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Jet-Zero-Strategien Wie die Dekarbonisierung des Luftverkehrs gelingen kann

Luftfahrtausstellung bei Berlin
Luftfahrtausstellung bei Berlin: Die Modernisierung der Flotten ermöglicht es den Fluggesellschaften, ihre Emissionen zu senken. | Foto: Imago Images / Rainer Weisflog

Fluggesellschaften und Investoren sind sehr daran interessiert, dass die Passagierzahlen nach der Pandemie wieder ansteigen. Damit nehmen zugleich aber auch die CO2-Emissionen zu. Der Luftverkehr trägt derzeit 2,5 Prozent zu den weltweiten CO2-Emissionen bei, doch könnte dieser Anteil bis 2050 auf 16 Prozent ansteigen, weil andere Sektoren ihren Kohlenstoffausstoß verringern, während sich die weltweiten CO2-Emissionen des Luftverkehrs aufgrund der gestiegenen Nachfrage voraussichtlich verdoppeln werden.

Der Luftfahrt fällt die CO2-Reduzierung schwer

Im Luftfahrtsektor sind CO2-Einsparungen kein leichtes Unterfangen. Während die Elektrifizierung der Infrastruktur am Boden und die Reduzierung von Abfällen die Emissionen insgesamt verringern können, wird der Großteil der CO2-Emissionen von Fluggesellschaften durch die Verbrennung von Kerosin verursacht. Wegen des starken Wettbewerbs in der Branche sind die Motoren schon jetzt oft hocheffizient; weitere Einsparungen lassen sich kaum bewerkstelligen. Der Beitrag des Sektors zur globalen Erwärmung wird durch die nicht kohlenstoffbedingten Klimaauswirkungen des Luftverkehrs noch verstärkt: Flugzeuge stoßen Stickoxide und Schwefeldioxid aus, verursachen damit die Bildung von Kondensstreifen und führen somit weitere Klimaauswirkungen herbei.

Nachhaltige Flugkraftstoffe sind die vielversprechendste Lösung

Es gibt eine Reihe von Lösungen, die für den Sektor erforscht werden, um die Emissionen aus der Verbrennung von Flugzeugtreibstoff zu reduzieren. Eine relativ einfache Lösung besteht darin, dass die Fluggesellschaften ältere Flugzeuge durch neuere, treibstoffsparendere Modelle ersetzen.

Die Boeing 737 MAX beispielsweise senkt den Treibstoffverbrauch und die CO2-Emissionen um 14 Prozent gegenüber den heutigen treibstoffeffizientesten Single-Aisle-Flugzeugen. Dies ist einer der Gründe, warum einige Billigfluggesellschaften einen kleineren CO2-Fußabdruck aufweisen als andere Fluggesellschaften – sie verfügen häufig über jüngere Flotten.

Die Modernisierung der Flotten ermöglicht es den Fluggesellschaften, ihre Emissionen zu senken. Aber um sich auf einen Dekarbonisierungspfad von 1,5 Grad Celsius einzustellen, sind drastischere Veränderungen erforderlich. Flugzeuge mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb und moderne Luftschiffe werden derzeit getestet, aber die Branche ist sich einig, dass Flugzeuge mit diesen Antriebssystemen erst in den 2030er-Jahren auf breiter Basis verfügbar sein und bis 2050 nur etwa 2 Prozent des Energieverbrauchs der Luftfahrt ausmachen werden. Diese alternativen Antriebssysteme können zudem lediglich auf Kurzstrecken den herkömmlichen Flugzeugtreibstoff ersetzen, auf sie entfallen derzeit 27 Prozent der CO2-Emissionen der Branche. Für den Großteil der Luftverkehrsemissionen, die auf Mittel- und Langstrecken entstehen, sind andere Lösungen erforderlich.

 

Neben den Bemühungen, die auf fossilen Brennstoffen basierenden Antriebssysteme zu ersetzen, geht es vor allem auch darum, die Nachfrage nach Flugreisen zu verringern. Einige Fluggesellschaften arbeiten mit Bahnbetreibern zusammen, um Reisende zu ermutigen, auf bestimmten Strecken kohlenstoffärmere Reiseoptionen zu nutzen. Einzelne nationale Regierungen erlassen bereits Vorschriften zu Kurzstreckenflügen. Wir unterstützen diese Bemühungen durch unser Engagement, beobachten aber, dass die Reaktion des Marktes auf die Bemühungen zur Nachfragesteuerung bestenfalls lauwarm ausfällt.

