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„Meilenweit entfernt von einer Rezession“

Gottfried Urban, Neue Vermögen
Gottfried Urban, Neue Vermögen
1.000 Punkte hat der deutsche Leitindex binnen Wochenfrist verloren. Panik regiert die Märkte und die Zuflüsse in die Safe-Havens halten an. 2-jährige Treasuries rentieren auf einem Rekordtief (0,257 Prozent), in der Schweiz fiel die Rendite 2-jähriger Bonds ins Negative, während der Kurs des Euro gegenüber dem Schweizer Franken im asiatischen Handel ein neues Tief markierte.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Zentralbanken in den nächsten Tagen konzertiert in den Markt eingreifen ist hoch, so dass extreme Vorsicht auch in den vermeintlichen Safe-Havens geboten ist.

An den aktuellen Konjunkturdaten kann das nicht liegen. Auch wenn die volkswirtschaftlichen Indikatoren eine Abkühlung der Weltwirtschaft anzeigen – von einer Rezession sind wir meilenweit entfernt. Das bestätigen mir auch viele Gespräche mit Führungskräften aus der Wirtschaft. Schulden- und Währungskrise haben die Kurse auf Talfahrt geschickt.

Kein exogener Schock

Kursstürze, wie wir sie im Moment erleben, kannten wir bislang nur von exogenen Schocks wie etwa der Lehman-Pleite oder den Terroranschlägen des 11. September, also einem Ereignis, dass urplötzlich und unvermutet auftaucht.

Doch wo war das Schock-Ereignis des August 2011? Sind es die vielen computergestützten Verkaufsprogramme, die für Druck sorgen? Oder vielleicht die Hedgefonds-Industrie, ist dort eine Schieflage? Sind die Zahlen von einigen konjunkturabhängigen Branchen einfach zu gut gewesen? Zugegeben, viele Unternehmen produzieren an der Kapazitätsgrenze. Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt. Früher oder später befeuert das Löhne und Preise. Ein „Schock“ sieht freilich anders aus.

Das konjunkturelle Umfeld ist robust. Wir befinden uns in der Mitte des Konjunkturzyklus. Die Impulse der Geldpolitik sind verebbt, die Wirtschaft läuft dennoch wie geschmiert. Sicher, die Schuldenkrise in den USA und der Eurozone birgt auch konjunkturelle Risiken. Schließlich sind die öffentlichen Haushalte gezwungen, die Ausgaben zu drosseln. Andererseits: Es wäre das erste Mal, dass ein Zyklus nur zwei Jahre dauert.

Stabilität im Portfolio

Anstelle von konjunktursensiblen Branchen wie der Automobil- und Ausrüstungsindustrie sollten aber jetzt Aktien aus konjunkturunabhängigeren Bereichen wie zum Beispiel dem Nahrungsmittel- und Pharmabereich beigemischt werden. Das verbessert die Stabilität des Portfolios. Hier bieten sich auch entsprechende Aktienfonds mit einem wertorientiertem Ansatz an. Diese kaufen Aktien mit Sicherheitspuffer, also einem erheblichen Abschlag zum fairen Preis.

Es kommt also zunehmend auf die Auswahl an. Die Unternehmen defensiverer Sektoren sind weniger stark von der Konjunktur und aktuellen Entwicklungen abhängig. Ihrem relativ geringen aber dafür weniger zyklischem Gewinnwachstum stehen jedoch stabile Cashflows und solide Margen gegenüber. Sie bilden die Basis für attraktive Dividendenrenditen, die bis zu fünf Prozent betragen und damit deutlich über der Rendite sicherer zehnjähriger – sprich: deutscher – Staatsanleihen liegen.

Global agierende Unternehmen bieten einen guten Schutz vor starken Kursschwankungen. Viele defensive Aktien sind nicht teuer im Verhältnis zu anderen Anlageklassen und zudem jederzeit liquidierbar. Wir haben in unseren Depotstrategien entsprechende Anpassungen vorgenommen und setzen verstärkt auf sogenannte wertorientierte Fonds und Sachwerte. Daneben gehören Immobilien, Grund und Boden mit Wald, ein wenig Gold sowie kurzlaufende Industrieanleihen ins Depot. Auch wenn Sachwerte stärker schwanken, noch nie war ein breit gestreutes Depot so wertvoll wie heute.

Zur Technik: Innerhalb von fünf Tagen entfernte sich der Eurostoxx um 20 Prozent von seiner 200er-Linie. Für die Techniker ist der Langfristtrend jetzt zerstört (Eurostoxx). Gleichwohl erwarten wir eine Erholung in Richtung 6.700 bis 6.800 Punkten. Ob die Techniker recht behalten werden wird sich zeigen, zumindest müssten diese jetzt konsequenterweise aus dem Markt raus sein.


Zum Autor:
Gottfried Urban ist Vorstand der Neue Vermögen AG in Traunstein und einer der Experten von www.vermoegensprofis.de.

In DAS INVESTMENT.com äußern sich renommierte Vermögensverwalter in regelmäßigen Kolumnen zu aktuellen Finanz- und Kapitalanlagethemen.

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