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Makroausblick Lombard Odier IM Steht Europa vor einer „Japanisierung“?

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Ängstliche Bullen

Das für risikoreiche Assetklassen positive Bullen-Szenario basiert, insbesondere angesichts der jüngsten heftigen Kursbewegungen, auf der relativen Risikoprämie gegenüber Staatsanleihen. Ebenso wichtig ist das Vertrauen in die anhaltend positive Wirkung der Politik auf die Vermögenspreise, wenn nicht gar auf die wirtschaftlichen Ergebnisse, sowohl in den entwickelten Volkswirtschaften wie auch in China.

Im Fall Chinas ist der starke Anstieg der Verschuldung in einer Reihe heimischer Sektoren (insbesondere Lokalregierungen, Immobilien und Infrastruktur) augenscheinlich ein großes Thema. Um diese düstere Realität jedoch wegzuschieben, ist es wichtig, der politischen und ökonomischen Befehlsstruktur in China Beachtung zu schenken. Zum einen verfügt das Land über mehr als drei Billionen Dollar an liquiden Reserven verfügt. Dazu kommt, dass das Reich der Mitte laut den Daten von IIF in den vergangenen drei Jahren bereits Abflüsse von einer Billionen Dollar hinnehmen musste. Das weist darauf hin, dass auf globaler Ebene die Allokation gegenüber den Risiken in China bereits deutlich reduziert wurde.

Darüber hinaus hat das Land glaubwürdige Auffangmechanismen zur Verfügung, so lange der Wille der Regierung intakt bleibt. Die politische Ökonomie in China (wirtschaftliche Stabilität als ein Schlüsselpfeiler für sozialen Frieden) und die verfügbaren Politik-Instrumente (die über die nur konventionellen finanziellen und administrativen Möglichkeiten hinausgehen) sind ein wesentlicher Grund dafür, dass die derzeitige Situation zu einem dauerhaften Thema (wie auch in Europa) werden kann. Dadurch würde verhindert, dass die Situation zu einem einmaligen Ereignis wird, also einer schnellen und heftigen Krise wie 1997 und 2008.

Bullenszenario zeigt sich am europäischen Aktienmarkt am deutlichsten

Zusätzlich zu den Herausforderungen in China findet das Bullen-Szenario Unterstützung durch das globale disinflationäre Umfeld (sogar in den USA). Schließlich bedeutet das, dass andere wichtige Notenbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) oder die Bank of Japan noch expansiver werden müssen, um auf diese Weise den Kanal des Portfolio-Rebalancing zu reaktivieren. Dadurch werden Investoren gezwungen, zusätzliche Risikoprämien zu ernten, um ihre Ertragsziele zu erreichen.

Es scheint so, dass sich dieses Bullenszenario am europäischen Aktienmarkt am deutlichsten zeigt. Dort schafft das Zusammenspiel verschiedener Ereignisse einen soliden Rahmen für eine Erholung der Vermögenspreise: Die anhaltende graduelle wirtschaftliche Erholung, die lockeren Finanzierungsbedingungen, die Deflation, die die Zentralbank dazu zwingt, noch expansiver zu werden sowie weniger anspruchsvolle Bewertungen.

Nach sieben Jahren recht seichter globaler wirtschaftlicher Erholung infolge der großen Finanzkrise 2008/09 und den zunehmenden Zweifeln an der Effektivität der quantitativen Maßnahmen (gemessen an deren Wirkung auf die Realwirtschaft) gibt es für die Bullen, ähnlich wie für die Bären, gute Gründe, Befürchtungen gegenüber dem politikgetriebenen Bullenszenario zu hegen. Es gibt nämlich keine Knappheit an fundamentalen Sorgen.

„Wir bleiben negativ eingestellt“

Soweit es unsere eigene Einschätzung betrifft, gehen wir davon aus, dass der dominante Einfluss der Geldpolitik auf risikoreiche Anlagen nicht zu leugnen ist – auch wenn diese wenig erfolgreich darin war, die reale Wirtschaft anzuschieben. Wir denken auch, dass die Sensibilität der Notenbanker gegenüber den zugrundeliegenden Finanzierungsbedingungen unter den aktuellen Rahmenbedingungen recht hoch ist. Derzeit herrscht ein niedriges Produktivitätswachstum und niedrige Inflation, was weiterhin eine übermäßige Flaute in der weltweiten Konjunktur signalisiert.

Da die Fiskalpolitik nach wie vor nicht zur Verfügung steht, bleibt die Geldpolitik das entscheidende Bollwerk gegen eine Kehrtwende im Konjunkturzyklus, insbesondere in den entwickelten Volkswirtschaften. Und das scheint an dieser Stelle des Konjunkturzyklus langsam zum entscheidenden Ziel der Politiker zu werden. Wir sehen bereits Anzeichen dieser erhöhten Sensibilität gegenüber den Finanzierungsbedingungen. Bestes Beispiel ist die EZB, die vergangene Woche eine weitere Runde der Lockerung signalisierte, während von der US-Notenbank Fed erwartet wird, dass sie ihre taubenhafte Haltung in den kommenden Tagen, trotz des im Dezember gestarteten Zinserhöhungszyklus (dem ersten seit 2006), ausweiten wird.