Die Luftfahrtindustrie konzentriert sich daher zunehmend auf SAF als den vielversprechendsten Hebel zur Dekarbonisierung. Prognosen zufolge lässt sich mit diesen Kraftstoffen fast die Hälfte der Dekarbonisierung erreichen, die notwendig ist, damit der Luftfahrtsektor bis 2050 Netto-Null vorweisen kann. SAF haben ähnliche chemische und physikalische Eigenschaften wie herkömmlicher Düsenkraftstoff. Sie können daher sicher mit Kerosin gemischt werden, nutzen dieselbe Versorgungsinfrastruktur und machen keine Anpassungen von Flugzeugen oder Triebwerken erforderlich. SAF können über den gesamten Lebenszyklus hinweg bis zu 80 Prozent weniger CO2-Emissionen verursachen als herkömmliches Kerosin. Außerdem dämmen sie die nicht kohlenstoffbedingten Klimaauswirkungen von Flugzeugen ein, indem sie die Bildung von Kondensstreifen verringern.

Die Anzahl der SAF-Herstellungsverfahren nimmt zu. Die meisten kommerziell erhältlichen SAFs werden heute aus Biomasse hergestellt, wobei die Umwandlung von Altspeiseöl den größten Teil des Weltmarkts ausmacht. In den USA dürfte die Umwandlung von Energiepflanzen in Ethanol zur Herstellung von Düsenkraftstoff kurzfristig den größten Teil des Marktes ausmachen, da die Vorschriften für Biokraftstoffe weniger stark reguliert sind als in der EU. Die nächste Generation von Biokraftstoffen wird von Unternehmen wie Velocys entwickelt, die Biokraftstoffe aus Hausmüll oder Waldabfällen herstellen können.

Bis 2030 erwarten die meisten Analysten indes, dass Power-to-Liquids (PtL)-Kraftstoffe in den Vordergrund treten. PtL-Kraftstoffe werden durch die Nutzung erneuerbarer Energien zur Erzeugung von grünem Wasserstoff und Kohlenstoff hergestellt, die zu einem synthetischen Kerosin kombiniert werden. Im Vergleich zu biogenen SAF konkurrieren PtL-Kraftstoffe nicht mit der landwirtschaftlichen Produktion um Flächen, erfordern einen geringeren Wassereinsatz und weisen eine bessere CO2-Bilanz auf. Ein Beispiel für eine Initiative in diesem Bereich ist das von der EU unterstützte „Sun to Liquid“-Verfahren.

Es bestehen erhebliche Hindernisse für die SAF-Nutzung

Trotz der beschleunigten Entwicklung der SAF-Technologien wird sich der Durchbruch von SAF als alternativer Treibstoff für den kommerziellen Einsatz noch um einiges verzögern. Der Hintergrund: SAF sind derzeit etwa drei- bis sechsmal teurer als herkömmlicher Düsenkraftstoff. Das stellt ein erhebliches Kostenhindernis für die breite Einführung von SAF dar, da Treibstoff 20 bis 30 Prozent der Gesamtkosten der Fluggesellschaften ausmacht, die mit notorisch niedrigen Gewinnspannen arbeiten.

Die Kostenbarriere wird durch angebotsseitige Beschränkungen noch verschärft: Im Jahr 2021 wurden weltweit rund 100.000 Tonnen SAF produziert. Prognosen zufolge muss das SAF-Angebot bis 2050 aber auf über 300 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen, um den Luftfahrtsektor auf das 1,5-Grad-Ziel zu bringen. Dieses notwendige steile Wachstum stellt eine immense Herausforderung dar:  Die Luftfahrtindustrie wird mit anderen Sektoren um Rohstoffe konkurrieren, die meisten PtL-Kraftstoffe befinden sich in einem frühen Entwicklungsstadium und das SAF-Angebot muss global verteilt werden, um die Nachfrage der Luftfahrt zu bedienen. SAF-Lieferanten brauchen darüber hinaus zum einen Zugang zu Finanzmitteln, um Pilotanlagen zu errichten und zu erweitern, und zum anderen langfristige Abnahmeverträge, um Preissicherheit zu gewährleisten.