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Martin Hüfner: „Der Markt ist in seiner Einschätzung der Eurokrise zu optimistisch“

Martin Hüfner von der Fondsgesellschaft Assénagon
Martin Hüfner von der Fondsgesellschaft Assénagon
So viel Euphorie ist selten. Seit der Aussage des EZB-Präsidenten Mario Draghi, dass er alles tun werde, um den Euro zu retten, ist der Dax um rund 15 Prozent gestiegen. In Italien und Spanien sind die Kurse zum Teil noch stärker nach oben gegangen. Der Euro hat sich um 5 Prozent aufgewertet. Die Zinsen für spanische und italienische Anleihen haben sich zum Teil um 1,5 Prozentpunkte zurückgebildet.

Die Furcht vor einem Auseinanderbrechen des Euro ist geringer geworden. Die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts, den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) als mit dem Grundgesetz vereinbar durchzuwinken, war dann noch das Pünktchen auf dem „i“.

Können wir uns zurücklehnen? Ist die Eurokrise zu Ende?

Natürlich gibt es immer noch kritische Stimmen. Es wäre auch merkwürdig, wenn das bei einer so wichtigen Frage nicht der Fall wäre. Die Kritik bezieht sich aber mehr auf das „Wie“ der Währungsunion als auf das „Ob“. Die Käufe von Papieren der südeuropäischen Schuldnerstaaten durch die EZB seien zu nahe an der – für Notenbanken verbotenen – Staatsfinanzierung. Sie würden Inflationsgefahren beinhalten und das Haftungsrisiko der Gläubigerländer (weil ihnen die EZB letztlich gehört) erhöhen.

Das ist alles nicht schön. Es führt dazu, dass die neue Währungsunion am Ende vielleicht anders aussieht als es sich viele ursprünglich vorgestellt hatten. Es steht aber nicht der These entgegen, dass die Krise vorbei sein könnte.

Auch mir gefallen diese Dinge nicht. Ich glaube darüber hinaus aber, dass der Markt in seiner Einschätzung der Eurokrise zu optimistisch ist. Die Gemeinschaftswährung ist noch weit davon entfernt, in trockenen Tüchern zu sein. Es war symptomatisch, dass in der Phase der Euphorie der Märkte auch der Goldpreis (als Risikoindikator) um 8 Prozent nach oben ging.

Sechs Gründe für meine Skepsis:
  1. Die Probleme des Euro, die uns nun seit zweieinhalb Jahren beschäftigen, sind durch das neue Programm der EZB nicht gelöst. Mit Interventionen allein ändert man nicht die Marktkräfte.

    Der wichtigste Verdienst des EZB-Präsidenten Draghi (der die Psychologie der Investoren offenbar gut kennt) ist, dass er die Markterwartungen gedreht hat. Er hat die Investoren daran erinnert, dass man nicht nur auf einen Zerfall des Euro spekulieren kann, sondern auch auf einen Erfolg. Das nutzen sie jetzt und verdienen schönes Geld.

    Das ist aber keine Garantie, dass sich das Blatt nicht wieder wendet und Hedgefonds nicht zu ihren alten Wetten zurückkehren. Dann wird sich zeigen, ob die EZB wirklich genug Power hat, sich dem entgegen zu stellen.

  2. Nach wie vor fehlt die wichtigste Bedingung für ein Funktionieren des Euro, nämlich die gemeinsame Politik, die das Vertrauen der Investoren in die Beständigkeit und Solidität der neuen Währung garantiert.

    Wir haben unverändert eine Europäische Währung für eine Horde unabhängiger Nationalstaaten, die an einer europäischen Politik kein Interesse haben. Daran kann die EZB nichts ändern. Das müssen die europäischen Staats- und Regierungschefs richten. Durch die EZB-Maßnahmen haben sie dazu mehr Zeit.

    Es ist aber schon verdächtig, dass die Regierungen die EZB-Maßnahmen so sehr loben. Könnte es sein, dass sie hoffen, dadurch um ihre eigenen Hausaufgaben herumzukommen?

  3. Wenn die Staats-und Regierungschefs genau hinschauen, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie die neue Rolle der EZB voll akzeptieren. Denn die EZB mutiert durch das neue Programm zu einer Art Oberregierung des Euroraums.

    Wenn ein Land die vereinbarten Vorgaben nicht so erfüllt, wie es die EZB für richtig hält, müsste sie theoretisch die Interventionen in seine Papiere einstellen und das Land im Regen stehen lassen. Eine Notenbank kann sich aber nicht zum Richter der Politik der einzelnen Staaten aufschwingen. Hier sind Konflikte vorprogrammiert.

  4. Das für die Stabilität des Euro so wichtige Renommee der EZB hat unter dem Streit der vergangenen Woche gelitten. Die Diskretion der Beratungen im EZB-Rat ist gebrochen worden, nachdem der deutsche Bundesbankpräsident Jens Weidmann immer wieder als Abweichler in die Ecke gestellt wurde.

    Die Einigkeit in der stabilitätspolitischen Grundausrichtung hat Risse bekommen. Draghi stellt die Rettung des Euro vor die Stabilität. Weidmann ist eher bereit, auf den Euro zu verzichten als auf die Stabilität. Solche Kontroversen, wenn sie zudem noch öffentlich ausgetragen werden, erschweren den Aufbau des nötigen Vertrauens.

  5. In den vergangenen Wochen sind nationalistische Vorbehalte hochgekommen, die eigentlich überwunden schienen. Es scheint, als ob Deutschland gegen den Rest der Währungsunion steht. Das macht die Arbeit an den weiteren Arbeiten der Integration schwerer.

  6. Schließlich gibt es nach wie vor Probleme mit den Reformmaßnahmen einzelner Staaten. Niemand weiß, ob Griechenland wirklich im Euro gehalten werden kann. Spanien weigert sich, ein von den Gläubigerländern auferlegtes Rettungsprogramm zu akzeptieren.  In Italien gehen die Gedanken schon an die Zeit, wenn Ministerpräsident Mario Monti zurücktreten muss.
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