgens aufwachen und es liegt Geld auf der Straße.

Eigentlich schade …

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Naumer: Da können wir froh sein, das wäre wirklich das Ende von Stabilität bei Geld und Wirtschaft. Das sind die Kollateralschäden, an die keiner denkt. Aber an was man eben denkt – und das ist in der akademischen Debatte weit verbreitet und wird hier teilweise auch propagiert: Der Staat bucht seine Schulden auf die Zentralbankbilanz um. Und die Zentralbank überlegt sich dann, irgendwann alles auszubuchen, weil der Kupon sowieso niedrig ist. Das ist dann im Prinzip nichts anderes als eine Luftbuchung. Die Zentralbank könnte das in der Tat machen, weil sie auch mit einer negativen Bilanzsumme rechnen kann – im Gegensatz zu jeder anderen Bank. Dann erhofft man sich, dass die Finanzminister mit dem gedruckten Geld zum Beispiel Straßen und überhaupt die Infrastruktur ausbauen können.

Ist denn das Geld, das die Notenbanken in der Eurozone oder in Japan in Umlauf bringen, schon Helikoptergeld?

Naumer: In Japan, meine ich, haben wir schon Helikoptergeld. Der einzige Käufer von Staatsanleihen ist mittlerweile die Bank of Japan. Sie hält das komplette Renditeniveau bei Anleihen unter Kontrolle. Japan ist  längst auch im negativen Zins-Territorium angekommen. Die Zentralbank ist zur Staatsbank geworden, die mit ihren tiefen Taschen einfach die Staatsanleihen aufkauft. Sie legt sie zwar nicht still, aber hält sie. Die Stilllegung wäre dann nur noch ein weiterer Schritt. Bisher zeigen sich aber auch kaum positive Wirkungen für das Wachstum.

Wie sehen Sie die Situation in der Eurozone? Die EZB hat ihr Anleihen-Kaufprogramm eben erst verlängert.

Naumer: Ich erwarte, dass die Staatsanleihen, die die EZB kauft, auch wieder zurückgenommen werden. Das heißt, die Finanzminister werden sie bedienen müssen. Wenn aber der  Kupon auf null heruntergesetzt und die Staatsschuld auf 30, 40, 50 Jahre prolongiert würde, damit bei der Zentralbank noch etwas im Buch steht, auch wenn es faktisch wertlos ist: Dann kann man es bilanztechnisch auch gleich abschreiben. Wenn das passieren würde, hätten wir Helikoptergeld. Das wäre für mich aber ein klarer Verfassungsverstoß. Die EZB hat nicht den Auftrag, die Staaten zu finanzieren.

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