Steigende Preise Lohnt sich Offshore-Windkraft für Anleger bald nicht mehr?
Der Europäische Emissionshandel (EU-ETS) wurde 2005 zur Umsetzung des Klimaschutzabkommens von Kyoto eingeführt und ist seitdem eines der zentralen Klimaschutzinstrumente Europas. Neben den 27 EU-Mitgliedstaaten und Großbritannien haben sich auch Norwegen, Island und Liechtenstein dem Projekt angeschlossen. Im EU-ETS werden die Emissionen von etwa 11.000 Anlagen der Energiewirtschaft und der Industrie europaweit erfasst.
Umdenken bei Emittenten
Nachdem die EU 2020 ihr „Netto-Null“-Emissionsziel ankündigt hat, sind die Preise der Emissionszertifikate im ETS sukzessive gestiegen – alleine seit Jahresbeginn 2021 ging es um mehr als 30 Prozent aufwärts und kürzlich erreichten die Preise ein Allzeithoch von rund 40 Euro pro Tonne. Je höher der Preis für die Zertifikate ist, desto größer ist der Anreiz zur Dekarbonisierung durch die Umstellung auf erneuerbare Energien. Die Festsetzung eines Preises für die Kosten, die mit CO2-Emissionen verbunden sind, gehört somit zu den wichtigsten politischen Instrumenten der EU, um Klimaneutralität zu erreichen. Derzeit umfasst der ETS-Markt knapp 50 Prozent aller Emissionen.
Das Emissionshandelssystem hat gezeigt, dass eine Bepreisung von Kohlendioxidemissionen und ein Handel mit entsprechenden Emissionsrechten funktionieren kann. Denn: Die Emissionen der vom System erfassten Anlagen gehen zurück, weil viele Emittenten motiviert sind, ihre Ressourcen effizient umzuschichten. In anderen Worten: Auf sauberere Technologien und Produkte umzusteigen.
Ein neues Modell für die Kohlenstoffpreise
Dass die Preise sich derzeit auf hohem Niveau einpendeln, könnte so auch Anreiz zur Nutzung von grünem Wasserstoff schaffen, der mit Hilfe von erneuerbaren Energien erzeugt wird. Diese alternative Stromquelle wird bereits als Zukunft der Energiewende gehandelt.
Bis dahin muss die EU sicherstellen, dass durch ihre Bemühungen zur Verringerung der CO2-Emissionen nicht die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Industrie geschwächt wird. In diesem Zusammenhang versucht die Staatengemeinschaft, die Spekulationen von Anlegern an den Kohlenstoffmärkten einzuschränken. Gleichzeitig prüft sie, wie Importe aus Ländern ohne Kohlenstoffpreis-System mit Steuern belegt werden könnten, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
Offshore-Windenergie – hoher Ertrag oder zu kostspielig?
Beginnt in diesem Zuge auch eine neue Phase bei den Ausschreibungen für Offshore-Windkapazitäten? Die jüngste Auktion von Entwicklungsrechten für Offshore-Windkraftanlagen vor den Küsten von England und Wales lässt dies vermuten. Denn: Zum ersten Mal wurde auch das Recht versteigert, 60 Jahre lang den Meeresgrund zu nutzen, für eine Jahresgebühr von insgesamt 880 Millionen Britischen Pfund.
Ein Konsortium aus einem deutschen Energiekonzern und einem britischen Ölkonzern hat den Zuschlag für das Offshore-Projekt vor der Küste von Wales erhalten. Der Ölmulti war bereit, einen hohen Aufschlag zu zahlen, um auf dem Markt für Offshore-Windenergie Fuß zu fassen. Das Interesse der Big Oil-Unternehmen beginnt damit zu einem Zeitpunkt, an dem der gesellschaftliche Druck wächst. Die Öl-Giganten müssen sich von der Gewinnung und Produktion fossiler Brennstoffe abwenden und ihre Geschäftsmodelle anpassen, um am Markt zu überleben.
Die zusätzlichen Einnahmen aus den Offshore-Projekten kommen der britischen Regierung zwar zugute. Die Mehrkosten für die Nutzung des Meeresgrundes müssen letztendlich aber die Stromverbraucher, der Projektentwickler oder die Lieferanten zahlen – oder alle drei. Der durchschnittliche Strompreis könnte dadurch um rund 25 Prozent steigen oder, ebenfalls denkbar, die Renditen der Anbieter könnten sich halbieren.
Trotz der Kosten ist das Vereinigte Königreich derzeit der größte und dynamischste Offshore-Windmarkt weltweit. Die Stromerzeugung aus regenerativen Energiequellen beträgt hier aktuell knapp 10 Gigawatt (GW) – weitere 29 GW sind in Planung. Zudem soll die UN-Klimakonferenz 2021 – die wichtigste Tagung seit dem Treffen 2015 in Paris – im schottischen Glasgow stattfinden. Die Entwicklungen in Großbritannien werden daher aufmerksam verfolgt.
Mit den Kosten steigt die Skepsis
Sollte der Druck auf die Renditen allerdings zur Norm werden, könnte das den Übergang von fossilen hin zu erneuerbaren Energien gefährden. Die Zusatzkosten für die Nutzung des Meeresgrundes hätten schwerwiegende Folgen für die Wirtschaftlichkeit von Offshore-Windenergie im Vergleich zu Gasturbinenkraftwerken (GTKW). Auch der Übergang von Gas zu Strom wäre betroffen. Beide Veränderungen sind wichtige Säulen für die angestrebte Kohlenstoff-Emissionsfreiheit innerhalb der nächsten Jahrzehnte.
Nun stellt sich die Frage: Können die derzeitigen Marktführer des Offshore-Windenergiesektors angesichts der Auktion für die Nutzung des Meeresgrundes zukünftig neue Projekte erschließen, ohne dabei an Rentabilität einzubüßen?
Dazu sollten Investoren stets verfolgen, ob andere Regierungen dem Beispiel des Vereinigten Königreichs folgen und sich die Nutzung des Meeresgrundes ebenfalls bezahlen lassen. So könnten Staaten versucht sein, diesen Mitnahmeeffekt zur Aufbesserung ihrer Budgets zu nutzen, wodurch Investoren gezwungen sein könnten, bei den Unternehmen darauf zu bestehen, dass diese die angestrebten Renditen auch wirklich erzielen und Kapitaldisziplin zeigen.
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