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Mathematiker hat untersucht „Regt die Finanztransaktionssteuer zum Zocken an?“

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Passt Ihr Modell denn auf die Situation, dass ein Unternehmen eine Aktie verkauft und ein Anleger sie kauft?

Althöfer: Man kann eher die folgende Situation nehmen: einen Bauern, der seine Ernte versichern möchte, und auf der anderen Seite ein Versicherungsunternehmen, das dem Bauern einen Tarif anbieten will. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Wenn die Ernte gut ist, hat der Bauer etwas verloren, weil er die Versicherungsgebühr bezahlt. Wenn aber ein Unglück passiert, muss die Versicherung ihn entschädigen. Diese Situation passt zwar nicht hundertprozentig, aber nähert sich schon an.

Inwieweit lassen sich Ihre Erkenntnisse überhaupt auf die Realität übertragen?

Althöfer: Man muss vorsichtig sein. Ich gebe mal zwei ganz andere Beispiele aus dem Bereich der Ökonomie: Der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Kenneth Arrow hat soziale Entscheidungsfunktionen untersucht. Eines seiner besten Ergebnisse war, dass, wenn man sich nur ein paar ganz einfache Regeln gibt, dann Folgerungen herauskommen können, die überhaupt nicht gewollt waren. Das ist bekannt als Arrow‘s Paradox. Arrow hat zum Beispiel drei Regeln aufgestellt. Wenn man die konsequent einhält, hat man quasi eine Diktatur erschaffen. Das hat zwar nichts mit Finanzmärkten zu tun, sondern mit Regeln des Zusammenlebens. Es kommt aber, wie in unserem Rechenbeispiel, eine ganz andere Lösung heraus, als eigentlich vermutet.

Und Ihr zweites Beispiel?

Althöfer: Der Politiker Friedrich Merz wollte die Steuererklärung so vereinfachen, dass sie auch auf einen Bierdeckel passt. Im Prinzip hieß seine Idee: Bis zu einem Betrag von beispielsweise 1.000 Euro zahlen die Leute 10 Prozent Steuern, bis zu 2.000 Euro zahlen sie 20 Prozent. Und wer mehr verdient, zahlt 30 Prozent. Wer jetzt nur ein klein bisschen mehr als 1.000 Euro verdient, muss allerdings viel mehr zahlen als jemand, der nur 999 Euro verdient. Das ist völlig ungerecht. Auch hier führt eine gut gemeinte Idee, in die Tat umgesetzt, zu Ergebnissen, die nicht gewollt waren. Wenn eine neue Steuerregelung kommt, dann wird von Marktteilnehmern in der Regel außerdem auch gleich nach den Schlupflöchern gesucht. Auch wenn die Idee einer Transaktionssteuer von der Bundesregierung sicherlich gut gemeint ist: Die Chance ist groß, dass es solche Schlupflöcher geben wird.

Noch mal zurück zu Ihrem mathematischen Modell: Wenn Sie daraus eine Aussage zur Finanztransaktionssteuer ableiten würden, wie sie Regierungspolitiker derzeit fordern wie würde die lauten?

Althöfer: Seien Sie vorsichtig! Es kann sein, dass man nach 18 Monaten merkt, dass etwas passiert ist, was man gar nicht im Sinn hatte. Wenn Sie mich übrigens fragen, ob ich für oder gegen eine Transaktionssteuer bin: Im Prinzip bin ich dafür. Aber die Steuer könnte Nebenwirkungen haben, an die man nicht denkt. Das spieltheoretische Beispiel, das Frau Bärthel und ich aufgestellt haben, ist zwar nicht so nah am wirklichen Börsengeschehen. Man kann an ihm aber exemplarisch sehen: Wenn man eine Steuer einführt, die dazu dienen soll, dass eigentlich alle weniger zocken sollten, kann auch das Gegenteil passieren!

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