Meinung Europas Börsen: Wenn der Dackel den Windhunden hinterherläuft
Kennen Sie das Gefühl, wenn Sie bei einem Wettrennen immer Zweiter werden? Nicht schlecht genug, um aufzugeben, aber auch nie gut genug, um ganz vorne mitzumischen? Willkommen in der Welt der europäischen Aktienmärkte!
Während die Wall Street trotz der Ereignisse der vergangenen Tage in den letzten Monaten Champagner-Laune verbreitete, sah man an Europas Börsen eher lange Gesichter. Seit Mai geht's bergab, und die Berichtszeiten sind mittlerweile so erfreulich wie ein Zahnarztbesuch ohne Betäubung.
Erinnern Sie sich noch an das erste Quartal? Da klang alles noch so hoffnungsvoll. Die EZB senkte die Zinsen, und plötzlich träumten wir vom großen Comeback des alten Kontinents. Doch dann kam die Realität um die Ecke – in Form einer Flut von Gewinnwarnungen. Von Airbus bis Burberry, von Puma bis Lufthansa: Überall wurde der Daumen gesenkt!
Die Nachfrage schwächelt im Westen wie im Osten
Zugegeben, ganz so düster ist das Bild nicht. Die Umsätze wachsen wieder, und die Margen sind robust. Mehr Unternehmen übertrafen die Erwartungen als dass sie sie verfehlten. Besonders die Finanzbranche glänzte mit positiven Überraschungen. Aber wer genau hinhörte, dem wurde schnell klar: Die Chefetagen Europas schwitzen Blut und Wasser.
Nicht weniger als 40 Unternehmen haben ihre Prognosen in dieser Berichtssaison nach unten korrigiert. Das ist mehr als doppelt so viel wie im ersten Quartal. Unisono heißt es: Die Nachfrage schwächelt. Besonders in China, dem Hort für Luxus, Autos, Halbleiter und Chemie, ist der Blick nach vorne eingetrübt.
Und als wäre das nicht genug, schwächelt auch noch die andere Seite des Atlantiks. „Die zarte europäische Erholung ist wieder einmal äußeren Kräften ausgeliefert“, warnten die Analysten der UBS. Die haben sogar einen eigenen Index für China-exponierte europäische Aktien. Dort führen Luxus- und Autofirmen diesen traurigen Abstieg an.
Prost auf den Untergang
Und es wird mittelmäßig bleiben, sagt „Bloomberg“. Deren Analysen zufolge liefern die Gesamtdaten der europäischen Unternehmen einfach nicht den nötigen Kick, um die Bewertungen nennenswert nach oben zu treiben. Es fehlt der Funke, der Zauber - oder einfach nur die harten Fakten. Für das gesamte Jahr 2024 erwarten die Branchenkenner ein Nullwachstum bei Gewinnen.
Es überrascht daher nicht, dass Anleger vermehrt sogar die robusteren Aktien Europas verkaufen, um wenigstens noch ein paar Gewinne einzustreichen. Es ist, als würde man die letzte Flasche Champagner auf einer sinkenden Yacht entkorken. Prost auf den Untergang!
Warten auf den Euro-Realismus
Nur: Was machen wir jetzt mit dieser Misere? Vielleicht sollten wir einfach unsere eigene Investmentstrategie entwickeln. Nennen wir sie „Euro-Realismus“: Wir erwarten nichts und sind dann positiv überrascht, wenn doch etwas kommt. Oder wir setzen weiter auf den „Phönix-Effekt“, den Asset Manager jedes Jahr beschwören: Irgendwann muss Europa ja aus der Asche aufsteigen. Hoffentlich.
Vielleicht sind wir also am Ende dieses Tals der Tränen doch die coolen Underdogs, die alle überraschen. Und wenn nicht? Nun, dann haben wir immer noch den besten Wein und das leckerste Essen. Das ist doch auch was, oder? Bis dahin heißt es: Augen zu und durch. Oder wie Finanzprofis sagen: Diversifizieren und lächeln.