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Metzler-Chefvolkswirt: „Die Aktienmärkte in der Eurozone und in Osteuropa haben die attraktivste Bewertung“

Edgar Walk
Edgar Walk
Rentenmärkte

Dank der umfangreichen Liquiditätsschritte der Europäischen Zentralbank (EZB) beruhigte sich die Lage am europäischen Rentenmarkt im ersten Quartal etwas. Insbesondere italienische Staatsanleihen wurden von Investoren stark nachgefragt: Dementsprechend wies der JPMorgan-Rentenindex für italienische Staatsanleihen einen Wertzuwachs von 11,4 Prozent in den ersten drei Monaten 2012 aus – demgegenüber für spanische Anleihen nur ein Plus von 1,3 Prozent und für Bundesanleihen sogar nur eine „schwarze Null“. Die Nachfrage nach italienischen und spanischen Staatsanleihen kam vor allem von Banken aus beiden Ländern, die sich Geld zu voraussichtlich 1,0 Prozent p. a. für die nächsten drei Jahre bei der EZB besorgt hatten, um es in höher rentierende Staatsanleihen in ihren Heimatmärkten zu investieren.

Im März trübte sich das Bild am europäischen Rentenmarkt jedoch sukzessive wieder ein. Zuvor hatte Spaniens Regierung bekanntgegeben, dass sie ihre Sparziele für 2011 und 2012 dramatisch verfehlt hat bzw. verfehlen wird: Im vergangenen Jahr lag das Haushaltsdefizit mit 8,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) deutlich über dem Zielwert von 6,0 Prozent. Und in diesem Jahr plant die spanische Regierung nur noch ein Haushaltsdefizit von 5,3 Prozent des BIP zu erreichen, während ursprünglich ein Defizitziel von 4,4 Prozent mit der Europäischen Kommission vereinbart worden war. Die Verfehlungen Spaniens weckten die Ängste der Investoren, dass die Staatsschuldenkrise in Europa erneut eskalieren könnte.

Neben den Einsparungen der Staaten braucht die Eurozone ein hohes nominales Wirtschaftswachstum, um die Verschuldung nachhaltig abbauen zu können. Vor diesem Hintergrund sind Strukturreformen in vielen Euro-Mitgliedsländern von ebenso großer Bedeutung wie eine anhaltend hohe Inflation. Die geldpolitischen Schritte der EZB in den vergangenen Monaten zeigen, dass die Stabilität der Eurozone deutlich stärker in den Fokus der Notenbanker gerückt ist als die Inflation. Wenn sich die Staatsschuldenkrise in der Eurozone im zweiten Quartal weiter verschärfen sollte, dürfte die EZB sehr wahrscheinlich versuchen, die Lage mit neuen Liquiditätsprogrammen zu stabilisieren.

In diesem von Unsicherheit geprägten Umfeld gewannen Bundesanleihen gegen Ende März als sicherer Anlagehafen wieder an Attraktivität, und ihre Renditen gingen deutlich zurück. Das Renditeniveau zehnjähriger Bundesanleihen koppelte sich gegen Quartalsende zunehmend von den Fundamentaldaten ab. Wenn solide Konjunkturdaten das Szenario einer anhaltend sich erholenden Weltwirtschaft bestätigen und sich die Ängste vor einer erneut eskalierenden Staatsschuldenkrise in Europa als übertrieben erweisen sollten, drohen im zweiten Quartal dramatische Kursverluste bei Bundesanleihen.

Aktienmärkte

Die internationalen Aktienmärkte begannen das Jahr 2012 mit einem freundlichen ersten Quartal und verzeichneten in vielen Regionen zweistellige Kursgewinne. Interessanterweise zeigen die Fondsstatistiken, dass die meisten Privatanleger in den USA und in Europa die vermeintlich guten Kurse zu Verkäufen nutzten und sich per saldo vom Aktienmarkt verabschiedeten.

Dies zeigt, dass sich das Verhalten von Privatanlegern grundsätzlich verändert hat. Früher tendierten Privatanleger bei Kursgewinnen dazu, Aktien aufzubauen und somit den Aufwärtstrend zu verstärken. Die Kursgewinne an den Börsen im ersten Quartal waren vor diesem Hintergrund hauptsächlich getrieben durch die Aktienrückkäufe der Unternehmen, wodurch die Verkäufe der Privatanleger mehr als ausgeglichen wurden. Hinzu kam eine neue Anlegergruppe – wenn auch bisher nur in einem sehr geringen Umfang: Immer mehr Zentralbanken legen ihre Devisenreserven am Aktienmarkt an, so zum Beispiel die israelische Notenbank mit einem Kaufprogramm für US-Aktien.
 
Die Zurückhaltung der Privatanleger ist ein Signal dafür, dass die Aktienmärkte nicht überhitzt sind und durchaus noch moderates Kurspotenzial fürs zweite Quartal bieten. So sehen wir die leichte globale Konjunkturerholung als nach wie vor intakt an und erwarten, dass die wichtigsten Zentralbanken die Märkte weiterhin großzügig mit Liquidität versorgen werden.

Der weltweite Aufschwung und der Aufwärtstrend an den internationalen Aktienmärkten könnten jedoch durch eine sich wieder verschärfende europäische Staatsschuldenkrise erneut in Gefahr geraten. Insbesondere würde in diesem Fall die Kombination aus schärferen Einsparungen der Staaten und einer zurückhaltenden Kreditvergabe der Banken in vielen Euro-Mitgliedsländern die Rezessionstendenzen verstärken. Die Europäische Zentralbank müsste dann durch neue umfangreiche Liquiditätsprogramme versuchen, die Abwärtsspirale aufzuhalten.