Subventionswettlauf, Inflation und Co. Martin Lück von Blackrock: „Wir müssen nicht den Abgesang auf Deutschland anstimmen“
DAS INVESTMENT: Herr Lück, seit Corona taumeln wir von einer Krise in die nächste. Krieg, Zinswende, Inflation, wo sehen Sie den berühmten Silberstreif am Horizont?
Martin Lück: Die Corona-Pandemie ist eine wichtige Wegmarke. Die Pandemie hat in vielerlei Hinsicht Veränderungen beschleunigt, von denen wir wussten, dass sie kommen müssen. Viele davon werden als Risiko wahrgenommen, dabei sollte man nie vergessen, dass sich in jeder Veränderung auch Chancen verbergen. Das gilt auch für die multiplen Krisen, die man auch als Herausforderungen sehen kann.
Für Gesellschaften und Kapitalmärkte, da muss man nichts beschönigen, ist es derzeit aber eine extreme Anstrengung. Der Silberstreif, den wir alles suchen, besteht darin, dass wir jetzt als Gesellschaft verstanden haben, was die Stunde geschlagen hat. Daraus ergeben sich Anforderungen, die die Staaten gar nicht alleine schultern können, dafür muss schlichtweg zu viel Kapital investiert werden. Es werden sich also lohnende Investmentmöglichkeiten ergeben.
Befinden wir uns in einer Zeitenwende?
Lück: Ja, die strategischen Relationen werden derzeit umgewälzt, das betrifft die Politik, die Gesellschaft und damit selbstverständlich auch die Kapitalmärkte, innerhalb derer man lange sehr optimistisch, ja fast sorglos gewesen ist. Die Globalisierung verändert sich derzeit, insbesondere zwischen den großen Wirtschaftsräumen. Covid hat auch diese Entwicklung lediglich beschleunigt. Darüber hinaus müssen wir den Klimawandel bekämpfen. Das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, ist ehrgeizig. Es kann nur klappen, wenn alle an einem Strang ziehen.Die dritte große Herausforderung ist die Alterung der Gesellschaft.
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Ist das Wort Deglobalisierung angebracht oder übertrieben?
Lück: Es herrscht in Europa, den USA und China ein großes Interesse daran, die Wirtschaftsbeziehungen nicht weiter zu strapazieren, beziehungsweise daran, dass diese sich nicht weiter verschlechtern. Das Wort Deglobalisierung empfinde ich als zu hart. Es kommt auch immer darauf an, was man darunter versteht. Strikt ökonomisch definiert, hat die Globalisierung bereits vor gut zehn Jahren ihren Höhepunkt erreicht. Seitdem ist der Anteil der des Welthandels am weltweiten BIP nicht mehr gestiegen, nun sinkt er. Die Globalisierung verkabelt sich derzeit neu. Wertschöpfungs- und Lieferketten gestalten sich neu.
Dabei - und das ist das markanteste, gibt es unterschiedliche Ansätze in den großen Währungsräumen. In den USA wird von De-Coupling gesprochen, es gibt also deglobalisierende Tendenzen. Die EU spricht von De-Risking, will die Globalisierung verändern, die Handelsströme insgesamt aber am Leben erhalten. Das spielt für Politik, Kapitalmarkt und Gesellschaft eine große Rolle. Am Ende des Tages liegt es im gemeinschaftlichen Interesse, die Wirtschaftsbeziehungen so zu erhalten, dass sie funktionieren und alle Seiten profitieren.
Deutschland geht derzeit einen Weg, der mit Subventionen gepflastert ist, um Unternehmen ins Land zu holen, oder zu binden. Was halten Sie davon?
Lück: Wir befinden uns in einer Welt, in der derzeit vieles neu sortiert wird. In den USA gibt es den Inflation Reduction Act. Die EU wiederum hat den Net Zero Industry Act. Beide haben das Ziel, attraktive Bedingungen für Unternehmen zu schaffen, die beispielsweise in die grüne Transformation investieren und bereits Knowhow haben. Regierungen hatten schon immer das Ziel, für die eigene Gesellschaft gute Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätze zu schaffen. Unter anderem vor dem Hintergrund des Klimawandels und der allgemeinen geopolitischen Gegebenheiten ist es nicht verwunderlich, dass auch Deutschland hier aktiv ist. Ich rechne auch mit einer weiteren Intensivierung des Wettbewerbs.
Steigende Zinsen, hohe Inflation, die Rückkehr von Volatilität an den Kapitalmärkten und geopolitische Risiken erhöhen den Wunsch nach einem krisenresistenten „Allwetterportfolio“, wie sieht dieses ihrer Meinung nach aus?
Lück: Vieles spricht dafür, dass das Ende der Great Moderation gekommen ist. Die Volatilität auf den Finanzmärkten hat sich seit etwa dem Jahre 2000 reduziert, das ist nun nicht mehr der Fall. Seit der Öl-Krise Anfang der 80er Jahre, schloss sich eine Periode an, in der wir Macro-Zyklen gesehen haben, die fast ausschließlich von der Nachfrage-Seite getrieben wurden. Wenn in der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung von Angebot und Nachfrage die Verwerfungen, also das, was wir Konjunktur nennen, von der Nachfrage-Seite getrieben werden, dann lassen sich diese sich mit einer antizyklischen Wirtschaftspolitik, der Geld- und Fiskalpolitik, relativ gut glätten.