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“Mifid II alarmiert die Branche mehr als Basel III”

Ullrich Hartmann, PricewaterhouseCoopers
Ullrich Hartmann, PricewaterhouseCoopers
DAS INVESTMENT.com: Warum brauchen wir nur fünf Jahre nach Einführung der Mifid eine umfangreiche Neufassung der Finanzmarktrichtlinie?

Ullrich Hartmann: Bereits im Jahr 2007 bei Einführung der Mifid I hatte man eine kritische Reflexion eingeplant. Diese ist nun wie geplant erfolgt. Die EU-Kommission zielt dabei zum einen auf Anlegerschutz ab. Dazu gehören Punkte wie Zuwendungen oder die Telefonaufzeichnung. Auf der anderen Seite geht es aber auch um Themen wie Datenspeicherung, Nachhandelstransparenz, algorithmisches Handeln – Felder, die den Kundenschutz nicht direkt betreffen, sondern in denen die EU-Kommission nach der Erfahrung aus der Finanzmarktkrise dringenden Regulierungsbedarf sieht.

DAS INVESTMENT.com: Der Entwurf sieht vor, dass sich Anlageberater als unabhängig oder abhängig erklären müssen. Unabhängige dürfen dann keine Provisionen mehr annehmen.

Hartmann: Dies ist einer der meist diskutierten Punkte. Zweifellos wird durch Mifid II ein Anreiz geschaffen, die Honorarberatung in die Diskussion mit einzubeziehen. Ob das in der Stringenz auch wirklich so kommen wird, bleibt abzuwarten. Ein Institut kann sich vermutlich auch als abhängig erklären und weiterhin Zuwendungen Dritter annehmen. Ein dritter Weg ist, auf die Anlageberatung als Dienstleistung zu verzichten und sich allein der Vermögensverwaltung zuzuwenden. Aufgrund des hohen administrativen Aufwands und der Haftungsproblematik werden sich die Unternehmen gut überlegen, inwiefern Anlageberatung noch ein effizientes Geschäft ist.

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: Was sind Zuwendungen Dritter?

Hartmann: Das wird zurzeit inhaltlich sehr stark diskutiert. Im Entwurf steht lediglich der Satz, dass „Monetary Payments restricted“ sein sollen, was in Deutschland mit Zuwendungen übersetzt wird. Es ist noch nicht klar, wie das konkret ausgelegt wird. In den nächsten Stufen der Mifid II-Entwicklung wird es auch darum gehen, zu definieren, was genau unter „Monetary Payments“ zu verstehen sein wird.

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: Wo sehen sie bei Mifid II besonderen Diskussionsbedarf?

Hartmann
: Es gibt viele Überschneidungen mit laufenden deutschen Regulierungsprojekten, etwa was die geforderten periodischen Informationspflichten in der Anlageberatung betrifft. Demnach muss der Anleger auch nach dem Verkauf eines Produktes regelmäßig informiert werden, wie sich das Papier entwickelt hat. Hinzu kommt die Geeignetheit (Suitability): Der Berater muss bestätigen, dass das empfohlene Produkt zu den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen des Beratenen passt. Dazu zählt auch die Erfahrung, die der Kunde in der jeweiligen Wertpapiergattung besitzt – das wird in Deutschland bereits über das AnsFuG geregelt.

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: Ist die Branche vorbereitet auf all diese Eingriffe, die erheblichen administrativen Aufwand bedeuten?

Hartmann
: Das muss man differenziert sehen. Zum einen ist die Branche alarmiert: auf das Mifid-Papier im Dezember 2010 sind ca. 4.500 Konsultationen von Marktteilnehmern und ihren Standesvertretungen eingegangen. Das ist eine gigantische Zahl, viel mehr als bei Basel II oder Basel III und belegt enormes Interesse. Auf der anderen Seite gibt es noch viele Anlageberater, die sich noch nicht im Detail mit den neuen Regulierungen befassen. Klar ist jedoch, dass die großen Institute bereits begonnen haben, sich mit den Auswirkungen von Mifid II auf ihr Geschäftsmodell im Bereich des Wertpapierhandels auseinander zu setzen.

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: Genügt es denn, auf die Ausführungsbestimmungen etwa zur Mifid II zu warten?

Hartmann
: Es ist zwar richtig, dass ein Zeitplan zur finalen Umsetzung nicht explizit im Entwurf steht und wir uns erst in der ersten von drei Phasen (Level I) befinden. Jetzt wird zunächst diskutiert. Außerdem gehen die Vorschläge der Betroffenen ein. Dann entscheidet die EU-Kommission im 4. Quartal 2012 über die finale Fassung. Die Diskussion auf Level II-Ebene soll noch im letzten Quartal 2012 beginnen. Wann mit einem überarbeiteten Papier zu rechnen ist, ist noch offen. Ab 2013 beginnt dann die Stufe Level III. Die Fachwelt rechnet erst Ende 2014 oder eher 2015 mit der Umsetzung. Es ist dennoch dringend anzuraten, die Papiere bereits jetzt im Detail zu studieren, um die Auswirkungen auf das jeweilige Geschäftsmodell abzuschätzen und rechtzeitig Alternativen zu entwickeln.

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