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Aktualisiert am 16.05.2018 - 17:00 UhrLesedauer: 4 Minuten
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Matthias Hoppe zur EZB-Geldpolitik Wie lässt sich Aufruhr an den Märkten vermeiden?

Wie würde ich reagieren, wenn ich Mario Draghi beraten sollte? Etwa beim Feilen am Skript für seine Rede beim jährlichen wirtschaftspolitischen Symposium der Federal Reserve Bank of Kansas City in Jackson Hole, Wyoming? Ich würde wahrscheinlich vor allem darüber grübeln, vor welche gewaltigen Aufgaben ihn sein Job stellt.

Im Gegensatz dazu wirkt es geradezu einfach, sich hinzusetzen und diesen Beitrag zu verfassen. Selbst die Verwaltung von Multi-Asset-Portfolios angesichts erhöhter Aktienbewertungen und jeder Menge potenzieller Katalysatoren für einen Anstieg der Volatilität erscheint im Vergleich zu der Herausforderung, vor welcher der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) steht, einfacher.

Die EZB befindet sich am Anfang einer kritischen Phase in ihrem Auftrag zur Erhaltung der Preisstabilität in der Eurozone: Die Konjunkturlage verbessert sich, die Inflation bleibt jedoch hartnäckig unterhalb des EZB-Ziels von 2 Prozent. Die am Verbraucherpreisindex gemessene Gesamtinflation der Eurozone lag im Juli bei 1,3 Prozent. Damit war die Zentralbank zwar in der Lage, den Sieg gegen die Deflation zu verkünden.

Von der Erreichung ihres Inflationsziels ist sie jedoch noch weit entfernt. Vor diesem Hintergrund hat der EZB-Rat seine Vorgabe bestätigt, wonach die Zinsen auf längere Sicht und weit über die Beendigung des quantitativen Lockerungsprogramms hinaus auf dem aktuellen Niveau bleiben würden.

Meine früheren Artikel zur Stärke des Euro wurden durch Kommentare von Marktanalysten angeregt: Sie versuchen die Aufwärtsbewegung der Währung zum einen mit Blick auf die Äußerungen des Zentralbank-Chefs Draghi zu erklären. Zum anderen verweisen sie auf die Schubwirkung eines wirtschaftlichen Umfelds, das dem Euro deutlich mehr Unterstützung bietet.

Der Stimmungsumschwung bei der Gemeinschaftswährung könnte jedoch genauso sehr auf Entwicklungen auf der anderen Seite des Atlantiks zurückzuführen sein als auf Faktoren, die sich im Einflussbereich der EZB befinden. Nichtsdestotrotz konzentriert sich die Aufmerksamkeit des Marktes – ebenso wie unser Beitrag – nun erneut auf die Versuche der EZB, die Fehlinterpretation ihrer eigenen Kommentare durch den Markt zu „korrigieren“. Draghis Aufgabe ist also alles andere als einfach.

EZB will weitere Euro-Aufwertung verhindern

Des Öfteren haben wir bereits angemerkt: Die EZB würde aus unserer Sicht sicherlich eine starke Aufwertung des Euro gern verhindern, vor allem angesichts einer Inflationsrate, die noch deutlich vom Zwei-Prozent-Ziel entfernt ist. In der Tat könnten wir bereits den Punkt erreicht haben, an dem die Stärke des Euro die geldpolitischen Bedingungen genügend gestrafft hat, um den Ausblick für das Wachstum der Unternehmensgewinne und eine angemessene Ausgewogenheit der Geldpolitik zu ändern. Die Frage ist daher, ob die EZB es in der Hand hat, den Anstieg des Euro zu kontrollieren.

Kürzlich hatten wir Gelegenheit, das Protokoll der Julisitzung des EZB-Rates zu lesen. Aus diesem ging hervor: Der Ausschuss hat ausdrücklich auf das Risiko hingewiesen, dass der Wechselkurs künftig über das Ziel hinausschießen könnte. Die Ratsmitglieder wollten es vermeiden, Signale auszusenden, „die überinterpretiert werden und sich als verfrüht erweisen könnten“.

Und was ist geschehen? Der Euro ist weiter angestiegen und hat inzwischen den höchsten Stand seit Anfang 2015 erreicht. Nicht ohne Grund wurde in der Sitzung angemerkt, dass der EZB-Rat „mehr politischen Handlungsspielraum und eine größere Flexibilität erlangen müsse, um die Geldpolitik und den Grad an geldpolitischer Akkommodierung bei Bedarf sowohl nach oben als auch nach unten hin anpassen zu können“.

Durch die Aufwertung des Euro ist der Wert der Gemeinschaftswährung gegenüber dem US-Dollar auf ein Niveau gestiegen, das seit Beginn des Wertpapierkaufprogramms der EZB nicht mehr erreicht wurde. Infolgedessen wurden weitere spekulative Anlagen in die Einheitswährung ausgelöst, wodurch diese auf einen mehrjährigen Höchststand geklettert ist. Es ist interessant zu hinterfragen, ob diese Entwicklung, ursprünglich von den Erwartungen einer Verringerung der Anleihenkäufe getrieben, ironischerweise zu einer Verlängerung des Anleiheaufkaufprogramms führen könnte.