Exklusiv-Gespräch mit Carsten Maschmeyer „Ich glaube, dass Wefox‘ Rückzug aus Deutschland nicht dauerhaft ist“
DAS INVESTMENT: Wefox galt einst als das Vorzeigebeispiel unter den deutschen Insurtechs. 2019 erlangte der Start-Up den Einhorn-Status – als einziges Insurtechs in Deutschland. Es folgten weitere erfolgreiche Finanzierungsrunden. Nun scheint das Unternehmen mächtig in die Krise geraten zu sein: Sogar ein Verkauf unter dem Unternehmenswert stand zur Debatte, konnte aber noch abgewendet werden. Haben die Investoren und die Medien etwas übersehen?
Carsten Maschmeyer: Generell kommen in der Start-up-Welt immer mal wieder Überbewertungen einzelner Unternehmen vor. Manche Start-ups werden wegen sehr großer Versprechungen und ambitioniert kommunizierter Visionen zum Unicorn. Vereinzelt gibt es Investoren, die den Einstieg in ein potenzielles Unicorn nicht verpassen wollen. Der Drang auch mal bei einem entstehenden Unicorn dabei zu sein, schafft quasi das Unicorn, durch eine Art selbst erfüllende Prophezeiung. Mitunter gibt es dann eine Art Dauerfundraising zu immer höheren Bewertungen, auch weil damit geworben wird, wer schon alles investiert ist, und das zieht wiederum weitere Geldgeber an. Die Erreichbarkeit der Planzahlen sowie die Chance auf Break Even spielen dann keine große Rolle mehr.
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DAS INVESTMENT: Wefox galt einst als das Vorzeigebeispiel unter den deutschen Insurtechs. 2019 erlangte der Start-Up den Einhorn-Status – als einziges Insurtechs in Deutschland. Es folgten weitere erfolgreiche Finanzierungsrunden. Nun scheint das Unternehmen mächtig in die Krise geraten zu sein: Sogar ein Verkauf unter dem Unternehmenswert stand zur Debatte, konnte aber noch abgewendet werden. Haben die Investoren und die Medien etwas übersehen?
Carsten Maschmeyer: Generell kommen in der Start-up-Welt immer mal wieder Überbewertungen einzelner Unternehmen vor. Manche Start-ups werden wegen sehr großer Versprechungen und ambitioniert kommunizierter Visionen zum Unicorn. Vereinzelt gibt es Investoren, die den Einstieg in ein potenzielles Unicorn nicht verpassen wollen. Der Drang auch mal bei einem entstehenden Unicorn dabei zu sein, schafft quasi das Unicorn, durch eine Art selbst erfüllende Prophezeiung. Mitunter gibt es dann eine Art Dauerfundraising zu immer höheren Bewertungen, auch weil damit geworben wird, wer schon alles investiert ist, und das zieht wiederum weitere Geldgeber an. Die Erreichbarkeit der Planzahlen sowie die Chance auf Break Even spielen dann keine große Rolle mehr.
Und was schätzen Sie, wie es mit Wefox weiter geht?
Maschmeyer: Ich hoffe natürlich, dass es für Wefox weitergeht, vor allem für die Mitarbeitenden und die deutsche Insurtech-Szene. Ich gehe davon aus, dass der Rückzug aus Deutschland, um Liquidität zu erzielen, nicht dauerhaft ist. Die größte Volkswirtschaft Europas mit vielen eher risikoaversen Einwohnern ist doch für ein Versicherungsstartup ideal.
Wie kam es zur Anfrage an Sie, den Verwaltungsratsvorsitz bei Wefox zu übernehmen? Lief der Kontakt über den Vater des Wefox-Mitgründers Julian Teicke, Hartmut Teicke, der bis August 2002 Manager beim AWD war?
Maschmeyer: Mich haben sowohl Gründer als auch Investoren kontaktiert. Es gehört sich nicht, sich zu Details zu äußern.
Und warum lehnten Sie ab?
Maschmeyer: Zum einen scheinen mir viele Stakeholder, von den Aktionären bis hin zum Board, zerstritten. Auch dass die Offerte an mich überhaupt presseöffentlich wurde, scheint mir ein Ausdruck dieser schwierigen Gesamtlage zu sein. Zum anderen, und das ist der Hauptgrund: Wefox steht offensichtlich vor gewaltigen Herausforderungen und benötigt meines Erachtens einen Fulltime Chairman. Das kommt für mich nicht in Frage. Ich fühle mich den vielen Investorinnen und Investoren unserer Venture-Fonds verpflichtet und konzentriere mich deshalb auch weiterhin auf unsere 150 Start-ups zwischen Tel Aviv und San Francisco, denen ich, genauso wie meinen Teams, meine volle Energie als Investor und Mentor gebe.
