
Am Auto ist eine teure Reparatur fällig, die nicht vom laufenden Girokonto gedeckt ist. Nutzen Sie dafür den Dispokredit mit hohen Überziehungszinsen, oder gehen Sie gar an das Sparkonto für die Ausbildung Ihres Kindes?
Oder Sie erhalten eine 400-Euro-Gutschrift infolge einer Reklamation, für die Sie viele E-Mails geschrieben, Anrufe getätigt und lange Formulare ausgefüllt haben. Gehen Sie mit Ihrem Partner nun vor lauter Freude in ein schönes Restaurant oder lassen Sie das Geld einfach auf Ihrem Konto liegen?
Fällt Ihnen das Bezahlen mit Karte, Handy oder Wearable leichter als wenn Sie bar bezahlen?
Und schließen Sie extra eine Reisekosten-Rücktrittsversicherung für eine Reise mit einem Wert von 1.000 Euro ab, obwohl Sie immer mehrere tausend Euro Guthaben auf Ihrem Konto verfügbar haben, um unerwartete Ausgaben stets begleichen zu können?
Ein Euro ist ein Euro: Warum wir gleiche Beträge unterschiedlich bewerten
Obwohl ein Euro rational betrachtet immer ein Euro ist, beeinflussen psychologische Faktoren unsere Entscheidungen und können zu, rein rational betrachtet, unlogischen Ergebnissen führen. Unlogisch ist es, einem Euro unterschiedliche Werte beizumessen, je nachdem welcher Ausgaben- beziehungsweise Einnahmenkategorie wir ihn zuordnen.
Für das erste Beispiel mit der Autoreparatur heißt das, dass man auf jeden Fall die teuren Dispozinsen vermeiden sollte, die höher sind als die Zinsen für das Sparkonto. Viele Leute nehmen aber den Dispokredit in Anspruch und lassen das Sparkonto unangetastet, weil sie sich emotional weigern, das Guthaben für die Zukunft der Kinder in Anspruch zu nehmen.
Wer sich hier vielleicht ertappt fühlt, die „falsche“, unlogische Entscheidung getroffen zu haben, sei insofern beruhigt, als dass es vielen Menschen so geht. Sie alle sind Opfer der mentalen Kontoführung. Dabei geht es um die Frage, wie Konsumenten und Anleger ihre finanziellen Transaktionen in ihrem Gehirn verbuchen. Mentale Kontenführung, englisch „mental accounting“, kann man sich so vorstellen wie die Buchhaltung in einem Unternehmen: Jede finanzielle Transaktion wird auf unterschiedlichen Konten verbucht, damit das Unternehmen den Überblick behält. Alle Ein- und Ausgaben auf einem Konto zu verrechnen, ist im Alltag zu komplex. Es überfordert uns. Mit der mentalen Kontoführung wollen wir die Kontrolle behalten.
Wissenschaftlicher Hintergrund: Darum separieren wir unsere mentalen Konten
Mentale Konten schaffen Übersichtlichkeit bei der Gesamtbeurteilung unserer finanziellen Situation, dabei werden Verluste anders bewertet als Gewinne. In der Theorie der mentalen Kontoführung existieren drei Arten von Konten:
- Konten für laufende Ausgaben (Konsum, Miete),
- für Ersparnisse (Altersvorsorge, Rücklagen)
- und für das laufende Einkommen (reguläres und unverhofftes Einkommen).
Richard Thaler, Verhaltensökonom und U.S.-Präsidenten-Berater, zeigt in seinen Experimenten, dass Menschen sehr stark zwischen diesen Konten unterscheiden, so als ob sie vollkommen separat zu betrachten sind. Unser Entscheidungsverhalten hängt davon ab, auf welchem mentalen Konto sich das jeweilige Geld befindet. Beispielsweise sind Menschen bereit, zweistellige Überziehungszinsen auf dem Girokonto zu zahlen, wenn es im Minus ist, während gleichzeitig auf dem Sparkonto sehr niedrig verzinstes Geld fürs Alter liegt.
Statt rationalen Investitionsregeln zu folgen, vernebelt unser Bestreben, die einzelne Position (das einzelne Konto) im Plus zu halten, die Optimierung des Gesamtertrags und das Steuern des Gesamtrisikos unseres Portfolios.
Im Ergebnis kommt genau das Gegenteil davon raus, was wir mit der mentalen Kontoführung eigentlich erreichen wollen: Wir verlieren den Überblick über die Gesamtheit unserer Anlagen, weil wir uns zu sehr mit einzelnen Werten unseres Portfolios beschäftigen.
Bei Kapitalanlagen kann es so passieren, dass wir an einzelnen Positionen zu lange festhalten, weil wir sie noch ins Plus drehen wollen, während es möglicherweise an anderer Stelle wesentlich attraktivere Anlagemöglichkeiten gibt, die die Gesamtperformance unserer Anlagen erhöhen.
Was ist zu tun?
- Wir müssen uns bewusstwerden, wann wir wieder einmal unsere Entscheidungen aufgrund mentaler Kontenführung treffen und uns fragen, wie sinnvoll diese wirklich sind. Schärfen Sie Ihre Wahrnehmung.
- Automatisieren Sie Ihre Sparvorgänge.
- Diversifizieren Sie Ihr Portfolio.
Über die Autoren
Christoph D. Wahlen und Gösta Jamin sind Gründer der Finanzakademie by Pro Coaching. In den vergangenen Jahrzehnten haben die beiden an der Börse selbst schmerzliche Erfahrungen mit Fehlern gemacht, die eigentlich vermeidbar gewesen wären. In der Serie „Geld-Psychologie" schreiben sie über Fallen, die unser Gehirn uns stellt, um dir dabei zu helfen, sie aufzudecken und zu vermeiden. Mehr Infos und Weiterbildungsangebote findest du auf Finanzakademie – by PRO Coaching.