Mark Mobius: Schwellenmarkt-Skeptiker brauchen andere Perspektive
Selbstverständlich werden manche Projekte in China scheitern, und es wird auch mal Probleme mit Schuldnern geben. Grundsätzlich gehen wir aber davon aus, dass China solide weiterwachsen kann – vor allem im Vergleich zu den meisten Industrieländern. Chinas Volkswirtschaft ist mittlerweile weltweit die zweitgrößte eines Einzellandes. Natürlich dürfte sich das Wachstum nach den früher zweistelligen Raten daher etwas verlangsamen. Für eine Volkswirtschaft dieser Größe ist ein Wachstum zwischen 7 und 8 Prozent wie es viele Prognostiker vorhersagen, kaum beunruhigend.
In Asien pumpt ferner Japan recht schnell Geld ins System. Ein großer Teil davon könnte unseren Erwartungen nach in Südostasien landen. Länder wie Vietnam, die Philippinen, Thailand, Kambodscha, Malaysia, Singapur und Indonesien könnten davon profitieren.
Über Indien wurde in letzter Zeit viel Negatives berichtet, doch trotz aller Probleme erscheint uns der aktuelle Wachstumskurs für dieses Jahr nach wie vor vielversprechend. Der Internationale Währungsfonds setzt für 2013 über 5 Prozent Wachstum an, womit Indien die meisten Industrieländer immer noch in den Schatten stellt. Unserer Ansicht nach könnten die Wahlen im Frühjahr 2014 manche der Probleme des Landes lösen. Aus unserer Sicht eröffnen Herausforderungen häufig Anlagechancen – allerdings nicht immer dort, wo man sie erwarten würde. So glauben Sie vielleicht, dass die Schwäche der indischen Währung für den Aktienmarkt schädlich ist. Es gibt aber Unternehmen, die daraus Kapital schlagen könnten. Ein Beispiel dafür wäre ein Outsourcing-Spezialist, der hauptsächlich außerhalb Indiens Geschäfte macht. Ihm entstehen Kosten in Rupien, Erträge aber in US-Dollar. Eine schwache Rupie und ein stärkerer Dollar wären für so ein Unternehmen ausgesprochen vorteilhaft.
Eine globale Aufschwung-Story
Selbst mitten in der Schuldenkrise vor ein paar Jahren hatte ich den Eindruck, dass sich Europa früher oder später erholen würde. Ich rechnete mit einem langsamen, durchdachten Prozess, doch am Ende mit einem Aufschwung. Diesen erleben wir unseres Erachtens gerade in Europa. In den osteuropäischen Schwellenländern brachte langsameres Wachstum infolge der Krise Wandel und Reformen, die mitunter drastisch ausfielen. In unseren Augen könnte sich Osteuropa auch weiterhin positiv entwickeln. Wenn die Ölpreise weiter anziehen, wäre das natürlich ein potenzieller Vorteil für Russland als größten Schwellenmarkt der Region.
Doch Veränderungen betreffen nicht nur große Länder. Im September reiste ich in das kleine osteuropäische Land Georgien, indem sich ein rascher Wandel vollzieht. Korruption war dort ein Problem, das weitgehend bekämpft wurde. Im ganzen Land wurde viel gebaut, und die Menschen wirkten ausgesprochen zuversichtlich.
Mit Blick auf das globale Bild sind wir einigermaßen optimistisch. Die Erholung in Europa ist offenbar im Gang. In den USA sollte die Weiterführung der quantitativen Lockerungen der Fed das Wachstum in vielen anderen Teilen der Welt ankurbeln und Japan ist entschlossen, seine Konjunktur durch ein eigenes ehrgeiziges geldpolitisches Programm zu beleben. Wir gehen davon aus, dass die aktuelle Liquiditätsflut vielen Schwellenmärkten weltweit zugute kommen sollte. So könnten in Lateinamerika Länder wie Brasilien, Chile und Kolumbien, deren Leistungsbilanzdefizite zunehmen, durch dringend benötigte Investitionszuflüsse Vorteile genießen. Auch Mexiko wirkt aufgrund seiner Nähe zur US-Wirtschaft gut aufgestellt, um von auflebenden Handels- und Kapitalflüssen zu profitieren.
Bislang verlief dieses Jahr für die Schwellenmärkte zugegebenermaßen nicht reibungslos. Im ausgehenden zweiten und auch noch im dritten Quartal wurden Mittel von den Aktien- und Rentenmärkten der Schwellenländer abgezogen. Wir sind jedoch überzeugt, dass sich die letzten Abflüsse als vorübergehend erweisen. Es ist nicht nur nach wie vor viel Liquidität im System, sondern die erfolgten Abflüsse lassen uns vermuten, dass viele Anleger ihre Gewichtungen in Schwellenländern zurückgefahren haben. Ich sage nicht, dass nun jeder seine Allokationen in Schwellenmärkten erhöhen wird oder sollte, halte es aber durchaus für möglich, dass viele ihre Portfolios neu gewichten, wenn sich die Marktstimmung bessert.