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Martin Brückner von First Private übers neue „Öl“ für Quant

Während viele Vermögensverwalter noch über den Einsatz von künstlicher Intelligenz diskutieren, nutzt Martin Brückner von First Private bereits seit einem Jahrzehnt Machine-Learning-Modelle. Was zunächst als Evolution der klassischen Quant-Strategien begann, hat sich zu einem hochkomplexen Analysesystem entwickelt, das weit über traditionelle Kennzahlen hinausgeht.
Der Partner und Investmentchef...
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Während viele Vermögensverwalter noch über den Einsatz von künstlicher Intelligenz diskutieren, nutzt Martin Brückner von First Private bereits seit einem Jahrzehnt Machine-Learning-Modelle. Was zunächst als Evolution der klassischen Quant-Strategien begann, hat sich zu einem hochkomplexen Analysesystem entwickelt, das weit über traditionelle Kennzahlen hinausgeht.
Der Partner und Investmentchef der Frankfurter Fondsboutique treibt diese Entwicklung maßgeblich voran. Im Interview mit DAS INVESTMENT erklärt er, warum quantitative Strategien gerade in herausfordernden Marktphasen ihre Stärken ausspielen.
DAS INVESTMENT: Herr Brückner, politische und geopolitische Unsicherheiten bestimmen die Märkte. Wie gehen Sie bei First Private mit solchen Entwicklungen um?
Martin Brückner: Politische oder makroökonomische Themen sind für uns als Quants normalerweise nicht primär relevant. Wir konzentrieren uns auf modellgetriebene Titel-Selektion und haben in jüngster Zeit auch taktische Asset-Allokation mittels Machine-Learning-Modellen implementiert. Dabei schauen wir auf kurzfristige Zusammenhänge, die auf Marktdaten basieren – nicht auf nachrichtengetriebene politische Trends. Es gibt diesen alten Spruch „Politische Börsen haben kurze Beine“ – und da ist auch etwas dran. Es ist oft nicht verkehrt, diese großen Themen häufiger zu ignorieren.
Wie würden Sie Ihre Performance zuletzt einschätzen?
Brückner: Die absolute Performance war im Bullenmarkt natürlich für die meisten wie auch für uns gut. Allerdings sind für uns oft die Jahre, die für die Mehrheit schwierig sind, die besseren Jahre. 2022 war für uns sehr gut, während 2023 und 2024 nicht überdurchschnittlich waren. Als Quant hat man häufig valuegetriebene Aktienselektionskriterien im Modell, die in einem Markt für Wachstumstitel, Krypto-Themen und ähnliche Trends, wie wir sie 2024 gesehen haben, eher hinderlich sind. Das war nicht das optimale Umfeld für uns.
In Ihren Modellen spielen Value-Faktoren eine wichtige Rolle. Wie integrieren Sie diese in Ihre quantitativen Ansätze?
Brückner: Traditionelles Quant kommt aus der Finanzmarkt-Anomalie-Forschung und ist sehr Bilanzkennzahlen-getrieben. Die ursprünglichen Anomalien waren Dinge wie niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis oder günstige Bewertung auf Basis von Gewinnen – typische Value-Kennzahlen, die viele Jahre lang konsistent zu Performance geführt haben.
In den letzten Jahren, wo wieder Technologieeuphorie und Wachstumszahlen dominieren, werden diese Faktoren nicht abgegriffen. Preis-Momentum-getriebene Themen, die auch bei uns in verschiedenen Modellen eine Rolle spielen, sind relevanter. Durch den zunehmenden Einsatz von Machine-Learning-Modellen, die datengetriebener und weniger theoretisch fundiert agieren, können wir inzwischen auch besser Titel finden, die Wachstumseffekte abbilden. Dadurch ist Value zwar immer noch wichtig, läuft aber nicht mehr so stark gegen uns wie noch vor zehn Jahren, als wir stärker an rein akademischen Überzeugungen festhielten.
KI revolutioniert derzeit viele Bereiche. Wie wird sie bei Ihnen eingesetzt?
Brückner: Für uns ist KI eine natürliche Evolution unserer quantitativen Prozesse. Ich habe bereits in den 1990er-Jahren während meines Studiums mit neuronalen Netzen gearbeitet. Es sind keine völlig neuen Themen, sie sind durch die gestiegene Rechenpower und die verfügbare Datenmenge nur relevanter geworden. Im Unterschied zu vielen, die jetzt auf den Hype aufspringen, haben wir bereits vor etwa zehn Jahren damit begonnen, KI zu implementieren.
Der Hauptunterschied zum traditionellen Quant ist, dass unsere Modelle nicht mehr so stark durch akademische Theorien getrieben sind, sondern eher datengetrieben funktionieren. Außerdem sind die Modelle jetzt dynamischer – sie passen sich ständig an, wenn neue Daten hereinkommen. Alle Parameter werden kontinuierlich neu berechnet, was eine bessere Anpassung an veränderte Marktumfelder ermöglicht. Zudem können wir viel mehr nichtlineare Zusammenhänge abbilden als früher mit linearer Regression oder einfachen Scoring-Modellen.

Sie erwähnten, dass KGV und KBV die „alten Zeiten“ repräsentieren. Was sind die neuen Kennzahlen?