Sie sind seit 2020 in Neodigital investiert. Was zeichnet dieses Insurtech aus Ihrer Sicht aus?
Maschmeyer: Neodigital ist der erste digitaler Vollversicherer auf Basis von Künstlicher Intelligenz und das vollautomatisiert und mit Bafin-Lizenz. Das bedeutet, wenn ein Kunde beim Antrag seine Informationen eingibt, prüft die Software auf Basis von KI, ob die Underwriting-Regeln erfüllt sind. Die Software stellt in Sekundenschnelle die Police aus und das natürlich papierlos. Viele sogenannte Insurtechs sind nur Lead-Generierer: Sie locken Kunden an und verkaufen hinterher die Adressen. Kein Gründer-Team, das ich kenne, hat so viel Verständnis von Versicherungen und relevante Erfahrung wie Stephen Voss und Dirk Wittling.
An welchen weiteren Insurtechs beteiligen Sie sich derzeit?
Maschmeyer: Vor allem in den USA sind wir an vielen Insurtech-Unternehmen beteiligt, wie beispielsweise Ascend, Authentic Insurance und District Cover. In Großbritannien sind wir unter anderem in Flock investiert, ein Start-up für digitale Flottenversicherung.
Sind Insurtechs ein lohnendes Geschäft für Investoren? Schließlich schreiben nur die wenigsten von ihnen – in Deutschland zum Beispiel nur Clark – schwarze Zahlen.
Maschmeyer: Bei Insurtechs hat schon eine Marktbereinigung stattgefunden. Ich sehe vor allem im Bereich “Tech for Insurance” noch großes Potential für Start-ups, die einzelne Bereiche der großen Versicherer digitaler machen und automatisieren können. Die IT-Abteilungen der großen Konzerne sind mit ihrem Tagesgeschäft vollständig ausgelastet. Die Start-ups können mit ihren revolutionären Innovationen sehr viel Zeit, Kosten, Nerven und teilweise auch Personal sparen. Da gibt es immer noch erheblichen Bedarf und viel aufzuholen. Die Frage bei den Versicherern ist ja nicht, ob die zunehmende Digitalisierung und künstliche Intelligenz eingesetzt werden, sondern in welchen Bereichen und wie schnell. Die Gesellschaften, die das nur schleppend tun, werden Wettbewerbsnachteile haben. Und da kaum ein Versicherer in den eigenen IT-Abteilungen die Kapazität hat, diese selbst zu entwickeln, gibt es hier für Insurtechs großartige Möglichkeiten. Die besten Innovationen kommen von revolutionär denkenden Start-ups.
Maschmeyer: Die Zeit, dass man entweder Wachstum oder das Erreichen vom Break-Even als Alternativen sah, ist vorbei. Ein Start-up, das nie die Chance haben wird, Break-Even zu erreichen und profitabel zu arbeiten, ist genauso uninteressant für Investoren, wie wenn es nicht wächst. Wenn man nur eines von beiden erreichen müsste, wäre es sehr leicht ein Start-up erfolgreich zu machen. Die Kunst besteht genau darin, profitables Wachstum zu erzielen. Der Pfad zum Break-Even und zur Profitabilität muss sichtbar sein. Kein Investor ist mehr bereit, absurd hohe Burn-Rates zu finanzieren und Versuche zu unterstützen, mit Marketing-Geld einen Markt zu erobern. Da entstanden bizarre Missrelationen, in denen zehn Euro Umsatz 15 Euro Customer Acquisition Costs erforderten. Dann sind Sie zwar Marktführer, aber weit davon entfernt, jemals Gewinne zu erwirtschaften. Daniel Feyler hat aber recht mit dieser Aussage. Bis Anfang 2022 war das anders. Heute gilt vermehrt from burn to earn, trotzdem muss die Umsatzkurve natürlich nach oben zeigen. Gleicher Umsatz und gleiche Burn Rate bringen extrem unterschiedliche Bewertungen, wenn die Steigerungskurve des Wachstums unterschiedlich steil ist.