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Metzler-Ausblick 2013: Fluch und Segen niedriger Zinsen

Frank Naab, Leiter des Portfoliomanagements bei Metzler
Frank Naab, Leiter des Portfoliomanagements bei Metzler
22. Juni 2012: Dieses Datum markiert ein Novum in der Kapitalmarktgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zweijährige Staatsanleihen werden mit einer negativen Rendite emittiert! Es mutet schon seltsam an: Der Bund kassiert eine Prämie, wenn er Kredit aufnimmt, statt den Anlegern eine Rendite zu zahlen. Den Finanzminister dürfte es freuen. Aber bekanntermaßen ist des einen Freud des anderen Leid.

Da die Europäische Zentralbank (EZB) kurz darauf auch noch den Einlagenzinssatz, der für die Tagesgeld- und kurzfristigen Termingeldsätze von Banken im Einlagengeschäft maßgeblich ist, auf Null senkte, herrscht seitdem bei Anleihen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren für (Zins-)Anleger damit quasi ein „Nullzinsregime“. Und auch die Zinsstrukturkurve für Anleihen mit längeren Laufzeiten verläuft relativ flach: Zehnjährige deutsche Staatsanleihen, die Kapitalmarktteilnehmer immer noch als „risikolos“ einstufen, rentieren gerade mal mit 1,6 % – vor Steuern und Inflation wohlgemerkt.

Die finanzielle Repression lässt grüßen, der leise Diebstahl setzt sich fort. Gerade Anleger in Nominalvermögen, wozu ja Festgeldanlagen und Anleihen als Forderungen bzw. Gläubigerpapiere gehören, tappen damit in die „ Realzinsfalle“. Nunmehr zeigt sich immer deutlicher, dass (zu) niedrige Zinsen Fluch und Segen zugleich sind. Auf der einen Seite bedeuten sie einen Segen, weil sie die Kredit- und Investitionsnachfrage stimulieren, die Bilanzsanierung im privaten und öffentlichen Sektor erleichtern, die Vermögenspreise – insbesondere von Sachwerten – stützen und gemeinsam mit einer sehr expansiven Geldmengenpolitik deflationäre Tendenzen entschärfen können.

Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass die rekordtiefen Zinsen – in Verbindung mit einer überaus reichlichen Kreditversorgung – Fehlanreize verursachen und dies unter Umständen zu Preisverzerrungen und -blasen bei bestimmten Vermögensgegenständen wie Immobilien führen könnte. Vor allem dürften verschiedene Anlageformen durch dauerhaft niedrige Zinsen „diskriminiert“ werden.

Dies gilt vor allem, wenn die Inflationserwartungen und in der Folge die Verbraucherpreise steigen. Je länger die Niedrigzinsphase bzw. die Phase negativer Realzinsen andauert – und die großen Notenbanken und etliche Regierungen scheinen dies zu beabsichtigen –, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit für unerwünschte Nebenwirkungen.

Auf diesem Wege werden bereits heute und wohl auch künftig unter anderem Privatanleger, Sparer, Versicherungen, Pensionskassen und Stiftungen erheblich an den Kosten für die Rückführung der ökonomischen Ungleichgewichte – zum Beispiel der hohen Staatsverschuldung – beteiligt. Die Gretchenfrage lautet also: Was tun, um der Realzinsfalle zu entkommen? Wer für längere Zeit eine negative reale Rendite erwartet, sollte unseres Erachtens die zinstragenden Teile des Vermögens – mit Ausnahme inflationsgebundener Anleihen – reduzieren und die freiwerdenden Mittel in andere Anlageklassen investieren.

Dafür bieten sich aus unserer Sicht zum Beispiel Aktien an, die wir heute zu den günstigsten Sachwerten zählen. Als US-amerikanische Großanleger nach dem Zweiten Weltkrieg feststellten, wie nachteilig sich ihre Zinsanlagen in der Phase einer finanziellen Repression entwickeln, entwarfen sie ein Modell, das auch heute noch unter der Bezeichnung „balanced“, also „ausgewogen“, vielfach zum Einsatz kommt – auch in unserem Hause: Das Vermögen wurde puristisch, aber wirkungsvoll zu ca. 60 % in Aktien und ca. 40 % in Anleihen allokiert.

Zwischen 1945 und 1980 waren die Realrenditen in den USA häufig negativ. Verarmt sind Investoren mit dieser Strategie trotzdem nicht. Aber welchen Preis hatte und hat ein Investor mit dieser Anlagestrategie zu zahlen? Nun, er muss das Risiko höherer Wertschwankungen eingehen – aber, wie Carl Améry schon sagte: „Risiko ist die Bugwelle des Erfolges.“

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