Dr.-Klein-Vorstand im Interview Wohnungsbaukrise: „Die Förderprogramme sind Symbolpolitik – mehr nicht“
DAS INVESTMENT: Mit dem Baukindergeld-Nachfolger „Wohneigentum für Familien“ will die Bundesregierung junge Familien beim Erwerb eines Eigenheims unterstützen und energieeffizientes Bauen fördern. Die Zahl der geförderten Gebäude ist aber überschaubar. Was läuft da schief?
Michael Neumann: Junge Familien mit geringen und mittleren Einkommen beim Hausbau zu unterstützen, ist sicherlich sinnvoll. Allerdings sind die Baukosten in den vergangenen Jahren explodiert. Auch mit einer Förderung können sich das viele Menschen nicht leisten. Die Politik hat diese Entwicklung durch immer mehr Bürokratie und unzählige Auflagen zum Großteil selbst verschuldet. Wohin das führt, zeigen die neuesten Prognosen vom Ifo-Institut auf Basis heutiger Bauanträge und Baugenehmigungen: Das Ziel der Bundesregierung, auf 400.000 neue Wohnungen im Jahr zu kommen, rückt in immer weitere Ferne. Stattdessen werden es in einigen Jahren weniger als 200.000 sein.
Dabei hatte die Regierung bei dem genannten KfW-Programm sogar noch einmal nachgebessert und die Einkommensgrenze deutlich angehoben – Familien mit einem Kind dürfen nun maximal auf ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 90.000 Euro kommen – vorher waren es 60.000 Euro.
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DAS INVESTMENT: Mit dem Baukindergeld-Nachfolger „Wohneigentum für Familien“ will die Bundesregierung junge Familien beim Erwerb eines Eigenheims unterstützen und energieeffizientes Bauen fördern. Die Zahl der geförderten Gebäude ist aber überschaubar. Was läuft da schief?
Michael Neumann: Junge Familien mit geringen und mittleren Einkommen beim Hausbau zu unterstützen, ist sicherlich sinnvoll. Allerdings sind die Baukosten in den vergangenen Jahren explodiert. Auch mit einer Förderung können sich das viele Menschen nicht leisten. Die Politik hat diese Entwicklung durch immer mehr Bürokratie und unzählige Auflagen zum Großteil selbst verschuldet. Wohin das führt, zeigen die neuesten Prognosen vom Ifo-Institut auf Basis heutiger Bauanträge und Baugenehmigungen: Das Ziel der Bundesregierung, auf 400.000 neue Wohnungen im Jahr zu kommen, rückt in immer weitere Ferne. Stattdessen werden es in einigen Jahren weniger als 200.000 sein.
Dabei hatte die Regierung bei dem genannten KfW-Programm sogar noch einmal nachgebessert und die Einkommensgrenze deutlich angehoben – Familien mit einem Kind dürfen nun maximal auf ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 90.000 Euro kommen – vorher waren es 60.000 Euro.
Neumann: Sicherlich hat die Anhebung der Einkommensgrenze dazu geführt, dass deutlich mehr Menschen in den Genuss dieser Mittel kommen. Die absoluten Zahlen derjenigen, die das Programm bewilligt bekommen, sind aber immer noch homöopathisch gering. Monatlich erhalten aktuell etwa 350 Familien eine Förderzusage – und das deutschlandweit! Die zur Verfügung stehenden Fördermittel sind mit jährlich 350 Millionen Euro nicht gerade üppig – und vieles spricht dafür, dass die Mittel für dieses Jahr bereits zur Neige gehen.
Woran machen Sie das fest?
Neumann: Die KfW hat die Zinsen für ihre Förderkredite jüngst in allen Programmen nach unten angepasst – mit Ausnahme der Wohneigentumsförderung für Familien. In dem Programm wurde der Darlehenszins – gegen den Markttrend – deutlich angehoben. Die Konditionen werden damit unattraktiver, die verbliebenen Mittel dürften demnach etwas länger halten.
Es mangelt also vor allem am Geld?
Neumann: Es wird definitiv zu wenig Geld in die Hand genommen. Das ist sicherlich ein Zeichen dafür, dass der Wohnungsbau auf der politischen Agenda nicht besonders weit oben steht. Ein so ausgestaltetes und ausgestattetes Programm ist meiner Meinung nach Symbolpolitik, die einen Fingerzeig gibt, was gefördert werden soll – mehr nicht.
Ein Kritikpunkt an dem KfW-Programm „Wohneigentum für Familien“ ist ja der Fokus auf Neubauten. Nun hat die Regierung angekündigt, eine Förderung für Bestandsimmobilien aufzulegen. Ist das ein Schritt in die richtige Richtung?
