Im exklusiven Interview mit DAS INVESTMENT spricht Mary Pryshlak, Partnerin und Leiterin der Investitionsforschungs-Abteilung bei Wellington Management, über die Herausforderungen des aktiven Managements, die Bedeutung von Zusammenarbeit und wie ein ungewöhnliches Praktikum ihre Karriere in der Finanzbranche einleitete.

DAS INVESTMENT: Frau Pryshlak, Sie sind seit 20 Jahren bei Wellington. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Tag?

Mary Pryshlak: Na klar. Um ehrlich zu sein: Die Geschichte meines Vorstellungsgesprächs ist lustig, denn ich habe überlegt, es abzusagen. Ich sagte zu meinem Mann: „Ich gehe da nicht hin. Die suchen einen Analysten für ein Hedgefonds-Team und ich will wirklich in die Forschung gehen.“ Er überzeugte mich, es trotzdem zu versuchen. Als ich dann dort war und fragte, welche Stellen frei wären, erwähnten sie eine Position im Research-Team. Ich war so froh, dass ich den Rat meines Mannes befolgt habe. In dem Moment wusste ich: Das ist die Firma, für die ich arbeiten möchte. Das ist der Job, den ich will. Von da an war es meine Mission, diese Stelle zu bekommen.

Und Sie haben sie bekommen. Was hat Sie damals so begeistert?

Pryshlak: Als ich am ersten Tag durch die Türen ging, dachte ich mir: Hier möchte ich meine Karriere beenden. Die Atmosphäre ist elektrisierend. Die Art von Gesprächen und Debatten, die wir über Unternehmen führen, der Zugang zu Managements, die uns respektieren – es ist nicht so, dass sie uns etwas verraten, was sie anderen nicht erzählen, aber wir haben eine respektvolle Beziehung zu ihnen und versuchen zu verstehen, wie sie denken. In diesem Ökosystem, das Private Markets, Alternatives, festverzinsliche Wertpapiere und ein breites Spektrum an Zeithorizonten umfasst, gibt es für mich keinen Zweifel daran, dass wir durch unsere Kultur der Zusammenarbeit etwas Besonderes haben und wir erfolgreicher sein können als irgendwo sonst.

 

Sie leiten das globale Investment-Research-Team von Wellington Management. Wie groß ist Ihr Team heute?

Pryshlak: Wir haben etwa 130 Mitarbeiter. Davon sind 56 globale Branchenanalysten im Aktien-Team, hinzu kommen 44 Anleihe-Investoren, die sich mit Investment Grade, High Yield, strukturierten Finanzprodukten und Kommunalanleihen befassen. Weiterhin gibt es ein Makro-Team und unsere Nachhaltigkeitsgruppe, deren Analysten tief in unsere Branchenteams eingebettet sind.

Welche Kultur haben Sie bei Wellington implementiert, um sicherzustellen, dass Ihr Team Markttrends frühzeitig erkennt und dadurch einen Wettbewerbsvorteil behält?

Pryshlak: Ich lebe die Kultur vor und unterstützte das Team. Ich verstärke eher die Kultur, als dass ich sie erschaffe. Wir sind der Meinung, dass in unserem Geschäft am Ende nur eine Sache wirklich entscheidend ist – Performance. Sie sehen jeden Tag, wie Sie am Markt abschneidet. Es ist deshalb wichtig, dass wir Exzellenzstandards haben, an die sich alle halten. Eine tiefgehende analytische Strenge ist entscheidend. Wenn man das mit einem unvergleichlichen Zugang zum Management und mit einer kollaborativen Kultur verbindet – und Zusammenarbeit ist bei uns übrigens keine Option, sondern in allem, was wir tun, tief verankert. Wir wertschätzen, messen und überwachen sie – denn wenn man das alles zusammennimmt entsteht etwas wirklich Besonderes.

Kollaboration als oberste Maxime, das sagt sich leicht. Wie messen Sie Zusammenarbeit?

Pryshlak: Es gibt verschiedene Wege. Am Jahresende führen wir oft 360-Grad-Beurteilungen durch. Wir bitten die Portfoliomanager, unsere globalen Branchenanalysten nach verschiedenen Kriterien zu bewerten: Qualität der Forschung, sind sie ein „Geldmacher“, wie gut kommunizieren sie und sind sie gute Teamplayer. Wenn man das über 15, 20, 25 Personen hinweg betrachtet, bekommt man ein gutes Gefühl dafür, ob jemand aktiv mit anderen zusammenarbeitet und versucht, der Firma zu helfen und etwas zu bewirken. Wir untersuchen auch, wo und wie unsere Investoren zusammenarbeiten – wir achten auf eine angepasste Wirkung – wo wir Geld verdienen, wo wir zusammenarbeiten.

Da kommt es sicherlich auch auf Diversität in den Teams an.

