Merger-Experte Kai Lucks
Fusionen fordern Management

Kai Lucks ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions. Foto: Bundesverband Mergers & Acquisitions
Fusionen verändern Unternehmen stark und führen oft sogar zum Identitätsverlust. Kai Lucks, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions, erklärt im zweiten Teil seines Überblicks am Beispiel Siemens, wie es dazu kommt.
Fusionen sind in der Konzernwelt an der Tagesordnung. Als herausragendes Beispiel sei Siemens zu nennen, wie General Electric in den USA die Ikone schlechthin für die ganze Breite der Elektroindustrie in Deutschland. Auch hierzulande lief die strukturelle Entwicklung, den strategischen Modebewegungen entsprechend und keineswegs antizipativ in den zeittypischen Phasen ab. 1968 wurde der Gesamtkonzern geformt, aus der Zusammenlegung der drei Siemens-Markengesellschaften Siemens-Schuckert (Starkstrom), Siemens & Halske (Schwachstrom) und Siemens Reiniger (Medizintechnik).
Das daraus entstandene breite Portfolio von über 140 Geschäftsfeldern wurde in den Folgejahren durch Zukäufe und...
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Fusionen sind in der Konzernwelt an der Tagesordnung. Als herausragendes Beispiel sei Siemens zu nennen, wie General Electric in den USA die Ikone schlechthin für die ganze Breite der Elektroindustrie in Deutschland. Auch hierzulande lief die strukturelle Entwicklung, den strategischen Modebewegungen entsprechend und keineswegs antizipativ in den zeittypischen Phasen ab. 1968 wurde der Gesamtkonzern geformt, aus der Zusammenlegung der drei Siemens-Markengesellschaften Siemens-Schuckert (Starkstrom), Siemens & Halske (Schwachstrom) und Siemens Reiniger (Medizintechnik).
Das daraus entstandene breite Portfolio von über 140 Geschäftsfeldern wurde in den Folgejahren durch Zukäufe und Desinvestitionen umgebaut. Zwischen 1990 und 2010 ergaben sich daraus über 1.500 grundlegende strukturelle Veränderungen bei Geschäften und Gesellschaften, die auf rund 500 M&A-Projekte, deren Integrationen beziehungsweise Carve-Outs zurückgehen. Der größte Eingriff in das Portfolio wurde 1998 mit dem Rückzug aus den renditeschwachen Bauelemente-Bereichen eingeleitet.
Die größten Einschnitte musste Siemens ab dem Jahr 2002 mit dem Rückzug aus dem gesamten Kommunikationsgeschäft verkraften, ein Eingeständnis jahrzehntelanger Misswirtschaft des zuständigen Managements. Damit war vor allem die Geschichte von Siemens & Halske zu Ende, ein großer Einschnitt in das kulturelle Selbstverständnis des Konzerns. 2008 markiert dazu das Ende der Siemens Computersparte, als sich der Konzern aus dem Joint Venture mit Fujitsu zurückzieht. In diesem Sektor hatte 1990 die Übernahme von Nixdorf stattgefunden, die unter allen M&A-Projekten der Siemens AG die schlechteste Performance aufweisen sollte.
Diese beiden Siemens-Rückzüge markieren praktisch den Ausstieg Deutschlands aus den Grundlagebranchen der sogenannten Industrie 4.0. Auf weitere wichtige Portfolioveränderungen, wie etwa aus der Übernahme der Mannesmann Industrietechnik, Ein- und Ausstiege bei der Automobilelektronik und der Aufbau des Schienenfahrzeug-Geschäftes durch eine Reihe von Übernahmen sei hier verzichtet.
Das Neue in der Ära Kaeser
Eine neue Ära der Portfoliopolitik zog mit Joe Kaeser ein, seit 2013 Vorstandsvorsitzender des Konzerns. Er charakterisiert den Elektro- und Elektronikkonzern als Konglomerat, bei dem das Licht auszumachen sei und übernimmt damit die Sprechblasen externer Interessen aus dem Kreis der Großaktionäre und aktivistischer Investoren. Siemens stände aus zu vielen Säulen, die Zukunft gehöre den fokussierten Spezialisten.
Damit kehrt er vom bis dato ehernen Konzept des integrierten Unternehmens den Rücken, das sein Portfolio aktiv steuert. Somit führt er das Unternehmen in eine Holding über, bei dem sich die Machtzentren zunehmend nach außen verlagern. Jeder bestimme seine Geschicke selbst, sei es nun die jeweilige Ex-Siemens-Einheit, sei es im Einzelfall der stärkere externe Geschäftspartner.
Das neue Strukturmodell
Kaesers Konzept ist die bis Ende 2020 umzusetzende Aufspaltung des Konzerns in drei Aktiengesellschaften:
(1) der industrielle Kern von Siemens, unter dem Schlagwort „Ingenuity for Life“, derzeit bestehend aus zwei „Operating Companies“, nämlich intelligente Infrastruktur bei Gebäuden und dezentralen Energiesystemen (Smart Infrastructure, 72.400 Mitarbeiter) sowie Automatisierung und Digitalisierung in der Prozess- und Fertigungsindustrie (Digital Industries, 76.200 Mitarbeiter), und Siemens Mobility (bisher separat als „Strategic Company“ geführt, 36.800 Mitarbeiter) . Die Einheit steht im Wesentlichen für die digital-getriebenen Infrastrukturen, die sogenannten „Digital Industries“.
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