Volkswirt Andreas Busch
Kommt die Leitzinswende in den USA schneller als gedacht?

Volkswirt Andreas Busch
Die Fed hat bis zuletzt betont, dass die Geldpolitik zur Eindämmung der immer noch zu hohen Inflation lange Zeit klar restriktiv bleiben muss. Für das kommende Jahr werden daher von den Währungshütern allenfalls geringfügige Leitzinssenkungen ins Auge gefasst. Sie sollen verhindern, dass die langsam nachgebende Inflation zu noch weiter steigenden Realzinsen führt.
Die Akteure an den Geldterminmärkten sehen das ähnlich, auch wenn sie mit etwas umfangreicheren Zinssenkungen als die Fed rechnen. Demnach sollen die Leitzinsen bis zur Mitte des kommenden Jahres um rund 50 Basispunkte und bis Ende 2024 um rund 100 Basispunkte gesenkt werden (Stand 21. November). Ist solch eine stetige, aber lediglich moderate Lockerung der Geldpolitik plausibel?
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Die Fed hat bis zuletzt betont, dass die Geldpolitik zur Eindämmung der immer noch zu hohen Inflation lange Zeit klar restriktiv bleiben muss. Für das kommende Jahr werden daher von den Währungshütern allenfalls geringfügige Leitzinssenkungen ins Auge gefasst. Sie sollen verhindern, dass die langsam nachgebende Inflation zu noch weiter steigenden Realzinsen führt.
Die Akteure an den Geldterminmärkten sehen das ähnlich, auch wenn sie mit etwas umfangreicheren Zinssenkungen als die Fed rechnen. Demnach sollen die Leitzinsen bis zur Mitte des kommenden Jahres um rund 50 Basispunkte und bis Ende 2024 um rund 100 Basispunkte gesenkt werden (Stand 21. November). Ist solch eine stetige, aber lediglich moderate Lockerung der Geldpolitik plausibel?
Das hängt vom Konjunkturverlauf ab. Sollte es wie vom Konsensus erwartet zu einem Soft Landing bei weiter nachgebender Inflation kommen, wäre ein derartiges Szenario denkbar. In unseren Augen sind aber aus zwei Gründen Zweifel angebracht. Erstens wächst mit einer nur wenig an Schwung verlierenden Wirtschaft das Risiko, dass die Inflation erkennbar über dem Zwei-Prozent-Ziel der Notenbank verharrt. Entsprechend würde der Druck auf die Notenbank zunehmen, anders als von den Terminmärkten erwartet, die Leitzinsen sogar weiter anzuheben.
Zweitens sehen wir aber vor allem die unterstellte weiche Landung der Wirtschaft als sehr unwahrscheinlich an. Denn laut unseren weit vorauslaufenden Frühindikatoren wird der kräftigste Zinsanstieg seit vier Jahrzehnten seine volle konjunkturelle Bremswirkung erst in den kommenden Quartalen entfalten.
Schon jetzt geben beispielsweise die privaten Haushalte einen so großen Teil ihrer Löhne und Gehälter für Zinszahlungen auf Konsumentenkredite aus wie zuletzt vor knapp 16 Jahren. Und bei Hypothekenkrediten, die mit rund zwei Dritteln den größten Teil der Schulden der Verbraucher ausmachen, steht das böse Erwachen wegen der längeren Zinsbindung erst noch bevor.
Mittelfristig spricht daher vieles dafür, dass der Konsum in deutlich raueres Fahrwasser gerät. Gleichzeitig werden die Unternehmen nicht umhinkommen, wegen der gestiegenen Finanzierungskosten ihre Investitionen zurückzufahren. In diesem Umfeld wird schliesslich auch der US-Arbeitsmarkt als letzter Fels in der Brandung ins Wanken geraten (siehe Abbildung 1). Eine Rezession bleibt damit in unseren Augen das wahrscheinlichste Szenario.
Die Fed würde durch diese Entwicklung eindeutig auf dem falschen Fuss erwischt. Die Währungshüter sehen in einer Rezession aktuell lediglich ein Risiko und gehen stattdessen bis Ende kommenden Jahres von einer kaum steigenden Arbeitslosigkeit aus. Sollte also die US-Wirtschaft wie von uns erwartet ein Hard Landing vollziehen, wird die Notenbank den Kurs ändern müssen. Um Vollbeschäftigung zu erreichen – das zweite Ziel der Fed neben Preisniveaustabilität – wird sie die Geldpolitik zügig lockern.
Wir rechnen schon ab dem Frühjahr des kommenden Jahres mit Leitzinssenkungen um mindestens 150 Basispunkte. Im historischen Vergleich wäre das für eine Rezession außergewöhnlich wenig (siehe Abbildung 2) – das Risiko zu unserer Prognose liegt daher in sogar noch stärkeren Lockerungen.
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