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Licht und Schatten in Südamerika Bullenmarkt am Zuckerhut

Als Mitte Juni Brasilien und Venezuela in der Gruppenphase des Fußballturniers Copa América aufeinandertreffen, könnten die Voraussetzungen kaum unterschiedlicher sein. Brasiliens Mannschaft betritt nicht nur als haushoher Favorit den Rasen, sondern repräsentiert zudem die größte Volkswirtschaft Südamerikas mit 209 Millionen Bürgern und einem Bruttoinlandsprodukt von rund 2 Billionen Euro.

Venezuela kann dagegen zwar die weltweit größten Ölreserven ins Feld führen, angesichts der desolaten Wirtschaftslage des Landes aber ein schwacher Trost. Hinzu kommt, dass Sanktionen der USA gegen Energieausfuhren des Landes den Außenhandel hart treffen. Da Öl 95 Prozent des Exports ausmacht, nahmen die Geschäfte allein im Mai um 17 Prozent ab. „Tatsächlich befindet sich Venezuela inmitten einer humanitären Krise mit Blackouts, Hyperinflation und Massenarbeitslosigkeit“, berichtet Südamerika-Experte Alejandro Arevalo.

Der Anleihenspezialist von Jupiter Asset Management beziffert die derzeitige Teuerungsrate mit astronomischen 1.304.494 Prozent pro Jahr (siehe Tabelle rechts). Viele Anlageprofis halten Venezuela längst für eine Tabuzone. Auch Bürgerkrieg und US-Intervention sind mögliche Szenarien.

Brasilien dagegen gilt bei Investoren als neuer Star des Kontinents. Spätestens mit Amtsantritt von Präsident Jair Bolsonaro zum Jahreswechsel startete der Aktienmarkt kräftig durch (siehe Grafik unten). Dabei handelt es sich allerdings um Vorschusslorbeeren. Analysten zufolge erhoffen sich viele Wähler vom neuen Regierungschef ein Ende des wirtschaftlichen Missmanagements und der großen Haushaltsdefizite.

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„Bolsonaro dürfte nun mit den Themen Wirtschaft, Haushalt und Korruption alle Hände voll zu tun haben“, bestätigt Frederico Sampaio, Anlagechef von Franklin Templeton. Der Experte für brasilianische Aktien glaubt, die Börsen-Rally spiegle die Hoffnung der Anleger wider, dass der Politiker nun eine marktfreundliche Politik betreibt. An Protesten gegen den neuen starken Mann mangelt es allerdings auch nicht. Bolsonaro fiel bis in den Wahlkampf hinein immer wieder mit rechtsextremer Hetze auf und versprach, das Land am Zuckerhut von Homosexuellen und Kommunisten zu säubern.

Dass in Brasilien noch nicht alles Gold ist, was glänzt, belegen auch die hohen Zinsen der Staatsanleihen. Wer bereit ist, Bolsonaros Regierung für zehn Jahre Geld zu leihen, bekommt zurzeit einen Zinskupon von 7,7 Prozent jährlich. Dennoch handelt es sich um einen Rekordwert für Brasilien, so niedrig waren die Zinsen noch nie. 2008 lag die Rate bei knapp 18 Prozent. Damit es weitere Fortschritte gebe, müsse Bolsonaro nun seine Rentenreform durchsetzen, sagt Jupiter-Experte Arevalo: „Die Wirtschaft wird wahrscheinlich stagnieren, wenn der Kongress die Reform verzögert.“

Davon kann die gemessen am Bruttoinlandsprodukt vor Kolumbien und Chile zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas nur träumen: Argentiniens Produktion schmolz 2018 um 2,5 Prozent. Mit 47,6 Prozent Inflation rangiert das Land mit 44 Millionen Einwohnern direkt hinter Venezuela. Dies zwang Staatspräsident Mauricio Macri, ein Rettungspaket in Höhe von 50 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds in Anspruch zu nehmen und unpopuläre Sparprogramme anzukündigen.

Die argentinische Wirtschaft hat allerdings auch einen rasanten Aufstieg hinter sich: Der Leitindex Merval hat sich in den zurückliegenden fünf Jahren verfünffacht. Das Land profitiert dem Experten zufolge nun von seiner vielfältigen Wirtschaft mit niedrigen Schulden im Privatsektor. Im Fußball sind die Ergebnisse bekanntermaßen nicht so sicher vorherzusagen: Bei der Südamerika-Meisterschaft endet das Duell Brasiliens mit Venezuela mit einer großen Überraschung. Die Seleção kommt trotz aller Überlegenheit nicht über ein torloses Unentschieden hinaus.


Quelle: Morningstar

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