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Themen-Experte Die Spezialisten für globale Geldanlage

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Aktualisiert am 09.06.2020 - 16:28 Uhrin Die Spezialisten für globale GeldanlageLesedauer: 4 Minuten
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Matthias Hoppe zur Notenbankpolitik Asset-Preise koppeln sich von der Marktentwicklung ab

Im ersten Halbjahr 2019 ist viel an den Finanzmärkten passiert. Auffällig war vor allem die gegenläufige Entwicklung an den Aktien- und Rentenmärkten. Während sich die Wirtschaft weltweit abgeschwächt hat, sind die Aktienmärkte deutlich im Plus und die Renditen für Staatsanleihen hingegen auf rekordverdächtige Tiefststände gerutscht. Die Aktienmärkte haben sich teilweise von den schwachen wirtschaftlichen Daten entkoppelt, während die Rentenmärkte eine tiefe wirtschaftliche Krise einzupreisen scheinen.

Matthias Hoppe, Multi-Asset-Experte bei Franklin Templeton

Große Unsicherheit bei den Marktteilnehmern

Wer hat recht, der Aktienmarkt oder der Rentenmarkt? Die Wahrheit liegt wahrscheinlich, wie so oft, irgendwo in der Mitte. Jedenfalls ist trotz der beeindruckenden Rally an den Aktienmärkten – der S&P 500 Index liegt 18 Prozent im Plus, der Dax 16 Prozent – die Unsicherheit unter Marktteilnehmern hoch. Irgendwie traut man dem Ganzen nicht, denn die Rentenmärkte senden ein gegensätzliches Signal aus. Diese Unsicherheit wird nicht nur durch die sich abschwächenden Konjunkturdaten genährt, sondern eben auch durch die von den USA angezettelten Zollstreitigkeiten und die globale Geldpolitik.

Frappierende Wende in der Zentralbankpolitik

Das zweite dominierende Thema der ersten sechs Monate des Jahres ist die unglaubliche Wendung der Zentralbanken. Anders als noch am Jahresende 2018 erwartet, dürfte die Geldpolitik weltweit überaus locker bleiben. So preisen die Märkte mittlerweile drei Zinssenkungen in den USA ein. Selbst in der Eurozone wird mit zwei Zinsschritten bis Jahresende gerechnet – vor ein paar Monaten schien das noch undenkbar. Haben etwa die Zentralbanken durch eine Änderung ihrer Rhetorik den Rentenmarkt dazu gebracht, die Inflations- und Wachstumserwartungen nach unten zu korrigieren? Oder war es der Markt, der die Zentralbanken beeinflusst hat?

Eine Antwort hierzu fällt schwer. Nach der Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (Fed) im Juni betonte Fed-Chef Jerome Powell jedenfalls die zunehmende Unsicherheit im Zusammenhang mit den Spannungen im Welthandel. Erstaunlicherweise stellte er fest, dass sich die Risikobereitschaft an den Finanzmärkten verschlechtert habe. Kritischen Beobachtern dürfte auffallen, dass die Behauptung im Widerspruch zur Entwicklung am Aktienmarkt stand. Redete Powell nur den Märkten nach dem Mund? 

Zur Verteidigung zukünftiger Zinssenkungen betonte Powell zudem noch, dass die Entscheidungsträger der Fed es für wichtig hielten, die wirtschaftliche Expansion zum Nutzen der US-Verbraucher in allen sozioökonomischen Gruppen zu unterstützen. Doch auch diese Einschätzung scheint nicht mit der wirtschaftlichen Realität in den USA übereinzustimmen: Der Arbeitsmarkt boomt, die Aussichten für Arbeitssuchende waren selten besser, das Lohnwachstum ist im Einklang mit Inflation und Produktivitätswachstum und der Konsum brummt. Das Bild trüben allein die schleppenden Unternehmensinvestitionen.

Und wie schätzt die Fed die Konjunkturlage ihrer eigenen Wirtschaftsprognose zufolge selbst ein? Sie hielt zuletzt an ihrer Wachstumsprognose für 2019 von 2,1 Prozent für das reale Bruttoinlandsprodukt fest – und hob sogar ihre Prognose für 2020 von 1,9 Prozent auf 2,0 Prozent an. Die Inflationsprognose für 2019 wurde von 1,8 Prozent im März auf 1,5 Prozent gesenkt. Die Prognose für die Arbeitslosenquote sank leicht auf 3,6 Prozent für 2019, gegenüber der vorherigen Prognose von 3,7 Prozent. Warum also die Kehrtwende? 

Es wäre vielen Marktteilnehmern – so auch uns – jedenfalls lieber, wenn die Fed nicht nur darauf abzielte, die Märkte zu beruhigen. Sie sollte besser dann eingreifen, wenn eine auffallende Verlangsamung der Wirtschaftsaktivität eintritt oder wenn sich die Handelsspannungen derart zuspitzen, dass ein Abschwung für das zweite Halbjahr und bis ins Jahr 2020 abzusehen ist.