Betriebsschließung wegen Corona
Gericht bestätigt erneut Versicherungsschutz
Klagen von Geschäftsleuten gegen Betriebsschließungsversicherer, die nicht für die wirtschaftlichen Ausfälle in der Pandemie aufkommen wollen, beschäftigen aktuell viele Gerichte. Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke von der Kanzlei Jöhnke & Reichow stellt einen Fall vor, in dem sich eine Hotelbetreiberin vor dem LG Darmstadt erfolgreich durchsetzte.
Geschlossene Gastronomie in Frankfurt: Die Corona-Pandemie verursacht Betreibern von Hotels und Gaststätten einen immensen wirtschaftlichen Schaden. | Foto: imago images / Jan Huebner
Die Klägerin ist Betreiberin eines 4-Sterne-Wellnesshotels mit hoteleigenem Gourmet-Restaurant. Sie beherbergt ausschließlich touristische Übernachtungsgäste, denen auch das Restaurant hauptsächlich vorbehalten ist. Bei der beklagten Versicherung unterhält die Klägerin eine Betriebsschließungsversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden infolge Infektionsgefahr (Betriebsschließung) AVB-BS, sowie die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für Versicherungen von Betrieben gegen Schäden infolge Infektionsgefahr (Betriebsschließung) BBR-BS.
Ab dem 18. März 2020 hielt die Klägerin ihren Betrieb vollständig geschlossen – auf Anordnung durch die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege und ab dem 27. März 2020 durch die zeitlich unmittelbar anschließende Bayerische Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie (BayIfSMV). Eine außergerichtliche...
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Die Klägerin ist Betreiberin eines 4-Sterne-Wellnesshotels mit hoteleigenem Gourmet-Restaurant. Sie beherbergt ausschließlich touristische Übernachtungsgäste, denen auch das Restaurant hauptsächlich vorbehalten ist. Bei der beklagten Versicherung unterhält die Klägerin eine Betriebsschließungsversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden infolge Infektionsgefahr (Betriebsschließung) AVB-BS, sowie die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für Versicherungen von Betrieben gegen Schäden infolge Infektionsgefahr (Betriebsschließung) BBR-BS.
Ab dem 18. März 2020 hielt die Klägerin ihren Betrieb vollständig geschlossen – auf Anordnung durch die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege und ab dem 27. März 2020 durch die zeitlich unmittelbar anschließende Bayerische Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie (BayIfSMV). Eine außergerichtliche Regulierung lehnte die Versicherung ab, daher klagte die Versicherungsnehmerin vor dem LG Darmstadt.
Das LG Darmstadt gab der Klage statt: Die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung der Versicherungsleistung gemäß Paragraf 1 Nr. 1 a in Verbindung mit Paragraf 2 Nr. 3 a AVB-BS. Denn es handle sich um einen Versicherungsfall im Sinne von Paragraf 1 Nr. 1 a AVB-BS – also eine behördliche Betriebsschließung aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) wegen des Auftretens einer meldepflichtigen Krankheit.
Wortlaut der Versicherungsbedingungen
§ 1 Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren
Versicherungsumfang
„Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt.“
§ 1 Nr. 2 AVB-BS regelt meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger:
„Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: (...)“
Corona-Virus inbegriffen
Das LG Darmstadt führte zunächst aus: Bei dem neuartigen Corona-Virus handele es sich um eine meldepflichtige Krankheit beziehungsweise einen Krankheitserreger gemäß Paragraf 1 Nr. 2 AVB-BS. Die Formulierung „folgenden“ mit dem Verweis auf „im Infektionsgesetz in den Paragrafen 6 und 7 namentlichen genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ ist nach Auffassung der Kammer mehrdeutig – im Sinne von Paragraf 305c Abs. 2 BGB. Die Formulierung sei daher als dynamische Klausel zu verstehen - gemäß Paragraf 305c Abs. 2 BGB.
Maßgeblich für das Vorliegen einer Mehrdeutigkeit sei demnach, dass mindestens zwei Auslegungen der Klausel rechtlich vertretbar sind. Der Versicherte müsse darauf vertrauen können, dass sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Rahmen dessen halten, was bei Würdigung aller Umstände bei Verträgen dieser Art zu erwarten ist. Die Ansicht, dass ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer davon ausgehen könne, dass allein die nachfolgend im Einzelnen aufgezählten Infektionen und Erreger erfasst sein sollen, teilte die Kammer nicht.
Sie war vielmehr überzeugt: Der Versicherungsnehmer könne die Formulierung nicht nur als statischen Verweisung, sondern auch als dynamischen Verweisung auf das IfSG interpretieren. Es werde mithin auf das IfSG in seiner jeweils aktuellen Fassung verwiesen. Im streitgegenständlichen Paragraf 1 Nr. 2 AVB-BS stehe ausdrücklich nicht, dass etwa „nur die folgenden“ Krankheiten und Krankheitserreger versichert sein sollen.