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Martin Hüfner: „Der Charakter der Eurokrise ändert sich“

Martin Hüfner von der Fondsgesellschaft Assénagon
Martin Hüfner von der Fondsgesellschaft Assénagon

Jeder redet in diesen Tagen von Zypern. Mit Recht. Dahinter vollzieht sich im Euro aber noch eine andere Bewegung. Die Krise tritt in eine neue Phase.

Bisher ging es vor allem um die hohe Verschuldung einzelner Länder sowie um mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und Strukturreformen auf den Arbeits- und Gütermärkten. Bei der Bewältigung dieser Probleme wurden erhebliche Fortschritte erzielt. An sich wäre es an der Zeit,  sich über das Erreichte zu freuen.

Das ist aber leider nicht möglich. Denn jetzt ändert sich der Fokus der Krise und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen kommen Konjunkturprobleme hinzu. Die reale Wirtschaftsleistung geht zurück. Die Arbeitslosigkeit steigt dramatisch an.

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Das macht die Anpassung noch schwerer. Zudem werden jetzt auch Länder in den Strudel gezogen, die bisher  noch relativ verschont geblieben waren. Ein Kandidat ist Frankreich. Es war schon im vergangenen Jahr in der Rezession. 2013 wird es kaum besser werden. Ein zweiter sind die Niederlande. Hier ist die reale Wirtschaftsleistung 2012 um fast ein Prozent zurückgegangen. Der Immobilienmarkt ist zusammengebrochen.

Vieles läuft schief

Die schlechte Konjunktur beruht zum Teil auf der schwächeren Weltwirtschaft. Dafür kann der Euro nichts. Teilweise ist sie aber auch hausgemacht. Die Regierungen entziehen der Privatwirtschaft Kaufkraft, indem sie selbst weniger ausgeben beziehungsweise die Abgaben erhöhen.

Durch die Verwerfungen an den Kapitalmärkten kommen die niedrigen Zinsen der Europäischen Zentralbank nicht bei den Unternehmen und den Verbrauchern in den Krisenländern an. Sie zahlen für Kredite immer noch 8  Prozent und mehr, wenn sie überhaupt Geld bekommen.

Es zeigt sich, dass die Sparmaßnahmen, anders als manche erwartet hatten, das Investitionsklima in den Schuldnerländern nicht verbessert haben. Der Ökonom würde sagen: Die Ricardianische Äquivalenz hat nicht funktioniert. Sie wurde von den keynesianischen Nachfragewirkungen überlagert.  

Die zweite Änderung der Eurokrise hängt eng mit den Rezessionswirkungen zusammen: Es gibt zunehmend gesellschaftliche Akzeptanzprobleme. Je länger die Krise dauert, umso mehr. Die Unzufriedenheit der Menschen wächst. Die Proteste auf den Straßen eskalieren. Regierungen drohen, die Kontrolle über die Situation zu verlieren.

Bei den Wahlen gibt es keine klaren Mehrheiten. Nicht Oppositionsparteien werden stärker, sondern Protestbewegungen. Italien steht vor einer schwierigen Situation. In Deutschland entsteht eine neue Protestpartei. Das muss man in einer Demokratie ernst nehmen. Jeder wusste, dass die Anpassungsmaßnahmen in der Eurokrise Zeit brauchen und dass das die gesellschaftliche Stabilität strapaziert. Es war aber nicht klar, dass es so lange dauern würde.

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