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OLG Hamburg bestätigt
Mehrfachagent bietet keine unabhängige Beratung
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OLG Hamburg bestätigt Mehrfachagent bietet keine unabhängige Beratung

Im Büro
Im Büro: Das OLG Hamburg hat geurteilt, wann ein ein Vermittler sich „unabhängig“ nennen darf. | Foto: Pexels/Andrea Piacquadio

Begriffe wie Versicherungsmakler, Versicherungsvertreter oder Versicherungsvermittler werden nicht nur in der Umgangssprache häufig synonym verwendet. Auch innerhalb der Versicherungsbranche werden diese Begrifflichkeiten des Öfteren vermischt. Dabei ist eine strenge Unterscheidung schon aufgrund der verschiedenen Rechte und Pflichten der Vermittlertypen geboten. Das OLG Hamburg hat sich in seinem aktuellen Hinweisbeschluss (27. Februar 2023 – 5 U 114/20) mit der Frage befasst, ob ein Versicherungsvertreter als Mehrfirmenvertreter auf seiner Webseite mit einer unabhängigen Beratung werben darf – obwohl er keine Erlaubnis als Versicherungsmakler oder Versicherungsberater hat.

Diesem Berufungsverfahren vor dem OLG Hamburg ist bereits ein erstinstanzliches Verfahren vor dem LG Hamburg vorangegangen (Urteil vom 25. Juni 2020, Az. 327 O 445/19). 

Dürfen Mehrfachagenten mit Unabhängigkeit werben?

Björn Thorben M. Jöhnke, Foto: Jöhnke & Reichow

Die von der Kanzlei Jöhnke & Reichow vertretene Klägerin ist Versicherungsmaklerin gemäß Paragraf 34d Abs. 1 Ziffer 2 GewO (Gewerbeordnung) und in das Vermittlungsregister eingetragen. Sie macht einen Unterlassungsanspruch geltend (gemäß den Paragrafen 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG - Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Die Gesellschafter der beklagten Gesellschaft verfügen unter anderem über eine gewerbliche Zulassung als Versicherungsvertreter gemäß Paragraf 34d Abs. 1 GewO, nicht jedoch als Versicherungsmakler.

Die beklagte Gesellschaft  warb auf ihrer Webseite mit „unabhängiger Beratung“ rund um das Thema Versicherungen. Die klagende Versicherungsmaklerin und die Kanzlei Jöhnke & Reichow waren der Ansicht, dass diese Begriffsverwendung irreführend sei. Denn als Versicherungsvertreter – egal ob als Einfirmenvertreter oder als Mehrfirmenvertreter – stehe man rechtlich im Lager der Versicherung und nicht im Lager des Versicherungsnehmers. Das ergibt sich bereits aus dem Gesetz und den weiteren Pflichten des Versicherungsvertreters.

Eine Unabhängigkeit bestehe demnach auch nicht, wenn es sich um einen Mehrfachagenten handelt, der für mehrere Versicherungsunternehmen tätig wird. Die Verwendung des Begriffes „Beratung“ suggeriere jedoch, dass es sich um einen Versicherungsberater gemäß Paragraf 34d Abs. 2 GewO handle. Dieser erhält sein Honorar für die Beratung direkt vom Versicherungsnehmer und steht somit  in dessen Lager. Eine Zulassung als Versicherungsberater nach Paragraf 34 d Abs. 2 GewO oder als Versicherungsmakler bestehe bei den Gesellschaftern allerdings gerade nicht. Die werbende Aussage ist kann gemäß UWG irreführend sein.

So argumentieren die beklagten Mehrfachagenten

Die Gesellschafter der beklagten Gesellschaft wandten ein, dass sie als Mehrfachagenten sehr wohl unabhängig seien. Denn sie beraten und vermitteln Produkte von mehr als 100 Versicherern – über den Finanzdienstleister Telis Finanz Vermittlung. Telis hat ebenfalls eine Erlaubnis als Versicherungsvertreter, nicht jedoch als Versicherungsmakler. Kein Versicherer mache ihnen Vorgaben oder nehme Einfluss auf die Geschäfte oder ihre Beratungen. Deshalb sei kein Interessenkonflikt zu befürchten.

Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Versicherer der Gesellschaft bei Vertragsabschluss eine Provision zahle. Denn auch vom Versicherungsmakler werde gesagt, dass er im Lager des zukünftigen Versicherungsnehmers stehe – obwohl er von der Versicherung bei Abschluss eine Courtage erhalte. Auch dort bestehe eine rechtliche Beziehung zwischen Makler und Versicherer.

 

Nach Auffassung der beklagten Versicherungsvertreterin würden Mehrfachagenten während der Beratung die Aufgabe eines Versicherungsmaklers wahrnehmen. Erst bei Vertragsanbahnung werde die Vertretertätigkeit ausgeübt. Auch die Tatsache, dass die Versicherungsvertreter nicht immer Angebote aller Versicherungen unterbreiten können, spreche nicht gegen ihre Unabhängigkeit. Denn bei mehr als 100 Versicherern könne auch ein einzelner Makler nicht jeden Versicherer anbieten.

Zudem habe die klagende Versicherungsmaklerin nicht ausreichend dargelegt, dass überhaupt eine für den Unterlassungsanspruch notwendige Wettbewerbssituation zwischen ihr und der Gesellschaft bestehe, argumentierte die beklagte Gesellschaft. Weiterhin sei die Klage zu unbestimmt, da die alleinige Berufung auf das Fehlen der Makler- bzw. Beratererlaubnis dem Begründungserfordernis nicht genüge.