Brückner: Bei den klassischen Finanzkennzahlen ist irgendwann die Grenze des Möglichen erreicht. Selbst bei traditionellen Kennzahlen hat sich einiges verändert. Beim Kurs-Buchwert-Verhältnis beispielsweise fließt vor allem das materielle Anlagevermögen ein. Inzwischen wird mehr als die Hälfte des Marktes von Firmen dominiert, deren Wert hauptsächlich auf immateriellen Anlagegütern und intellektuellem Eigentum basiert.
Um diese abzugreifen, nutzen wir Big Data. Es gibt Datenbanken, die zugänglich machen, wie viele Patente ein Unternehmen hat, wie viel in sie investiert wird oder wie wertvoll sie sind. Man kann quantitativ auswerten, wie oft ein Patent in anderen Dokumenten zitiert wird. All diese unstrukturierten Daten sind das neue „Öl“ für unsere Modelle.
Als CIO sind Sie für die Investmentstrategie verantwortlich. Wie stellen Sie sicher, dass diese marktrelevant und zukunftsorientiert bleibt?
Brückner: Ich bin vor allem für die Steuerung unserer internen Research-Projekte verantwortlich – wo Ressourcen allokiert werden und was neu entwickelt wird. Viele Inputs kommen aus dem Austausch mit Akademikern, Professoren oder dem Research großer Investmentbanken mit ihren Quant-Abteilungen. Dieser Austausch und das Filtern neuer Ideen ist relativ gleich geblieben, auch wenn sich die Methoden stark verändert haben. Der typische Quant-Research-Entwicklungsprozess folgt nach wie vor dem wissenschaftlichen Forschungsansatz: Hypothese bilden, Datensätze finden, testen, falsifizieren und dann entweder einsetzen oder verwerfen.
Wie blicken Sie auf die aktuelle Marktkonzentration in den USA mit extrem hoch bewerteten Firmen?
Brückner: Als aktiver Manager ist eine solche Konzentration in den großen Benchmark-Indizes grundsätzlich problematisch. Wenn drei, vier oder fünf Titel jeweils 5 bis 7 Prozent Gewicht haben und gerade diese am besten laufen, hat man bei einem breit diversifizierten Portfolio kaum eine Chance mitzuhalten. Die guten Zeiten für aktive Manager sind normalerweise die, in denen der Markt in der Breite läuft und nicht in der Spitze so konzentriert ist.
Als Quant haben wir gegenüber fundamentalen Häusern den Vorteil, dass wir in der Breite eines sehr großen Anlageuniversums gleichzeitig analysieren können. Wir können 10.000 Titel global mit denselben Methoden untersuchen und die ineffizient bewerteten Perlen finden. Dabei landet man häufig bei kleineren und mittleren Titeln der zweiten Reihe. Wenn nur die großen Titel laufen, hat man als Quant eher Gegenwind. Eine Umkehr dieses Trends würde uns sicherlich Rückenwind verschaffen, aber ob und wann das passiert, lässt sich schwer vorhersagen.
Wo liegen Ihrer Ansicht nach aktuell die Chancen?
Brückner: Was wir momentan superspannend finden und wo auch viel Nachfrage besteht, ist der Bereich Merger Arbitrage – also Positionierung bei Unternehmensübernahmen. Wenn ein Übernahmeangebot kommt und die Aktie des Übernahmeziels noch mit einem Abschlag zum Angebotspreis handelt, positionieren wir uns und entwickeln mittels quantitativer, Machine-Learning-basierter Modelle eine Einschätzung, ob die Übernahme zustande kommt oder etwa regulatorisch blockiert wird.
Dieses Segment bekommt durch den Regierungswechsel zu Trump Rückenwind, da die letzten vier Jahre unter dem harten Anti-Trust-Kurs sehr schwierig waren. Außerdem sehen wir weiterhin Bedarf bei Multi-Asset-Komplettlösungen und flexiblen Multi-Asset-Fonds, wo wir dem Kunden alle Probleme von der Asset-Allokation bis zur Einzeltitel-Selektion abnehmen.
Über Martin Brückner und First Private
Martin Brückner ist Partner und Chief Investment Officer (CIO) bei First Private Investment Management. Der 1974 geborene Investmentexperte verantwortet die Portfoliostrategie und ist für die Implementierung von Investmentstrategien verantwortlich. Brückner ist bereits seit einem Vierteljahrhundert bei First Private tätig. Der diplomierte Wirtschaftsinformatiker ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist in seiner Freizeit ein ambitionierter Tischtennisspieler.
First Private Investment Management ist eine unabhängige Investment-Boutique mit Sitz in Frankfurt am Main. Das Unternehmen wurde 1991 gegründet und beschäftigt aktuell rund 28 Mitarbeiter. Das verwaltete Vermögen (Assets under Management) beläuft sich auf etwa 2,8 Milliarden Euro, wovon rund 2,6 Milliarden Euro auf deutsche Kunden entfallen.
Der größte Fonds des Hauses ist der First Private Europa Aktien ULM, der ein Volumen von rund 218 Millionen Euro aufweist. First Private fokussiert sich auf aktives und quantitatives Asset Management in den Bereichen Aktien und Absolute Return.



