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Metzler-Chefvolkswirt Edgar Walk Welche Spielräume bleiben in der nächsten Rezession?

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Der Preis für eine vorsichtigere Gangart wäre voraussichtlich eine steigende Inflation. Solange jedoch der Inflationsanstieg moderat bleibt, wäre es wahrscheinlich ein akzeptabler Preis für die Zentralbanken. Im August dürfte die Kerninflation (Freitag) sogar nur bei 2,0 % ohne größere Aufwärtsdynamik verharrt sein. Auch wenn die Zentralbanken anstreben, eine Rezession unter allen Umständen zu vermeiden, könnte die Weltwirtschaft trotzdem aufgrund eines politischen Schocks jederzeit in eine Abschwungphase eintreten.   

Sind Volkswirtschaften selbststabilisierend?

Vor der Großen Depression herrschte die Doktrin vor, dass Volkswirtschaften selbststabilisierend seien. Rezessionen seien somit ein notwendiges Übel, um die Wirtschaft von den Exzessen des vorangegangenen Booms zu befreien. Nach einer Bereinigung der Fehlallokation von Kapital sei dann die Basis für den nächsten Aufschwung gelegt. Eine antizyklische Wirtschaftspolitik sei in diesem Umfeld eher kontraproduktiv, da sie die schnelle Bereinigung von Fehlinvestitionen verhindere.

Die Große Depression erschütterte jedoch den Glauben an dieses Gedankengebäude, da die Weltwirtschaft ohne wirtschaftspolitische Unterstützung keinen Boden fand und immer schneller kollabierte. Der Grund dafür lag im Finanzsektor. So hatte die zunächst normale Rezession aufgrund der allgemein hohen Verschuldung Kreditausfälle bei Banken zur Folge. Kleinere Banken mussten ihre Türen schließen, und deren Kunden verloren zum Teil ihre gesamten Ersparnisse. Die Angst vor weiteren Verlusten führte zu einem Run auf die noch gesunden Banken, die dadurch zunehmend in Liquiditätsschwierigkeiten gerieten. Die Banken begannen Liquidität zu horten und vergaben keine neuen Kredite mehr. Die Kreditklemme verschärfte den wirtschaftlichen Abschwung, der wiederum zu steigenden Kreditausfällen bei den Banken führte. Ohne ein staatliches Eingreifen wäre ein Ende der Abwärtsdynamik kaum absehbar gewesen.

Im Gegensatz zu damals gibt es heute eine Einlagensicherung, die einen Run auf Banken verhindert, sowie Zentralbanken, die den Geschäftsbanken jederzeit ausreichend Liquidität zur Verfügung stellen. Nichtsdestotrotz könnte es im aktuellen Umfeld schwierig werden, die Weltwirtschaft ohne wirtschaftspolitische Unterstützung zu stabilisieren, da die Banken aufgrund der rekordhohen Verschuldung in einer Rezession vermehrt Kreditausfälle erleiden könnten, was sie dazu veranlassen könnte, die Kreditvergabe einzuschränken. Kredit ist nun einmal der Blutkreislauf einer Volkswirtschaft. So konnten unter anderem auch die Einlagensicherung und die üppige Zentralbankliquidität die große Rezession 2008 zwar deutlich abmildern, aber nicht verhindern.

Was kann die Wirtschaftspolitik in der nächsten Rezession überhaupt noch tun?

Wenn die Verschuldung niedriger wäre, hätten die Staaten mehr Spielraum für eine antizyklische Fiskalpolitik und die Zentralbanken könnten den Leitzins ohne Sorge vor einer neuen Schuldenkrise anheben. Es ist jedoch nicht einfach, die Verschuldung abzubauen. In der Vergangenheit gelang dies in der Regel mithilfe der finanziellen Repression, das heißt ein hohes nominales Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig künstlich niedrigen Zinsen.

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