Neumann: Das Programm wird sich voraussichtlich auch an junge Familien mit geringen und mittleren Einkommen richten und an Sanierungsmaßnahmen gekoppelt sein. Das ist von der Idee her absolut nachvollziehbar und richtig. Wir beobachten, dass immer mehr Menschen auf ältere und auch modernisierungsbedürftige Objekte ausweichen – eben, weil Neubauten zu teuer sind. Vermutlich wird sich aber der Subventionsumfang für Bestandsbauten in einem ähnlichen Rahmen bewegen wie bei der Neubau-Förderung – und das ist einfach zu wenig. Wenn nicht ausreichend Geld in die Hand genommen wird, dann wird ein solches Programm auch nicht dazu beitragen, dass wir in naher Zukunft tatsächlich einen relevanten Anteil der Immobilien energieeffizient sanieren und gleichzeitig mehr Menschen in Wohneigentum bringen.
Eigentlich hat die Bundesregierung das Ziel ausgerufen, den Gebäudesektor bis 2045 klimaneutral zu machen.
Neumann: Wenn die Energiewende im Gebäudebestand kommen soll, muss die Regierung Anreize schaffen. Man kann das auch mit Zwang tun, aber dann werden viele Menschen eben kein Eigentum erwerben. Und Haus- oder Wohnungseigentümer werden sich genau überlegen, ob sie das Geld für Sanierungsmaßnahmen in die Hand nehmen oder ihre Immobilie verkaufen.
Deutschland ist ohnehin ein Land der Mieter. Was müsste passieren, damit sich mehr Menschen ein Haus oder eine Wohnung kaufen?
Neumann: Grundsätzlich ist eine Förderung in Form von zinsverbilligten Krediten ein guter Weg. Wer damit allerdings nicht erreicht wird, sind Menschen, die nicht über ausreichend Eigenkapital verfügen. Das trifft sicherlich häufig auch auf junge Familien zu. Dieser Zielgruppe konnte mit der Eigenheimzulage oder dem damaligen Baukindergeld, das in Form von Zuschüssen ausgezahlt wurde, besser geholfen werden. Es gibt auch andere Möglichkeiten, zum Beispiel über Bürgschaften oder Nachrangdarlehen der öffentlichen Hand, die wie Eigenkapital gewertet werden. Da gäbe es kreative Lösungen. Ein weiterer Hebel wäre, bei den hohen Kaufnebenkosten selbst anzusetzen.
Dazu gibt es viele Ideen, etwa eine Reform der Grunderwerbssteuer.
Neumann: Darüber wird nun schon seit 15 Jahren diskutiert – passiert ist aber nichts! Der Bund zeigt auf die Länder, die wehren sich und fordern Kompensation für die Steuerausfälle. Mit Ausnahme von Bayern haben alle Bundesländer den Satz deutlich angehoben. Kommt noch ein Makler hinzu, müssen viele Käufer einen mittleren fünfstelligen Betrag an Nebenkosten stemmen. Das schreckt viele Menschen vom Kauf ab. Ein Ansatz wäre, gerade bei jungen Familien mit geringen Einkommen, auf eine Grunderwerbssteuer zu verzichten.
Schon jetzt ziehen die Mieten, besonders in Großstädten, immer weiter an. Wie wird sich der Wohnungsmarkt in den kommenden Jahren entwickeln?
Neumann: Wir haben bereits einen enormen Druck im Mietmarkt und die Mieten werden weiter überproportional steigen. Das ist sozialer Sprengstoff und es wird weiter Öl ins Feuer gegossen. Den Druck bekommen wir nicht aus dem Markt, in dem weitere Regulatorien wie etwa ein Mietendeckel geschaffen werden. Und dieser gilt ja nur für Bestandsmieten. Die Neubaumieten steigen dynamisch an, weil sich sonst die Investitionen überhaupt nicht mehr lohnen. Am Ende führt das zu einem klassischen Lock-in-Effekt. Die Menschen bleiben in Wohnungen, die von der Größe oder Lage eigentlich nicht mehr passen. Diese Situation wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Das gilt vor allem für die Metropolen – und das zieht weitere Probleme nach sich. Denn viele Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften, auch im Ausland. Und auch diese müssen irgendwo wohnen und finden keinen geeigneten Wohnraum. Die Wohnungskrise ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Umso unverständlicher ist es, dass das Thema in der Politik keine Priorität hat.
Über den Interviewten:
Michael Neumann ist seit 2016 Vorstandsmitglied des Baufinanzierungsvermittlers Dr. Klein, der zum Hypoport-Konzern gehört. Zuvor war er unter anderem für die Interhyp-Gruppe tätig.