Pryshlak: Ich definiere Diversität ziemlich breit. Ich denke, die besten Teams sind diejenigen mit verschiedenen Perspektiven. Die kann man auf viele Arten bekommen: durch verschiedene Nationalitäten, Geschlechter oder Bildungshintergründe. Wir versuchen, eine Gruppe von differenzierten Denkern zusammenzubringen.

Künstliche Intelligenz ist das Trendthema der Stunde. Welche Rolle spielt KI in Ihrem Segment?

Pryshlak: Wir experimentieren auf viele Arten mit KI. Wir erstellen etwa nach jedem Quartalsbericht schnell eine Zusammenfassung des Quartals, was den Analysten Zeit spart.

Das können andere Unternehmen auch.

Pryshlak: Stimmt. Aber wir setzen auch auf KI, um Themen aus den Notizen unserer mehr als 20.000 Unternehmensinteraktionen pro Jahr zu extrahieren. Das ist leistungsstark und wird unseren Vorsprung und unsere Differenzierung ausbauen. Wir verwenden auch Natural Language Processing, um in großen regulatorischen Dokumenten zu identifizieren, wo sich etwas geändert hat.

 

Wellington Management ist ein aktiver Manager. Wie blicken Sie auf das Geschäft mit Publikumsfonds?

Pryshlak: Wenn man die letzten fünf Jahre betrachtet, aber auch das letzte Jahrzehnt seit der globalen Finanzkrise, als die Zinsen weltweit auf null fielen und so blieben, hat man gesehen, wie Gelder aus aktiven Publikumsfonds in passive Anlagen abgeflossen sind.  Wir halten aktive Fonds für nach wie vor lebendig und gut. Aber die Art und Weise, wie Kunden auf das Produkt zugreifen wollen, hat sich in Richtung aktiver ETFs entwickelt. Wir denken dennoch, dass Publikumsfonds eine wichtige Rolle im Portfolio spielen. Wir sind ein großer Sub-Advisor für Vanguard, für die Publikumsfonds ein wichtiger Teil ihres Geschäftsmodells sind. Publikumsfonds spielen also immer noch eine wichtige Rolle im gesamten Ökosystem.

Mary Pryshlak, Investitionsforschungs-Chefin bei Wellington Management (links) im Gespräch mit Malte Dreher (Herausgeber DAS INVESTMENT, Mitte) und Christoph Fröhlich
Mary Pryshlak, Investitionsforschungs-Chefin bei Wellington Management (links) im Gespräch mit Malte Dreher (Herausgeber DAS INVESTMENT, Mitte) und Christoph Fröhlich © DAS INVESTMENT

Was hat Sie ursprünglich in die Investmentwelt gezogen und was hält Sie nach all den Jahren noch leidenschaftlich dabei?

Pryshlak: Oh, meine Karriere in der Finanzwelt begann mit einer etwas peinlichen Geschichte. Als ich im College war, hatte ich in meinem vorletzten Jahr ein Praktikum bei einer Vermögensverwaltung. Wir haben für eine wohlhabende Familie aus dem Nahen Osten gearbeitet. Sie werden sich fragen, was daran peinlich ist. Nun, unsere Tage waren abwechslungsreich, aber das eine Projekt, mit dem ich viel Zeit mit dem leitenden Portfoliomanager verbrachte, sah so aus: Er sagte, er wolle einen Jet kaufen, und bat uns, zu recherchieren, welche Art von Jet er kaufen sollte. Nachdem wir die Auswahl eingegrenzt hatten, gründeten wir eine Holdinggesellschaft für ihn. Ich fand das aufregend und beschloss, dass ich Aktieninvestorin werden wollte.

Gibt es diese Jet-Holding heute noch?

Pryshlak (lacht): Nein, ich denke nicht.

Und was inspiriert Sie bis heute, der Branche treu zu bleiben?

Pryshlak: Es ist eine privilegierte Position, Menschen zu finanzieller Sicherheit zu verhelfen. Das ist ein wirklich wichtiger Job und eine kleine Sache, die ich tun kann, um der Welt zu helfen.

Letzte Frage: Wenn Wellington ein Sportteam wäre, welche Position würden Sie spielen und warum?

Pryshlak: Das sind wirklich schwierige Fragen. Ich habe ein Team von 50 Leuten auf dem Feld, und jeder einzelne von ihnen muss in seinem Job exzellent sein und mit anderen zusammenarbeiten können. Denn eines hat sich über die Jahre geändert: Die Welt ist komplexer und verflochtener geworden, so dass man nicht in seinem Silo bleiben kann. Ich denke, ich würde General Manager eines Teams werden – oder wenn Sie mich drängen, wäre ich vielleicht der Quarterback. Auf höchster Ebene bin ich diejenige, die für die Entscheidungen unserer Talente verantwortlich ist, die die Spielzüge vorgibt und die Entscheidungen trifft. Das ist eine wichtige Rolle, und ich bin gerne in dieser Position. Aber unser Team ist das, was Wellington so besonders macht, und sie sind diejenigen, die Leistung bringen.