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Martin Hüfner über die Börsen-Hysterie China war nur Anlass, nicht Ursache

Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assénagon Asset Management
Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assénagon Asset Management
Ist China wirklich an allem schuld, wie jetzt in den Börsensälen gesagt wird? Ich habe den Eindruck, dass bei den Börsenturbulenzen der letzten Tage mehr mit Stimmungen als mit Tatsachen gehandelt wurde. Vielleicht ist deshalb ein Faktencheck ganz nützlich. Zunächst zum Wachstum in China. Dass es sich in den letzten Jahren abgeschwächt hat und dass es niedriger ist, als von den Pekinger Behörden behauptet, ist bekannt. Die Schätzungen gingen bisher von einer Zunahme der realen Wirtschaftsleistung von 6,5 Prozent bis 7 Prozent in diesem Jahr aus. Nun kamen durch die neuen Zahlen des Einkaufsmanagerindex und die Abwertung des Renminbis Befürchtungen auf, die Konjunktur könne noch schlechter sein. Die meisten dachten hier an Größenordnungen von 5 Prozent. Es ist nicht auszuschließen, dass es sogar noch schlimmer kommt. Ein nach dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Kiang benannter Wirtschaftsindex, der den Energieverbrauch, die Kreditvergabe und die Eisenbahnfrachttonnen erfasst, zeigt inzwischen nur noch eine Zunahme von etwas über 4 Prozent. Das scheint mir aber die Untergrenze zu sein. Für weniger Wachstum gibt es keine Anhaltspunkte. In den chinesischen Apple-Stores liefen die Geschäfte in den letzten zwei Wochen so gut wie nie zuvor in diesem Jahr. Ein Wachstum von 4 Prozent wäre für ein Land wie China in der Tat wenig. Es ist aber keine Katastrophe, schon gar keine Rezession und kein Grund für einen weltweiten Börsen-Crash. Das Land gehört damit immer noch zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Auch die Wachstumsphantasie ist damit nicht verschwunden. Die 1,4 Milliarden Chinesen haben ein Pro-Kopf-Einkommen von kaufkraftbereinigt gerade einmal 14.000 Dollar pro Jahr. Das ist ein Drittel des Wertes in Deutschland. Da gibt es also noch riesigen Nachholbedarf und weitere Wachstumschancen. Internationale Konzerne wären schlecht beraten, China in Zukunft links liegen zu lassen. Was bedeutet das langsamere Wachstum in China für die Weltwirtschaft? Manche haben hier große Sorgen. Sie verweisen darauf, dass China inzwischen die größte Volkswirtschaft der Welt ist. Es ist in diesem Jahr dabei, Europa in Sachen Bruttoinlandsprodukt zu überholen. Im vorigen Jahr ist es an Amerika vorbeigezogen. Japan hat es bereits zur Jahrtausendwende hinter sich gelassen. Siehe Grafik.
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