Das sagt das OLG Hamburg

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Nachdem bereits das Landgericht Hamburg weitestgehend zu Gunsten der Versicherungsmaklerin entschieden hatte, sagte das Oberlandesgericht Hamburg in seinem Hinweisbeschluss, dass es das Urteil des LG Hamburg bestätigen werde. Das OLG Hamburg riet den Beklagten, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzunehmen, da keine Aussicht auf Erfolg bestehe. 

Um einen Unterlassungsanspruch zu begründen, muss nachgewiesen werden, dass ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Hier genügte es dem OLG Hamburg, dass die Versicherungsmaklerin ihre Gewerbeerlaubnis, Nachweise zur allgemeinen Geschäftstätigkeit, Bilanzen und eine Kundenliste vorlegte. Entgegen der Auffassung der beklagten Versicherungsvertreterin war damit nicht nur die Existenz der Versicherungsmaklerin belegt, sondern auch ihre tatsächliche Betätigung als Maklerin.

In wessen Lager steht der Mehrfachagent? 

Das OLG Hamburg teilt die Auffassung des LG Hamburg, dass der Mehrfachagent – wie der Einfirmenvertreter – im Lager des Versicherers stehe. Denn Versicherungsvertreter stünden in einer vertraglichen Beziehung zu einem oder mehreren Versicherern. Sie verfügen über eine gesetzliche Vertretungsmacht. Verletzt der Versicherungsvertreter seine Sorgfalts- und Aufklärungspflichten, so richteten sich Haftungsansprüche üblicherweise gegen den Versicherer, nicht gegen den Vertreter.

 

Der Versicherungsvertreter sei somit dem Lager des Versicherers zuzuordnen. Anders als beim Versicherungsmakler bestehe eben kein Vertrag zwischen dem Vertreter und dem künftigem Versicherungsnehmer, sondern nur zwischen Vertreter und Versicherer.

Courtagen – widersprechen sie der Unabhängigkeit des Maklers?

Das OLG Hamburg pflichtet dem LG Hamburg auch hierin bei: Für eine Unabhängigkeit zählt die Sicht des angesprochenen Personenkreises. Bei einem unabhängigen Vermittler gehe man davon aus, dass dieser allein dem Versicherungsnehmer gegenüber vertraglich verpflichtet sei. Die Interessen des Versicherungsnehmers nehme er neutral wahr. Wenn dagegen ein Mehrfachagent auf seiner Internetseite mit einer unabhängigen Beratung wirbt, könne das Interessenten in die Irre führen. Denn es könne den Anschein erwecken, dass der betreibende Versicherungsvertreter allein die Interessen des Kunden vertrete und nicht auf Rechnung der Versicherungen tätig werde, so das OLG Hamburg.

Dem stehe auch nicht entgegen, dass Versicherungsmakler bei Vertragsschluss eine Courtage von der Versicherung erhalten. Denn der Versicherer müsse den Vertrag, den der Makler angebahnt hat, noch selbst mit dem zukünftigen Versicherungsnehmer abschließen. Dadurch verpflichte er sich, dem Makler eine Courtage zu zahlen. Der Versicherungsvertreter hingegen könne aufgrund seiner Vertretungsmacht den Vertragsschluss und somit die Provisionszahlung eigenständig herbeiführen. Die Beziehung zwischen Versicherungsmakler und Versicherer hinsichtlich der Courtage sei also nicht mit der Provisionszahlung an den Versicherungsvertreter vergleichbar.

Mehrfachvertreter versus Makler – Fazit und Praxishinweis

Versicherungsvertreter werden dem Lager der Versicherungen zugerechnet – auch wenn sie als Mehrfachagenten für mehrere Versicherungen tätig sind. Denn sie haben eine gesetzliche Vertretungsmacht für die Versicherer und sind deren Wissensvertreter. Damit sind sie nach Verkehrsanschauung nicht unabhängig. Werben sie trotzdem mit unabhängiger Beratung, kann das wettbewerbsrechtliche Ansprüche nach sich ziehen.

Versicherungsmakler hingegen sind nicht schon deshalb abhängig, weil sie bei Vertragsabschlüssen eine Courtage bekommen. Denn die Begründung der Verpflichtung zur Zahlung liegt in der Hand der Versicherer. Makler schließen einen Maklervertrag mit dem zukünftigen Kunden. Diesem gegenüber haben sie vertragliche Pflichten. Anders als Vertreter stehen Makler im Lager des Versicherungsnehmers.

Aus der Einschätzung des LG Hamburg und des OLG Hamburg lässt durchaus schließen, dass sich der Versicherungsmakler grundsätzlich als „unabhängig“ bezeichnen darf. Natürlich ist auch hier jeder Einzelfall zu bewerten. Nicht ausgeschlossen ist, dass auch Versicherungsmakler ihre Unabhängig verlieren – zum Beispiel, wenn es Fremdbeteiligungen von Versicherungsunternehmen am Versicherungsmakler gibt.


Über den Autor:

Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz. Jöhnke ist Partner der Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Jöhnke & Reichow. Die Kanzlei hält regelmäßig Veranstaltung zum Wettbewerbs- und Vermittlerrecht und veranstaltet einen jährlichen Vermittlerkongress.

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